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Freitags Montag – die Medienkolumne

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Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei das Programm gegen den Fußballkater gefunden. 

Nach dem Rausch kommt der Kater! Wenn ARZDF fortan ganzabendlich was anderes als Fußball zeigen muss, droht schließlich kollektiver Phantomschmerz. Deshalb wollen wir ihn an dieser Stelle kurz mit jenen WM-Highlights lindern, die wirklich im Gedächtnis haften bleiben. Platz 3: Scholls „Nein“ auf Opdenhövels Frage, ob er noch was zum Spiel Irans gegen irgendwen sagen wolle. Platz 2: Jogi Löw am Strand, vom Ersten rund um die Uhr aus 23 Kameras gefilmt, vom Zweiten aus 41 weiteren, die offenbar allesamt am Körper Kathrin Müller-Hohensteins versteckt waren. Platz 1: eine Szene im Viertelfinale, als Mitte der 2. Hälfte allen Ernstes eine Schar französischer Fans im Bild war, die nicht reflexartig ins Objektiv schrie. Offenbar haben die allen Ernstes auf dem Feld statt der Videoleinwand Deutschlands beste Fußballer verfolgt.

Die standen übrigens auch bei Johannes B. Kerner zur Wahl, als er „Deutschlands Beste“ insgesamt vom Publikum suchen ließ. Wobei das ZDF doch lieber aufs interaktive Zuschauervotum verzichtete, weil einfach zu viele Fangruppen von Helene Fischer und so mitgestimmt haben sollen, was den Verdacht nahe legt, das ZDF kriege es nicht richtig hin mit der jüngeren Zielgruppe, was jetzt aber auch keine so große Überraschung ist, weshalb wir lieber zu dem kommen, was uns den Fußballkater sonst so am Bildschirm vertreiben soll.

Kaum zu glauben 

Da gibt‘s gleich zu Wochenbeginn ein Feuerwerk der Innovation. Kai Pflaume etwa ersann für den NDR, vier Promis krasse Erlebnisse gewöhnlicher Leute raten zu lassen. „Kaum zu glauben!“ heißt der Testlauf fürs Erste. Kaum zu glauben auch, dass Robert Lemke, Harald Schmidt oder Hugo Egon Balder damit nichts zu tun haben. Leicht zu glauben ist dagegen, dass RTL Steffen Henssler heute „hinter Gittern“ kochen lässt. Und ab Herbst steht er dann womöglich im Flüchtlingslager am Herd, Anfang 2015 vielleicht unterm Packeis und nächsten Sommer, sagen wir: im UN-Sicherheitsrat. Der RTL-Phantasie sind da ja keine Grenzen gesetzt – solange Köche oder Castingprodukte dabei sind.

Daher kocht Henssler ab Freitag erneut, nur wie gewohnt mit Promis („Hensslers Challenge“). Daher wiederholt RTL übermorgen den Versuch, das Prinzip „Bachelor“ mit „ette“ hintendran publikumswirksam zu verweiblichen, wofür zehn Jahre nach dem Debütdesaster Alfredo, Andreas, Anil, Antonio, Aurelio und 15 weitere Kandidaten mit anderen Anfangsbuchstaben und Qualitäten von Geilheit über Pokerface bis Romantik um irgendein sexy Langbein wetteifern.

Trash as Trash can

Womit wir seltsamerweise bei Arte sind. Der Kulturkanal widmet sich ab Samstag nämlich dem „Summer oft the 90s“, ein so niveauarmes Jahrzehnt, dass der Moderator wie die Faust aufs Auge passt: H.P.Baxxter. Das ist mutig. Und es könnte beiden Seiten neue Zielgruppen zuführen, wenn der Scooter-Shouter zum Auftakt „Die Mode der 90er“ ankündigt oder ein Porträt Kurt Cobains. Auch vorher gibt es aber ungewohnte Angebote mit Anspruch. „Verräterkinder“ (heute, 23.20 Uhr) etwa, ein verstörender ARD-Film über Nachkommen verurteilter Widerständler, denen in der jungen BRD fast der gleiche Hass zuteil wurde wie zuvor im NS-Staat. Tags drauf dann belegt Anke Engelke um 22.30 Uhr im WDR ihr Talent zum Interview, aber auch ihre Zugkraft – kriegt sie darin doch niemand geringeren als Julian Assange im Londoner Exil vors Mikrofon. ZDFneo dagegen versucht es ab morgen mit zwei britischen Serien um weibliche Hauptfiguren, von denen die bessere leider nach der besseren läuft, die biedere Justizgeschichte „Silk“ um eine karrieristische, aber zerbrechliche Strafverteidigerin also vor der sechsteiligen Tragikomödie „Frankie“ über eine Pflegerin, die Benachteiligten ihres Viertels ohne verlogenes Pathos beim (Über-)Leben hilft.

Solch unterhaltsamer Realismus ist selten im deutschen Fernsehen. Es sei denn, ein Dokumentarfilmer wie Andreas Veiel versucht sich mal auf dem Spielfilmfeld. Sein Debüt über den Werdegang der Provinzkinder Gudrun Ensslin (Lena Lauzemis) und Bernward Vesper (August Diehl) zu RAF-Terroristen ist heute um 22.45 Uhr in der ARD jedenfalls ebenso sehenswert wie tags drauf der Arte-Krimi „Für immer ein Mörder“, der das Sujet ostdeutscher Mordfälle, die nach der Wende aufgerollt werden, mit einem gewohnt großartigen Hinnerk Schönemann als Ermittler variiert. Das ist so gut wie der „Tipp der Woche“, heute auf Arte: „Der große Stau“, eine schwarze Komödie mit Depardieu bis Mastroianni aus einer Zeit (1979), als der Straßenverkehr eigentlich noch überschaubar war.

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