Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei echte Tränen und 2500 Stunden ARD-Präsenz gefunden.
Es ist nicht so einfach, über zweidimensionale Medien zu schreiben, wenn praktisch alle Zeitungen, Bildschirme und sonstigen Kanäle von „Star Wars“ besetzt sind. Das sechste Sequel der zusehends endlosen Weltraumsaga zieht momentan die dritte Nachkriegsgeneration so fest in den Bannstrahl der Macht, dass abweichendes Angebot kaum Aufmerksamkeit erlangen kann. Das hat allerdings naturgemäß auch mit der Relevanz dessen zu tun, was eben abseits vom „Krieg der Sterne“ so läuft.
Shows zum Beispiel wie Pilawas „Spiel für Dein Land“, wo es die ARD schaffte, das sozialkritische Potenzial des neuen Heidi-Films so aus dem Zusammenschnitt zu hacken, dass darin doch wieder nur heile Alpenwelt strahlt. Oder Markus Lanz, der Deutschlands umstrittensten Gewerkschafter Weselsky im ZDF-Rückblick „Menschen 2015“ fünf Minuten Interview schenkte, die den streikfreudigen GDL-Chef vor wirklich jeder kritischen Frage bewahrte. Da Relevanz aber auch sonst nur im Krisenfall das öffentlich-rechtliche Programm kontaminiert, übertrug das Erste statt eines DFB-Pokalspiels zuvor Bayern gegen Darmstadt, was zwar sportlich egal war, aber die Mindestquote von 2500 Stunden ARD-Präsenz des Rekordmeisters pro Jahr komplettierte.
Die Welt am Rande des Wahnsinns
Verglichen damit war es fast bedeutsam, wie Stefan Raab, der die gehässige Verunglimpfung Schutzloser via „TV total“ zum Wesenskern des Privatkernsehens verfeinert hat, beim Abschied auf Pro7 weinte. Echte Tränen wären dagegen jene 40 Euro wert, die ein Moskauer Gericht dem ARD-Sachfilmer Hajo Seppelt für seine Doku „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“ wegen angeblich „unglaubwürdiger“ Vorwürfe aufgebrummt hat. In einem Land übrigens, dessen Präsident Sepp Blatter für den Friedensnobelpreis vorschlägt, was nur noch das nationalrassistische Talkshowinventar Roger Köppel überbot, dessen „Weltwoche“ den verhassten Fifa-Besitzer zum „Schweizer des Jahres“ kürte. Die Welt am Rande des Wahnsinns.
Dort befindet sich ab Donnerstag dank der einzig nennenswerten Premiere dieser Woche auch die Provinz. In der NDR-Serie „Jennifer“ kriegt es die norddeutsche Vorstadtfriseurin gleichen Namens mit allerlei Hindernissen auf dem Weg ihrer „Sehnsucht nach was Besseres“ zu tun, namentlich ihrem Chef Dietmar, dem Olli Dittrich um 22.25 Uhr wunderbar wackelige Überheblichkeit verpasst.
45-Minuten Reklame-Einöde
Ansonsten aber halten sich die Programmplaner seit dem Ende der Weihnachtsmehrteiler gewohnt zurück mit Neuigkeiten von Wert zum Fest. Zu nennen wäre allenfalls die opulente Neuverfilmung von Victor Hugos Historienspektakel „Les Misérables“ am Mittwoch (23 Uhr, ZDF) mit Hugh Jackman als geächteter Ab- und Aufsteiger im Frankreich des 19. Jahrhunderts, wofür es 2013 zu recht drei Oscars gab. Und dann wäre da noch das lieb gewonnene Ritual, die Feiertage mit modernisierten Märchen zu versüßen. Die vier neuen am Freitag und Samstag ab 14 Uhr zeigen zwar, dass sowohl populäre Grimm-Stoffe als auch die großen Stars der ersten acht Jahre knapp werden. Besonders die Adaption von E.T.A Hoffmanns Kunstwerk „Nussknacker und Mausekönig“ lässt jedoch am 1. Weihnachtstag das Gute und Böse auf Fingergröße geschrumpft so furios im Kinderzimmer der hinreißenden Mala Emde aufeinanderprallen, dass es die reine Freude ist.
Darüber hinaus aber lodert am Flatscreen das Flämmchen üblicher Gewissheiteiten. Im Ersten erkennt der suizidgefährdete James Stewart Heilignacht nach zwei erneut, dass das Leben doch schön sein kann, im ZDF kriegt Helene Fischer tags drauf wie üblich ihre mehrstündige Eigendauerwerbesendung, während RTL Minions und ähnliche Animationskracher absondert. Pro7 Sat1 verwechselt Christ- mit Schlachtfest, Sat1 füllt die Hobbit-Premiere „Smaugs Einöde“ Freitag mit 45 Minuten Reklame und wochenends gibt’s gleich zwei Tatorte, wobei Ulrich Tukur seiner Filmrolle Murot im letzten allen Ernstes leibhaftig begegnet.
„Schöne Bescherung“ mit dem Unverwüstlichen
Vieles wie gehabt also, einiges unterhaltsam, wenig dafür geeignet, was an dieser Stelle irgendwann zur „Wiederholung der Woche“ taugen könnte wie „Die Ferien des Monsieur Hulot“ von 1953 am Montag auf Arte (20.15 Uhr) im Rahmen eines ganzen famosen Abends rund um den schwarzweißen Komiker Jacques Tati. In Farbe hingegen darf der unverwüstliche Chevy Chase am Dienstag auf Vox nochmals für „Schöne Bescherung“ (1989) sorgen. Und im dokumentarischen Wochentipp widmet der RBB parallel um 22.15 Uhr Hildegard Knef ein fabelhaftes Porträt. Frohes Fest.
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden