Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei geballte Fäuste statt Argumenten und Niveau gefunden.

Die aktuelle Nachrichtenlage zerstört grad drei liebgewonnene Gewissheiten: Dass Aggression ein zielgerichteter Akt ist zum Beispiel. Dass man demnach zum Opfer wird, weil es – wie vage auch immer – Gründe dafür gibt. Dass die Zivilisation auf dem Weg fort von der Barbarei also stets vorwärts strebt. Mit derlei frommen Wünschen räumen stundenlange Sondersendungen seit zehn Tagen bei gigantischen Einschaltquoten täglich auf. Gut, als Dienstag ein Fußballländerspiel abgesagt wurde, räumte das ZDF zwischen zwei Krimis nur den Gegenwert einer Halbzeit für die breaking news. Ansonsten aber wirft der Zivilisationsbruch von Paris alle Programmplanungen unbürokratisch über den Haufen.

Geballte Faust statt Argumente

Da entbehrt es nicht einer gewissen Komik, dass ihm ausgerechnet der atavistische Modernitätsverweigerer Til Schweiger, dem eine geballte Faust allemal lieber ist als Argumente, zum Opfer fiel: Aus „Respekt vor den Opfern grausamer Anschläge“, wie der NDR mitteilen ließ, wich sein gestriger Anti-Terror-Kombattant Nick Tschiller der sanften Maria Furtwängler, was seinerseits erstaunlich war – ermittelte sie doch (dramaturgisch schlicht, aber immerhin mit Bild-Chef Diekmann als Leiche) im Milieu der Bundeswehr, die bald im heißen Einsatz sein könnte, wenn sich die Lage nicht normalisiert und der anhaltende Flüchtlingsstrom nebst rechtem Mob zurück in die Tagesschau kehrt.

Ob darin jedoch in absehbarer Zeit weiche Meldungen – also ohne Krieg, Terror und Krise – Platz finden, darf bezweifelt werden angesichts der endlosen Verwerfungen unserer Gegenwart. Deshalb künden wir an dieser Stelle mal von etwas, das in seiner Harmlosigkeit fast banal ist und doch berichtenswert: Nach dem Nullpunktefiasko von Wien wollte der NDR fürs nächstjährige ESC-Finale in Stockholm nicht verschiedene, hüstel, Künstler gegeneinander antreten lassen, sondern Xavier Naidoo gegen Xavier Naidoo und einen gewissen Xavier Naidoo, was allerdings einen so umfassenden Shitstorm nach sich zog, dass der zuständige Sender flugs wieder abrückte vom verschwörungstheoretischsten Fundamentalchristen im Land. Ach Herr, falls es dich gibt: lass Niveau regnen, auf dieses Fernsehland!

Danke für gar nichts!

Ein wenig davon wässert allerdings schon diesen Sonntag. Und zwar nicht nur, weil die Testosteron-Gießkanne Schweiger verschoben wird, sondern mehr noch, da Günther Jauch – der Gott des Talkens hatte ein Einsehen! – endlich die ARD verlässt. Danke für gar nichts, Günni! Und bitte, bitte bleib bis zur Rente bei RTL; da gehörst du hin, der gehört zu dir und dort gibt es mittlerweile ja durchaus auch mal so was wie sehenswertes Fernsehen.

„Deutschland 83“ nämlich, ein Agententhriller in (vorerst) acht Teilen, der den Graben zur internationalen Serie von Format nicht nur provisorisch, sondern recht solide überbrückt. Der ungewöhnlich begabte Jonas Nay wird darin vom Event-Schmied Nico Hofmann als argloser NVA-Soldat Martin in die BRD geschickt, um als Bundeswehrsoldat getarnt einen befürchteten NATO-Angriff zu verifizieren. Doch was wie üppig kostümiertes Zeitgeschichtsepos daherkommt, ist hinter der weltpolitischen Fassade die Coming-of-age-Story eines Jungerwachsenen, der seine Persönlichkeit zwischen zwei Systemen findet – also ungewohnt vielschichtig.

Gut, „Borgen“ oder „Homeland“ spielen noch immer in einer höheren Liga; „Deutschland 83“ ist dennoch besser als das meiste, was hier sonst in Reihe geht. Und wird interessanterweise vom ARD-Mittwochsfilm eingeleitet, der das Spionagethema etwas anders personalisiert: Mit der hinreißenden Julia Koschitz als westdeutsche Studentin, die in den Siebzigern von der Stasi angeworben wird, was ihre Bea in „Unsichtbare Jahre“ noch mehr zerreißt als ihren Ost-Kollegen Martin. Spionage ganz anderer Art verarbeitet die exzellente Doku „Citizenfour“ an gleicher Stelle Montag zuvor (22.45 Uhr): Auf Basis seiner Begegnungen mit den Reportern Laura Poitras und Gleen Greenwald porträtiert sie den Whistleblower Edward Snowdon so umfassend, dass es dafür einen Oscar gab.

„Blair Witch“ in Brandenburg

Den Grimme-Preis hätte hingegen Christian Redls achter Spreewald-Einsatz am Montag im ZDF verdient. Als Kommissar Krüger den Laptop dreier Filmemacher findet, die auf der Suche nach einem legendären Wassergeist im Moor verschwunden sind, führt ihn ein gespeichertes Video auf die Spur zweier Frauen, die 15 Jahre zuvor das gleiche Schicksal ereilte. „Blair Witch“ in Brandenburg – fabelhaft gespielt, grandios fotografiert, oft echt gruselig. Also irgendwie nicht sonderlich weit weg von der Wiederholung der Woche in Farbe: Ridely Scotts „Alien“ (Mittwoch, Kabel1), zeitlos schockierend, wenngleich die ganz krassen Szenen der Sendezeit um 20.15 Uhr zum Opfer fallen oder von 37 Minuten Werbung zerhackt werden dürften. Letzeres bleibt dem schwarzweißen Tipp „Regeneration“ erspart. Das Exit-Drama im Gangstermilieu von 1915 läuft heute um 23.35 Uhr auf Arte. Ebenso wie die Doku der Woche: um 22.45 startet am Samstag der Dreiteiler „Von DADA bis GAGA“ über die Faszination der Performancekunst in den vergangenen 100 Jahren.

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