Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und hat dabei die hässliche Fratze der Anonymität gefunden.
Während nämlich Flüchtlinge landauf landab mit einem Lächeln im Gesicht begrüßt werden, zeigt der rassistische Mob im rechtsfreien Raum virtueller Anonymität seine hässliche Fratze. Vermeintlich rechtsreduziert, vermeintlich anonym: Weil soziale Netzwerke viel gegen Brustwarzen und wenig gegen Nazis haben, wird der SWR selbst aktiv und geht gegen einen Kommentator auf der Facebook-Seite des „Weltspiegel“ vor, der die Menschen an Ungarns Grenze „dreckiges Viehzeug“ nennt, „Tod den Eselfickern“ und sich dafür ein scharfes Messer wünscht. Die Anzeige wegen Volksverhetzung könnte Erfolg haben.
Populismus als Müll entlarven
Zu dumm, dass man wegen dummdreister Ignoranz nicht belangt werden kann. Sonst gehörte Kai Diekmann für seinen AfD-Vergleich des grundsätzlich fremdenfreundlichen FC St. Pauli, der sich den verlogenen „Wir helfen“-Button der grundsätzlich fremdenfeindlichen „Bild“ (wie mittlerweile ein Drittel aller Zweitligisten von Bochum bis Union Berlin) zu recht nichts ans Trikot heftet, lebenslang bei Dosenbier und RTL2 in ein Asylheim gesperrt. Oder lieber mit Prosecco und „Mila“, einer derart altmodischen Telenovela, dass Sat1 sein debiles Gesülze nach nur zehn Folgen zu Sixx abschiebt. Schön wäre auch, Springers Chefposaunist würde zur Strafe eine Woche lang mal mit guten Journalisten arbeiten, die seinen Populismus als den Müll entlarven, der er publizistisch ist.
Journalisten wie Daniel Harrich zum Beispiel, dessen Drama zum Oktoberfestattentat kürzlich für eine Neuaufnahme der Ermittlungen sorgte. Sein neuer Streich lässt am Mittwoch Licht ins Dunkel der deutschen Industrie. Mit großer Faktenliebe, akribischer Recherche und reichlich Gespür fürs Unterhaltungspotenzial soziokultureller Relevanz, entlarvt sein ARD-Film realgetreue Fiktion „Meister des Todes“ (gefolgt von einer präzisen Dokumentation) mit Heiner Lauterbach und Axel Milberg als skrupellose Waffenhändler, wie die hiesige Wirtschaft mit staatlicher Hilfe am weltweiten Tod Unschuldiger verdient. Ein Fall übrigens, der erst vorige Woche von der Wirklichkeit eingeholt wurde, als illegale Deals von Heckler & Koch (im Film HSW genannt) mit Mexiko durch die Presse gingen.
Schöne Exportnation Deutschland.
Importiert werden muss hingegen noch immer gutes Serienfernsehen. Und falls mal was Deutsches mit Anspruch entsteht, läuft es wie „Lerchenberg“ zur Geisterstunde, die das ZDF Dienstag für die letzen vier Folgen reserviert. Am späten Gütestammplatz ändert da auch die Topsendezeit des heiß ersehnten Fünfteilers „Blochin“ mit Jürgen Vogel als janusköpfiger Bulle wenig. Der hochkarätig besetzte, horizontal erzählte Thriller ragt (schon dank Thomas Heinze als dubioser Chef) weit aus dem hiesigen Krimiallerlei hervor. Doch weder Buch noch Bildsprache, geschweige denn Vogel erreichen an drei Abenden ab Freitag das Niveau globaler Vorbilder.
So steht die Woche dann doch eher im Zeichen der Rückkehr. Von „Big Brother“ etwa, dass seinen Container aber Dienstag um 20.15 Uhr beim Frauenkanal Sixx aufstellt. Oder von der „Anstalt“, die zwei Stunden später im Zweiten aus der Sommerpause kommt. Und dann gäbe es da noch das Comeback einer Serie, die Trash-TV-Geschichte geschrieben hat: „Hinter Gittern“ mit der legendären Walter und ihren Mithäftlingen im „Frauenknast“ (ab Samstag, 21.45 Uhr, SuperRTL) von 1997, eine Zeit, als selbst das Privatfernsehen noch die Kraft zu bedeutsamer Innovation besaß.
Die Tragikomödie der Woche
Weil davon längst nichts mehr zu spüren ist, wenden wir uns den „Wiederholungen der Woche“ zu. In Farbe diesmal „Local Hero“ (1982), Bill Forsyths poetische Tragikomödie (Donnerstag, 22.25 Uhr, 3sat) um die Bewohner eines schottischen Küstendorfs im heiteren Kampf mit einem profitgierigen Ölkonzern. Zur Gattung Tragikomödie zählt auch die schwarzweiße Gebrauchtware: „Der alte Mann und das Kind“ (Montag, 20.15 Uhr, Arte) von 1967, in der ein französischer Antisemit aus Versehen einen kleinen Juden vor den Nazis rettet. Und zum Schluss der Dokumentartipp, heute gleich zwölf Stunden lang: Am Dienstag porträtiert ZDFkultur bis Mitternacht amerikanische Pioniere und Konzerne von Coke über Ford bis Oppenheimer, was durch die Bank spannend ist.
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