Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und den dabei armseligen Umgang mit Talenten gefunden.
Die gute Nachricht der Woche vorweg in Zeiten, da gute Nachrichten rar gesät sind: Dank der Rückkehr von Bildblog hat die „Bild“ sein externes Korrektorat zurück, das weniger die unfreiwillig dummen Fehler korrigiert als die bewusst bösartigen. Nach Geldsorgen kontrolliert die Plattform nun also wieder die Beobachtungsforum kleiner wie großer Sünden des Springerblattes und jener Medien, die sich zuweilen ähnlich manipulativer Methoden bedienen.
Zweite gute Nachricht hinterher, weil damit ja längst noch nicht alles gut ist in der Realität: Das Dschungelcamp ist entvölkert und harrt im Jahr 2016 einer belebteren Bewohnerschaft. Womit aber eine Frage weiterhin ungeklärt bliebe, die sich direkt an die Marketingabteilung von RTL richtet: Welchen Werbeeffekt bitte wünscht sich bloß der Hersteller jener Magazin-Reihe mit beigelegter DVD, die sich allen Ernstes „Faszination Traktor“ nennt? Etwa denselben Kundenstamm, der auch in den Werbepausen von „In aller Freundschaft – die jungen Ärzte“ beworben wird?
Es ist ein Rätsel!
So wie der Umstand, mit welcher Vehemenz sich die „Tagesschau“ zuletzt um Interna des Milliardenkonzerns Facebook bemühte. Gleich zwei Meldungen schafften es nämlich vorige Woche in die Hauptnachrichten der ARD: Dass das Netzwerk in einigen Staaten der Erde am Dienstag eine Stunde lang – Achtung! – ausgefallen war. Was sogar noch etwas weniger weltbewegend war als die Breaking News vom Freitag um irgendwas mit veränderten Richtlinien zur Reklame-Schaltung. Da wäre es offen gestanden eher einer Mitteilung wert gewesen, dass gestern die letzte Staffel von „Zimmer frei!“ angelaufen ist, dem wohl besten deutschen Fernsehformat neben „Ditsche“ und dem „Tatortreiniger“, das in all den Jahren saukomischer Mitbewohnersuche der virtuellen WDR-WG von Götz Alsmann und Christine Westermann offenbar zu gut war fürs Hauptabendprogramm.
Kalauer statt Talente
Ein Schicksal, dass der aberwitzige Entertainer Alsmann mit seinem aberwitzigeren Kollegen Jan Böhmermann teilt. Der brachte es Mittwoch dank eines Urheberrechtsstreits mit dem Fotografen des eingenässten Nazis beim Hitlergruß in Rostock-Lichtenhagen vor 23 Jahren zwar zu einer lebhaften Netzdebatte. Sein grimmepreisgekröntes „Neo Magazin“ hingegen wandert zwar mit „Royale“ hintendran ins ZDF, allerdings freitags um Null Uhr. Als Wiederholung. Es ist so armselig, wie das Öffentlich-Rechtliche mit seinen Talenten umspringt. Schmerzhaft zu bestaunen ist das auch, wenn man sieht, dass das Zweite am Dienstag für die ewig gleich öden Kalauer des Kölner Karnevals klaglos die Primetime räumt, während es die wichtige Eröffnungsgala der Berlinale zwei Tage später weit nach Mitternacht aufgezeichnet versendet.
Um nicht als larmoyant zu gelten, freuen wir uns an dieser Stelle also mal kurz, dass die ARD im Mittwochsfilm wirklich Bedeutsames spielerisch offen legt. „Der blinde Fleck“ mit Benno Führmann als Journalist auf der Suche nach den Tätern des Oktoberfestattentats zeigt nicht nur erschreckend, warum Geheimdienste oft schlimmer sind als jene Staatsfeinde, die sie bekämpfen sollen; er greift auch der Realität vor, in der die Ermittlungen nach 33 Jahren gerade wieder aufgenommen wurden. Das würde man auch dem Arte-Film „5 Jahre Leben“ am Freitag (6. Februar, 20.15 Uhr) wünschen, der das Schicksal des unschuldigen „Bremer Taliban“ Murat Kurnaz zum Drama verarbeitet, das das Schreckenssystem von Guantanomo unter deutscher Mitwirkung fabelhaft seziert.
Zum Niederknien entwaffnend
Zwei Schmankerl gibt’s noch an den üblichen Orten: Am Mittwoch (22.05 Uhr) zeigt EinsFestival den unglaublichen Konzertfilm der bayerischen Blaskapelle LaBrassBanda „Kiah Royal“, aufgenommen mit Gästen im, kein Scherz, Kuhstall. Und Sonntag bittet Arte zum 125. Mal „Durch die Nacht…“, diesmal mit der zeitgemäß grundverschiedenen Paarung des kurdisch-muslimischen Gangsterrappers Haftbefehl und dem deutsch-jüdischen Komiker Oliver Polak, was zum Niederknien entwaffnend ist. Zum Abschluss aber noch ein Schmankerl an ungewohnter Stelle: Bei Sat1 ermittelt montags ab 20.15 Uhr künftig „Detective Laura Diamond“ – witzig, kompetent, chaotisch, leider synchronisiert und arg rothaarig, aber endlich mal authentisch und glaubhaft statt sexy und tough. Wie die „Tipps der Woche“. In Farbe diesmal Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“ von 1986 (Donnerstag, 20.30 Uhr, 3sat), in schwarzweiß Billy Wilders „Das Appartement“ von 1960 (Freitag, 20.15 Uhr, Servus) mit Shirley MacLaine und Jack Lemmon.
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