Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und hat dabei neben dem allgegenwärtigen Fußball auch noch innovatives Fernsehen gefunden.
Die gute Nachricht vorweg: es gab vorige Woche von Montag bis Donnerstag doch Wetter über Deutschland, obwohl es die „Tagesschau“ Sonntags zuvor nicht angesagt hatte. Womit bewiesen wäre, dass die Realität gar keines Beweises in den Hauptnachrichten bedarf, um zu existieren. Schon mal beruhigend… Noch beruhigender oder je nach Perspektive beunruhigend ist dagegen, dass Angela Merkel nicht allein verantwortlich für alles ist, was ihre Regierungspartei zum Regieren beiträgt. Sonst wäre die Kanzlerin als Telefonjoker beim Promi-Special von „Wer wird Millionär?“ wohl nicht nur ans Telefon gegangen, sie hätte auch gewusst, was DDR-Bürger(innen) mit der Waschmaschine „WM66“ angestellt haben.
Somit blieb ihr Parteikollege zwar bei 500.000 Euro hängen, die Quote aber lag ums Dreizehnfache höher. Ein Rekordwert, den die „Bild“ seinen PR-Buddies von RTL kaum kostenlos beschert haben wird, als sie eifrig für die Sendung geworben hatte. Liebe ohne Gegenleistung ist kommerziellen Medien schließlich so fremd wie frische Ideen fürs eigene Programm. Darum holt Sat1 auch lieber die ebenso dämliche wie verstaubte Show „Deal or no Deal“ aus der Kiste. Ein solcher Gebrauchtwarenhandel ist aber kein privates Fernsehphänomen. Der WDR plant für Oktober die Exhumierung von „Geld oder Liebe“.
Reden wir über Innovation
Doch übers kreative Potenzial eines Formates entscheidet ja nicht immer der Grad an Innovation. Wenn das „Filmdebüt im Ersten“ am Donnerstag bereits zum 15. Mal jungen Regisseuren eine vergleichsweise prominente Plattform bietet, startet es mit der Kinoadaption „Am Himmel der Tag“, wo eine ungewollte Schwangerschaft der blutjungen Aylin Tezel die Partylaune vermiest. Das erinnert zwar schwer an das englischsprachige Pendant „Juno“, ist dadurch aber keinesfalls schlechter. Ganz ähnlich verhält es sich mit der US-Serie „Dr. Monroe“. Ab Freitag (21.45 Uhr) heilt der brillante Zyniker die vertracktesten Leiden, was natürlich nicht ganz zufällig an „Dr. House“ erinnert, der jedoch anders als sein Kollege statt eines Privatlebens ernste Drogenprobleme hat.
Etwas mehr Innovationspotenzial bietet dagegen ein gewisser „Paul Kemp“. Serien über Dienstleister jenseits von Polizisten und Pastoren, Ärzten und Anwälten gibt’s zwar genug – zum Beispiel beim Import „In Treatment“ über einen Psychiater, der sich zuweilen etwas arg persönlich mit seinen Patienten befasst. Einen professionellen Streitschlichter zum (Anti-)Helden fortlaufender Fiktion zu machen, ist aber zumindest ungewohnt. Wenigstens das. Denn obwohl die 13 Teile auf den Erfahrungsberichten eines echten Mediators beruhen, sind die Fälle bereits zum Auftakt so unrealistisch inszeniert, dass es eigentlich nur einen Grund gibt, zuzusehen: Harald Krassnitzer. Der Österreicher verleiht seiner Titelfigur eine wunderbare Balance zwischen Zynismus und Empathie, was die Serie am Ende doch zu einem der Highlights dieser Woche macht. Aber das hat natürlich noch andere Gründe als die Güte des Gezeigten.
König Fußball regiert
Schließlich steht das gesamte Programm fortan voll im Schatten von ihm, the one and only: King Fußball. Sobald Donnerstag im ZDF zur MEZ-Primetime die Eröffnungsfeier beginnt, bleibt der rechtelosen Konkurrenz nichts anderes übrig, als Ramschware zu versenden oder noch schlimmer: Surrogate. Daher schickt RTL2 heute in Ermangelung echter Journalisten ihr Auswandererprodukt „Die Reimanns“ auf „Brasilien-Check“. Der NDR versucht es später am Abend (22.45 Uhr) immerhin mit dem talentierten Micky Beisenherz, aber auch sein Nationalteamporträt „Fußball, Frauen, Fönfrisuren“ bleibt den Porträtieren naturgemäß ziemlich fern. Noch hilfloser wirkt da nur der Versuch privater Kanäle, realen Fußball durch filmischen zu ersetzen, Sat1 zum Beispiel morgen durch die Geschlechterkampfkomödie „FC Venus“ und Kabel1 tags drauf mit Sönke Wortmanns „Wunder von Bern“.
Ansonsten ist es einen Monat vorm WM-Endspiel die Woche der TV-Finals. „Hell’s Kitchen“ (Vox) und „Hotter than My Daughter“ (RTL) bleiben uns ab Mittwoch erspart wie ab morgen „Sing meinen Song“ (Vox). Noch was? Der Schwaben- „Tatort“ ist pfingstbedingt auf heute verlegt. Und morgen schickt das ZDF „Vegetarier gegen Fleischesser“ ins Duell um bessere Gesundheit und ignoriert dabei, dass da noch was mit Umweltschutz war. Wie man Dokumentationen ohne Populismus macht, zeigt parallel dazu Arte mit „Doping, Drogen, Depressionen“ über Hochleistungssportler jeder Art. Und wie man mit Kitsch Weltstars macht, zeigt Pedro Almodovar im „Tipp der Woche“: Vor 25 Jahren machte sein „Fessle mich!“ einen gewissen Antonio Banderas berühmt.
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