Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei eher von anspruchslosen Geistern gesprägtes Programm gefunden.

„Und alle so Yeah.“ Auf diese vier Worte kann man den Start der Zukunft vor einer Woche ungefähr reduzieren. „So Yeah“ haben in Daniel Bröckerhoffs hipsterbärtig dekorierten Kopf nämlich all jene gesagt, die vom Bahnstreik betroffen waren. Gut, viel mehr hatte der Moderator zum Start von „heute+“ über den neuerlichen Ausstand ohnehin kaum zu sagen als das, was alle angeblich rufen, aber darum ging es auch nicht in den Nachrichten von morgen. Es ging darum, sich inhaltlich egal, aber ästhetisch angemessen an die Generation Online ranzuwanzen, als sei LeFloid Anchorman des ZDF.

Oder sagen wir: als sei Thomas Gottschalk ein Showmaster, der in Würde altert. Das würde er vielleicht sogar wollen, weshalb er „Wetten, dass…?“ weit vorm Tiefpunkt abgegeben hat. Aber sein aktueller Arbeitgeber RTL hat andere Vorstellungen vom Ruhestand und ließ den Altstar zum Geburtstag albern über die Werbebühne hüpfen, als habe man mit 65 keinen Anstand mehr zu verlieren. Jenseits von gut und böse, nennt man das wohl, ein Zustand, in dem das Fernsehen insgesamt längst angekommen ist – das zeigen nicht zuletzt diese überdrehten Monstermegagutelauneevents à la ESC, mit dem die ARD Samstag wieder sich und die Konturlosigkeit des Mainstreams zelebrierte, für den der veranstaltende ORF allen Ernstes Arabella Kiesbauer als Moderatorin aus der Versenkung gezaubert hat.

„Wort zum Sonntag“ in der Ballermannsause

Da war es doch erbaulich, als Pfarrer Gereon – kein Scherz: Alter im vorangehenden „Wort zum Sonntag“ von der Reeperbahn betonte, nicht eine perfekte Show mache das Leben lebenswert, „sondern die vielen kleinen Menschlichkeiten“. Dummerweise verhallten die hehren Sonntagsworte des Geistlichen unverzüglich im LED-Gewitter einer Ballermannsause, die statt irgendwann mal zu enden sogar nach Australien expandiert ist. Zu Ende ging dieser Tage hingegen etwas ganz anderes: Epochen. Vorige Woche lief die letzte Folge „Mad Men“, deren präzise Studie des Grundgerüsts unserer Konsumgesellschaft TV-Geschichte geschrieben hat.

Ohne allzu präzise irgendwas außer den unverwüstlichen Drang zur Zote zu studieren, endet noch was anderes mit Männern im Titel, zweieinhalb nämlich, die 262 Folgen lang die Vielfalt von Geschlechterstereotypen als Pointenbasis durchdekliniert hat. Dienstag um 20.40 Uhr ist bei Pro7 Schluss – mit dem Auftritt abgetretener Protagonisten und zweier Pianos. Schluss ist zwei Tage später an gleicher Stelle auch endlich mit der Suche von „Heidi Klum’s Next Bulimiestute 2015“, wenn das abgebrochene Finale nachgeholt wird.

Eher anspruchslose Geister

Man merkt schon: die Fernsehwoche wird von eher anspruchslosen Geistern geprägt. Sie sehen dem ZDF wohl auch dabei zu, wenn es die frühere Gastronomie-Sanierung auf RTL als „Rach und die Restaurantgründer“ recycelt, oder wenn RTL2 Jeremy Clarksons benzintriefende Schwanzparade „Top Gear“ ab Sonntag (17 Uhr) statt made in Britain made in USA zeigt. Im sexistischen Temporausch gehen natürlich die paar Perlen unter. Den französischen Dreiteiler „In der Haut des Anderen“ zum Beispiel über einen Pianisten, der mit neuer Identität erwacht und fortan die alte sucht, was Arte am Donnerstag ab 21.45 Uhr am Stück sendet. Und dass Rainer Werner Fassbinder am Sonntag 70 geworden wäre, sollte eigentlich Anlass für eine umfassende Retrospektive sein. Leider ist den Staatssendern der Regieberserker auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod noch zu suspekt für wahre Würdigungen.

So bleibt es Mittwoch beim kurzen Themenabend auf Arte, inklusive „Ehe der Maria Braun“ und einem gelungenen Filmporträt im Anschluss, während der BR Schlöndorffs frisch wiederentdeckte Brecht-Adaption „Baal“ mit Fassbinder als saufenden Dichter Sonntag um 22.10 Uhr versteckt. Dass dies im Grunde bereits Gebrauchtwarenempfehlungen sind, zeigt, wie wenig sehenswerte Neuware das Medium anbietet – ist aber ein guter Übergang zu den „Wiederholungen der Woche“, die ebenfalls mit Volker Schlöndorff einsteigen: Sein „Tod eines Handlungsreisenden“ (Dienstag, 22.15 Uhr, ZDFkultur) hat 1985 Arthur Millers Bühnenstück mit Dustin Hoffman als desillusionierten Vertreter kinotauglich verfilmt. Und am Freitag zeigt ServusTV um 22.15 in schwarzweiß „Der dritte Mann“ von 1949. Besser geht’s nicht. Und alle so Hipphipphurra!

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