Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei einige Perlen des Spartenprogramms gefunden.
Als Peter Kloeppel vor zwei 22 Jahren übernahm, was der damalige Tittensender RTL so als Nachrichten verkloppte, soll Senderchef Helmut Thoma den Mittdreißiger angeblich gebeten haben, sich die Haare grau zu färben, damit es wenigstens optisch einigermaßen seriös rüberkam, was er da so an Rotlicht und Blaulicht verlas. Jetzt ist sein Haupthaar tatsächlich ergraut und noch immer müht sich Kloeppel redlich, gegen die geistige Armut seines Arbeitgebers anzumoderieren. Damit ihm womöglich nicht noch mehr Pigmente flöten gehen, ist er nun von seinem Posten als RTL-Chefredakteur zurückgetreten, was angesichts der informationellen Leere beim einstigen Marktführer fast schade ist.
Wenngleich nicht annähernd so sehr wie der biologische Rücktritt eines Mannes, dem die Kloeppels der kommerziellen Mediengegenwart nie, nie, nie das Wasser reichen könnten. Mit 88 Jahren ist Gert von Paczensky gestorben. 1961 hatte er das seinerzeit meinungsbildende Politmagazin „Panorama“ gegründet. Und sein regelmäßig auf Sendung geäußerter Satz, „nun wollen wir uns mal ein bisschen mit der Bundesregierung anlegen“, dürfte den glattgeschliffenen Anchors heutiger Prägung tüchtig in den Ohren klingeln, wenn sie mal wieder Nachrichten nach Zuschauerbedarf verhökern. Billiger als Sky seine Abos.
Weniger Esprit, mehr Quote?
Denn mit der dritten Preiserhöhung innerhalb weniger Monate macht sie der Bezahlsender zumindest für gastronomische Kunden nun unerschwinglich. Abhängig vom Standort, müssen selbst winzige Kneipen nun bald 700 Euro pro Monat zahlen, was sie sich gerade in angesagten Großstadtvierteln kaum noch leisten können. Viele von ihnen bestellen das Fußballpaket daher ab. Skys Kalkül ist klar: Weniger Public Viewing, mehr private Kunden als bisher.
Mehr private Kunden erhofft sich auch Pro7, wenn es nun wie angekündigt seine Showoffensive gegen das scheidende „Wetten, dass…?“ startet – was allerdings furchtbar schief gehen dürfte, wenn auch die nächsten 19 Versuche ähnlich inspiriert sind wie „Himmel oder Hölle“, eine Quizshow mit dem dauerlächelnden Grüßaugust Jochen Schropp, der Kandidaten entweder mit Wasabi füttert oder 50.000 Euro. Da scheint also weniger Esprit mehr Quote bringen zu sollen.
Perlen des Spartenprogramms
Weniger öffentlich-rechtliche Kunden als verdient wird es dagegen auch diese Woche wieder für eine Perle des Spartenprogramms geben. Auf ZDFneo, von dessen bloßer Existenz ein gehöriger Teil des hiesigen Fernsehpublikums nicht den geringsten Schimmer hat, läuft ab Dienstag um 22.45 Uhr „Masters of Sex“. Klingt schlüpfrig, ist es auch zuweilen, aber nicht im Kern, also krampfhaft, sondern quasi naturgemäß. Die preisgekrönte US-Serie handelt schließlich vom real existierenden Gynäkologen William Masters, der in den prüden Fünfzigerjahren das Liebesleben der Amerikaner erkundete und dabei auf Erkenntnisse wie den vorgetäuschten Orgasmus stieß, die seinerzeit unfassbar waren. Heute bieten sie Stoff für ein zwölfteiliges Kostümfest, das diese emotional bleierne Zeit mit exakt der richtigen Würze erzählt.
Ähnlich humorvoll, aber ohne irgendwas Bleiernes drumrum, gerät das Regiedebüt des Tausendsassas Florian David Fitz am Donnerstag im Zweiten. Für die charmante Romantikkomödie „Jesus liebt mich“ hat der Frauenschwarm nicht nur das Drehbuch geschrieben; er spielt auch noch die Hauptrolle des langhaarigen Softies, der sich als moderner Heiland durch die Gegenwart schlägt. Dass am Christentum nicht alles eitel Sonnenschein ist, zeigt dagegen das Erste am heutigen Montag um 22.40 Uhr. Die Reportage „Mission unter falscher Flagge“ porträtiert evangelikale Hardcore-Christen in Deutschland, die tüchtig Zulauf haben. Und damit es im Glashaus nicht zu sehr scheppert, schiebt die ARD sicherheitshalber Sterben für Allah hinterher, in der es – na endlich – um deutsche Islamisten in Syrien geht. So herrscht gleich wieder Parität im religiösen Irrsinn.
Premiumkrimi in der Sommerpause
Dem ja auch das Genre der Fantasy nicht vollends fern ist. Filme wie Tom Tykwers „Cloud Atlas“ etwa, den das Erste am Mittwoch erstaunlicherweise erst nach der Wiederholung des Ehegewaltdramas „Kehrtwende“ um 22.45 Uhr zeigt. Es ist der teuerste Film, der je auf deutschem Boden entstanden ist und trotzdem (oder gerade deshalb) chronisch unterschätzt wird. Das ist dem „Tipp der Woche“ tags zuvor im BR sicher nie widerfahren. Dominik Grafs „Frau Bu lacht“ gilt unumstritten seit 1995 als bester „Tatort“ aller Zeiten und ein schöner Ersatz dafür, dass die ARD ihren Premiumkrimi weiterhin in der Sommerpause belässt.
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