Antilopen Gang: Aversion, Utopien und Zustände

Foto: Henry Lührs
Musik
Henry Lührs
@henrycalrs

E-Mail: luehrs@hh-mittendrin.de

Drei Männer mit Utopien, so viel vorweg. Die Antilopen Gang besteht aus den Rappern Danger Dan, Panik Panzer und Koljah. „Aversion“ heißt ihr neues Album. Henry Lührs hat sich mit den Jungs zum Interview getroffen und mit ihnen über ihre politische Haltung, ihr neues Album und die Zustände im deutschen Rap gesprochen.

Mittendrin: Euer neues Album heißt „Aversion“. Wie ist dieser Titel entstanden?

Danger Dan: Wir sind Männer mit Utopien, die aber so abstrus und abstrakt sind, dass wir diese gar nicht mehr formulieren können. Wir können sie nur noch insofern wahrnehmen, dass wir mit allem grundsätzlich unzufrieden sind. Unsere Aversion ist unser Anker, der uns daran erinnert, dass wir uns auch etwas Schönes vorstellen könnten. Wir wissen nur nicht genau was.

Ihr selbst habt euch in eurer Jugend teilweise auch schon in linken Jugendzentren aufgehalten. Wie steht ihr zur Roten Flora in Hamburg?

Koljah: Wir haben in der Roten Flora auch schon ein paar Mal gespielt. Und das ist natürlich ein cooler Laden. Auch ein traditionsreicher Laden, wo wir vielleicht auch irgendwann nochmal vorbeischauen.

In eurem Song „Beate Tschäpe hört U2“ singt ihr: „Deutschrapp muss sterben, damit wir leben können“. Das klingt nach „Deutschland muss sterben“ von der Hamburger Punkband Slime.

Koljah: Das ist uns einfach so in den Kopf gekommen, als wir mal wieder Deutschrappstunde gemacht haben und uns alle aktuellen Videos von Deutschrap, Deutschrock und Deutschreggea, Deutschpop und was auch immer es so gibt, reingezogen haben. Da haben wir gemerkt, dass Deutschrap mit Abstand am „whaksten“ ist und wir eigentlich alle davon profitieren würden, wenn Deutschrap nicht mehr wäre.

Der Song „Beate Tschäpe hört U2“ richtet sich letztlich gegen Nazis und Verschwörungstheoretiker. Habt ihr selbst schon Erfahrungen mit Nazis gemacht?

Panik Panzer: Meine Erfahrungen mit Nazis sind wenig positiv. Ich kann mich an keine einzige Begegnung mit einem Nazi erinnern, die von Sympathien und gegenseitiger Freude getragen war. Und ich habe eher, wie ich auch im Song berichte, viele Gewalterfahrungen mit Nazis gemacht. Deswegen finde ich Nazis doof.

Danger Dan: Ich wurde von Nazis verprügelt und dann habe auch ich einen Nazi verprügelt. Und wenn Sie mich fragen, ob ich den Stein einfach in die Luft geworfen habe: Ja, ich habe den Stein einfach in die Luft geworfen.

Mittlerweile laufen Songs wie „Beate Tschäpe hört U2“ auch in Clubs und Bars und scheint trotz ernstem Inhalts sehr feierbar. Habt ihr damit gerechnet?

Panik Panzer: Als wir den Song die ersten Male live gespielt haben, wusste ich gar nicht so genau, wie verhalte ich mich jetzt auf der Bühne. Ich war dann kurz dazu geneigt, so eine falsche Betroffenheit aufzusetzen, weil ich die irgendwie dem Song entsprechen für richtig gehalten habe, aber das ist auch falsch. Und je öfter wir den Song gespielt haben, desto mehr hab ich gemerkt, dass der Song auch feierbar ist. Der hat einen guten Beat und nur weil die Inhalte ernst oder politisch sind, heißt das ja nicht, dass man dann nicht tanzen darf.

