Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei verpuffte Utopien und kosmopolitische Versuche gefunden.

Utopien sind Ideen von einer grundlegend anderen, irgendwie besseren Welt. Da sich deren Bewohner jedoch mehrheitlich weigern, dies mit vollem Einsatz zu unterstützen, gilt utopisch als Synonym für unerreichbar. So gesehen lag Sat1 sogar ein Stück weit richtig, als es vorigen Montag etwas fürwahr Utopisches in Angriff nahm. Der Sender meinte damit zwar, dass John de Mols neues Reality-Format „Newtopia“ mit der üblichen Containerbesetzung auf Krawall gecasteter Knallchargen so etwas wie eine neue Gesellschaft gründen könnte, was schon nach wenigen Minuten in heißer Luft aufging. Eine andere deutete sich allerdings sachte am Horizont der Fernsehunterhaltung an: Dass der Romanzenkanal ausgerechnet mit 100 weiteren Kameras im Dauereinsatz aus dem Quotenkeller am Vorabend kommen könnte. Doch siehe da: Fast drei Millionen Zuschauer wollten die verlorene Lebenszeit der Bewohner eines Brandenburger Gehöfts und ihres Publikums sehen. Na ja, zum Auftakt. Neugierde halt.

Aufgewärmtes Griechenland-Bashing

Die indes bestand bezüglich #Beckmann im Anschluss, dessen Rückkehr ins Reich des Journalismus zur ARD-Primetime kaum die Hälfte davon sehen wollten, nicht die Bohne. Von der jungen Zielgruppe ganz zu schweigen, der man mit harten Themen wie IS-Kämpfern im Nordirak ohnehin nicht kommen braucht, sofern es keine hochpixeligen Feinde auf der Spielkonsole sind. Dem Durchschnittsjugendlichen dürfte daher auch entgangen sein, dass NDR und BR bei der gähnend langweiligen Oscar-Verleihung den wichtigen Dokumentarfilm-Award abgeräumt haben: „Citizenfour“ von Laura Poitras über den Leidensweg Edward Snowdons von der Wahrheitsliebe eines Geheimdienstlers zum Wahrheitshass seiner Regierung.

Was nicht nur amerikanische Republikaner mit der deutschen „Bild“ gemeinsam haben, die am Freitag mal wieder Logik, Geist, Gehirn unter Pathos, Dummheit, Ignoranz begrub, als sie ihr beliebtes Griechenland-Bashing aufwärmte, mit dem sie vor drei Jahren ganze Wochen geifernd verbracht hatte.

So gesehen kann man sich auf nächsten Freitag beinahe freuen, wenn das Springer-Blatt statt politischer Realpolitik wieder regenbogenbunten Glamour auf den Titel hebt. Tags zuvor wird schließlich – von der Glamourbombe Barbara Schöneberger moderiert – „Unser Song für Österreich“ im Ersten gewählt, was für den Boulevard schon deshalb ein Akt vaterländischer Pflichterfüllung ist, weil er den teilnehmenden Castingshow-Gewächsen seit jeher in fröhlicher Marketingkooperation verbunden ist.

Grenzübergreifende Gemeinschaftsarbeit

Na mal gucken, wie er es mit Johannes B. Kerners neuer Samstagabendshow hält, wo ein Name auf der Moderationsliste steht, der dem Boulevard reflexartig zu Schnappatmung verhilft: Schweiger. Gut, es ist nur Emma, Tils Jüngste, die sich dank väterlicher Protektion zum breit aufgestellten TV-Star mausert. Aber Prominame ist Prominame, also ab in die Schlagzeilen, dorthin also, wo ein weiteres Monstermegathema der anstehenden Fernsehwoche steht. Es heißt „The Team“ und ist der Versuch des ZDF, sein Programm mit skandinavischer Hilfe kosmopolitischer zu machen. Drei Ermittler aus Belgien, Dänemark und Deutschland haben es ab Sonntag mit einer politischen Mordserie zu tun, die im grenzübergreifender Gemeinschaftsarbeit aufklärt wird. Dass die versiert inszenierte Hatz trotz dänischer Autoren, Regisseure, Producer dennoch oft arg deutsch, also stereotyp aussieht, liegt an zweierlei: Der Fehlbesetzung des deutschen Parts mit der sehr schönen, aber eher überforderten Jasmin Gerat. Und einer Komplettsynchronisation, die der belgischen Hauptdarstellerin Veerle Baetens bei der Vorstellung in Hamburg eine Wutrede auf das entseelte Endprodukt entriss.

Aber dieses Schicksal teilt „The Team“ mit allen Importprodukten von Rang, deren Verhunzung durch theatralische Übersetzung versaut wird. Zwei Formate aus dem Norden Europas sind dennoch unbedingt empfehlenswert diese Woche. Zum einen die schwedische Krimikomödie „Sound of Noise“ am Sonntag (22.05 Uhr, Tele5), in der ein hörempfindlicher Kommissar vier Schlagzeuger verfolgt, die seine Stadt terrorisieren. Zum anderen die hinreißende Politserie „Borgen“, die Arte ab Mittwoch (22.40 Uhr) wiederholt. Apropos Wiederholung: Die Rubrik „Tipp der Woche“ trägt künftig passender „Wiederholung“ im Titel und rät in Farbe zum abermaligen Genuss von „Fargo“ (Sonntag, 20.15 Uhr, Tele5), mit dem die Coen-Brüder 1996 ihre Karriere begründeten. In Schwarzweiß dagegen ist es diesmal „Bestie Mensch“ (Montag, 20.15 Uhr, Arte) mit Jean Gabin als Lokführer, der in Jean Renoirs düsterer Tragödie von 1939 den Mann seiner Geliebten töten soll. Herausragend!

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