Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und ein folgenloses Jubiläum und einen Rückfall ins Schnulzenschema gefunden.
So, der 21. Oktober ist vorüber, ohne dass in Hill Valley oder sonstwo ein De Lorean aus der vergangenen Zukunft mit Michael J. Fox gelandet wäre, wie es sein Sportwagen im Zeitreiseklassiker angezeigt hatte. Noch folgenloser ging tags drauf das zweite Jubiläum der Vorwoche an uns vorbei: Die „Schwarzwaldklinik“ wurde 30, was nicht mal beim ZDF zu programmatischer Würdigung führte, obwohl der Sender damals kollektiv auf dem Grab gehaltvoller TV-Unterhaltung getanzt hatte, wenn die Einschaltquote mal wieder Rekordniveau erreichte.
Seit Wolfgang Rademanns keimfreier Halbgötterserie in 73 Teilen ist das Leitmedium ein anderes – banaler, seniler, völkischer, dümmer, der digitalen Konkurrenz schutzlos ausgeliefert, also nicht mehr zu retten. Das belegt wenig besser als der hektische Kampf gegen die dramaturgische Vormachtstellung importierter Produkte, denen hierzulande selten mehr als Krimikost oder Zeitgeschichte entgegengesetzt wird, gern beides in einem wie zuletzt „Blochin“, bald „Deutschland 83“ oder 2016 Tom Tykwers monumentale ARD-Serie um die Goldenen Zwanziger Jahre in „Babylon Berlin“.
Das Land des ängstlichen Fernsehens
Das angeblich ehrgeizigste Fernsehprojekt soll jedoch auf der Kippe stehen. Vordergründig, weil die immensen Kosten nicht abschließend gedeckt sind, was hintergründig aufs Dilemma hiesiger Fiktion insgesamt verweist: Wichtiger als gute Bücher für motivierte Darsteller sind Blut, Tränen, Kulisse und die Hauptstadt als Spielort. Während der andernorts auch mal Baltimore, Albuquerque oder New Jersey heißen darf, ist es hierzulande von „KDD“ bis „Weissensee“ zwingend Berlin. Könnte ja jemand denken, Deutschland bohre dünne Bretter…
Dass eher Geschichten und Dialoge statt Gerechtigkeitsdenken und Schauwert für globalen Erfolg sorgen, ist halt noch immer nicht angekommen im Land des ängstlichen Fernsehens für besorgte Bürger, die der Historiker Norbert Frey in den Tagesthemen gerade erfrischend klug als „Bürger“ bezeichnet hat, die uns eher „Sorgen machen sollten“, doch das nur am Rande einer Rückschau, die den Irrsinn von Dresden und anderswo nicht einfach rechts liegen lassen kann.
Zwietracht, bis es knallt
Wo der hinführen kann, zeigen auch diese Woche nicht nur frische Bilder hartrechter Montagsmärsche besorgniserregender Bürger oder offene Gewalt gegen Volksverräter jeder Art, sondern eine ARD-Doku zum Wochenauftakt: Um 23.45 Uhr stellt Felix Moeller „Nazifilme aus dem Giftschrank“ vor, die der Öffentlichkeit bis heute vorenthalten werden – was sie weit interessanter für Pegida-Fans macht als kommentierte Ausgaben, die das Klima entgiften könnten. Wie leicht es kippt, will Dienstag und Mittwoch um 21.45 Uhr das Social-Factual-Experiment „Plötzlich Krieg?“ ergründen. Unter zwei Gruppen verschiedener Menschen sät ZDFneo solange Zwietracht, bis es knallt, und zeigt damit, wie zersetzend ungefilterte Propaganda wirkt.
Bei so viel rauer Wirklichkeit ist es erleichternd, mal kurz ins Wolkenkuckucksheim harmloser Unterhaltung abzutauchen. Eigentlich böte sich da mittlerweile der Freitagabend im Ersten an, wo zwar seit einiger Zeit gelegentlich ein zuvor undenkbarer Realitätssinn Platz findet, der aber immer mal wieder zurückfällt ins Schnulzenschema der Neubauer-Ära. Etwa mit der süßlichen Alexandra Neldel, die in „Alles Rosa“ allen Ernstes eine liebeskranke Wedding-Planerin spielt und im lachhaft sülzigen Pilotfilm der geplanten Reihe gleich mal alles einreißt, was sie sich mühsam an Renommee aufgebaut hat.
Mehr als Trash-Kuriosität
Das ist von so präkambrischer Schleimigkeit, dass es eigentlich ins Bahnhofskino gehört. Zur Erinnerung an die sterbenden „BaLis“ voll Monster, Mumien, Mutationen zeigt Arte Samstag (22 Uhr) Oliver Schwehms hinreißende Hommage „Cinema Perverso“, die mehr ist als ein Kuriositätenkabinett des Trash. Vor ihrem Niedergang im Zuge von VHS & RTL wäre melancholischer Werwolf-Horror wie „When Animals Dream“ aus Dänemark vermutlich dort gelaufen, statt an einem Montag um 23.15 Uhr im NDR. Und auch die farbige „Wiederholung der Woche“ war 1976 ein Kandidat fürs Bahnhofslichtspielhaus: Scorceses „Taxi Driver“ (Montag, 20.15 Uhr, Arte), mit dem jungen Robert De Niro und der jüngeren Jodie Foster im New Yorker Rotlichtsumpf. Der schwarzweiße Tipp begibt sich ins Winnipeg von 1933, wobei „The Saddest Music in the World“ (Dienstag, 20.15 Uhr, ZDFkultur) die fiebrige Suche nach dem traurigsten Lied der Welt 2003 in Szene gesetzt hat. Aktueller ist da die „Doku der Woche“, diesmal ein Samstagabend auf 3sat, der bis morgens früh Stücke der Wiener Staatsoper zeig, darunter „Schwanensee“ und „Werther“.
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