Für Provokationen seid ihr ja bekannt. Als Koljah mit „I love Israel“- T-shirt bei der Fernsehsendung Circus Halligalli aufgetreten ist, gab es aber auch durchaus negative Reaktionen. Der Hamburger Rapper und Newcomer Disarstar hat zum Beispiel geschrieben:

„Diese Pseudo-Linken Schwachköpfe von der Antilopen Gang, die bei Circus Halligalli mit „I love Israel“-T-shirts auflaufen und sich somit vorbehaltlos mit völkerrechtswidrigen menschenverachtendem Siedlungsbau solidarisieren, sollen ihren Schwachsinn für sich behalten.“

Was hat euch dazu bewegt diese Shirts zu tragen?

Danger Dan: Das finde ich schade!

Koljah: Ich hab mir gedacht, dass sich Leute wie Disarstar vielleicht ärgern, wenn wir solche T-Shirts anziehen. Deshalb habe ich es angezogen.

Danger Dan: Ich zieh nächstes Mal auch ein Israel-Shirt an.

Koljah: Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich viele Rapper politisch nicht äußern sollten, weil nur so ein Unfug dabei rauskommt. Das spricht ja für sich, wie die Reaktionen auf so ein T-Shirt sind. Es gab noch einen weiteren Rapper, der uns Beef angedroht hat. Ich fühle mich jedenfalls bestätigt darin, es anzuziehen.

Im Song Ibiza rappt ihr, dass ihr keinen Bock darauf hättet, dass der Hamburger Künstler Jan Delay in euren Liedern mitsingt. Warum? Und was würdet ihr machen, wenn er euch morgen wegen eines Features anrufen würde?

Panik Panzer: Wir sind ja dafür bekannt, dass wir unsere Versprechen und das was wir so sagen, nicht halten. Und auch unsere Grundsätze jederzeit über Bord werfen, wenn nur genügend Leute sich darüber ärgern. Insofern würde ich einen Anruf von Jan Delay freudig entgegennehmen und wäre zu jeglicher Kooperation bereit.

Koljah: Geht mir auch so, allerdings würde ich mir wünschen, dass es nicht dieser Deutschrockmodus ist, indem er gerade ist. Eißfeld wäre korrekt.

Euer Musikvideo von „Verliebt“ habt ihr im Hamburger  Übel und Gefährlich gedreht. Wie kam es dazu und vor allem, wie kam es zum Einsatz der Hamburger Rapper von Fettes Brot?

Danger Dan: Ins Übel und Gefährlich sind wir durch den Hamburger Regisseure Aron Krause von Musikbewegtebilder gekommen. Das ist ein wahnsinnig guter Typ. Der hatte zum Beispiel auch direkt dieses Treppenhaus vom Bunker im Hinterkopf und Fettes Brot hatten wir bei unserem letzten Hamburg Gig kennengelernt und haben die eingeladen. Wir haben mit denen noch einen Abend lang Schnäpse getrunken. Das war ein lustiger Abend. Wir haben sie einfach gefragt, ob sie mitmachen, weil wir auch noch Statisten brauchten. Uns fielen auch nicht viele ein, aber Fettes Brot sind einfach so, wie wir sie kennengelernt haben, Leute, die man spontan fragen kann, ob sie vorbeikommen, sich Polizeiuniform anziehen und mit lippenstift-verschmiertem Gesicht aus der Toilette laufen würden. Das haben die dann auch getan.

Im Song „Outlaws“ macht ihr deutlich, dass ihr „keinen Fick auf gute Plattenkritiken gebt“. Die waren in letzter Zeit fast ausnahmslos gut. Wie habt ihr den ganzen Hype um euch herum erlebt?

Danger Dan: Gerade passiert so viel. Vor allem in den letzten Monaten. Von der Plattenveröffentlichung bis jetzt ist so viel passiert und unsere Welt hat sich so rasant verändert.  Ich glaube um die Frage richtig zu beantworten, bräuchten wir noch ein bisschen Abstand und Zeit, wo Ruhe einkehrt.

Weiter sagt ihr, dass Journalisten, die von euch seit Jahren nichts wissen wollen, weiter Chauvinisten pushen sollen. Seht ihr da ein Problem im Journalismus oder im Rap, wie meint ihr das?

Danger Dan: Das ist eine wirklich gute Frage. Ich glaube, das ist da auch so ein bisschen wie bei der Frage ob Huhn oder Ei. Da brauch es vielleicht auch keine große Antwort. Das sind ja Probleme, die sich nicht nur auf Journalisten oder Rapper beschränken lassen, sondern in der ganz breiten Gesellschaft stattfinden. Die würde ich jetzt weder nur im Journalismus, noch nur im Rap verankern. Sondern die sind noch viel komplexer, glaube ich.

Koljah: Wobei man natürlich sagen muss, dass Journalisten eine gewisse Macht haben. Wenn sie über bestimmte Themen nicht so sehr berichten würden, dann würden diese Themen weniger Aufmerksamkeit kriegen und es würde unter Umständen auch weniger Schaden anrichten.

Danger Dan: Wenn du das so siehst, dann kannst du auch sagen, Rapper haben eine gewisse Macht. Wahrscheinlich haben viele Rapper eine viel weitere Reichweite an bestimmte Zielgruppen als Journalisten.

Koljah: Ich meine, die Chauvinisten würden ja vielleicht untergehen, wenn sie nicht von den Journalisten gepusht werden würden. Ich denke da an so völlig talentfreie Rapper, die für mich keine Berechtigung haben, in Musikmedien aufzutauchen, weil die Musik so schlecht ist. Zum Beispiel, ich will jetzt keine Namen nennen, weil dann bekomme ich Städteverbote in Nordrhein-westfälischen Kleinstädten, aber es gibt ja so ein paar Bodybuilder-Rapper, die musikalisch zu schlecht sind und zu fragwürdige Inhalte haben. Da weiß ich manchmal einfach nicht, warum denen so viel Raum gegeben wird.

Danger Dan: Wenn da jetzt irgend so ein Typ ein Review schreibt für das größte deutsche Hip-Hop Magazin und dann steht da über uns drin: „Voll geil! Super reflektiert und politisch.“ Und ein Artikel weiter bespricht er dann das Album von einem Chauvinisten und schreibt: „Voll geil! Super geile Flows. Hammer Witze, ich hab mich kaputtgelacht bei dem Schwulenwitz“, dann ist mir dieser Review scheissegal. Ich glaube nicht, dass diese Leute beurteilen können, was ich meine und was ich mache. Vielleicht aus technischer Hip-Hop Perspektive. Aber meine Sicht haben die nicht. Die sollen sich halt verpissen.

„Aversion“ ist euer erstes Album bei dem Label der Toten Hosen JKP gesignt ist.  Wie sieht es mit weiteren Plänen aus?

Koljah: Gut sieht es aus. Das Jahr ist vollgepackt mit Konzerten und Festivals. Jetzt kommt eine Festivalsaison mit circa 40 Festivals. Und auch danach kommen noch viele Konzerte. Die freie Zeit dazwischen werden wir vielleicht dazu nutzen, an ein paar neuen Superhits zu feilen.

 

Bevorstehende Konzerte:
Fr 26.06.2015 Open Air St. Gallen (Sittertobel)
Sa 27.06.2015 Kosmonaut Festival (Stausee Oberrabenstein)
So 28.06.2015 Open Air St. Gallen (Sittertobel)
Fr 03.07.2015 Summerjam Festival (Fühlinger See)
Sa 04.07.2015 Vainstream Rockfest (Hawerkamp)
Sa 11.07.2015 Müssen Alle Mit Festival (Bürgerpark)
Sa 18.07.2015 Mixery Hip Hop Open (Reitstadion)
Sa 01.08.2015 Szene Open Air (Am Alten Rhein)
Sa 08.08.2015 Taubertal Festival (Eiswiese)
So 09.08.2015 Open Flair Festival (Festplatz am Werdchen)
Sa 15.08.2015 Highfield Festival 2015 (Magdeborner Halbinsel am Störmthaler See)
So 16.08.2015 Serengeti Festival (Safaripark)
Sa 22.08.2015 Chiemsee Summer Festival (Festivalgelände am Chiemsee)
So 13.12.2015 Hamburg (Uebel&Gefährlich)
Fr 18.12.2015 Leipzig (Conne Island)
Sa 19.12.2015 Berlin (Astra Kulturhaus)

Foto: Henry Lührs
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