Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und hat neben neuen Aufgaben für Helene Fischer vielleicht auch ein lohendes Programm bei den Privaten gefunden.
Heinz Schenk ist tot. Heinz wer? Selbst volljährige Digital Natives dürften mit dem Namen nicht mal eine blasse Erinnerung verbinden. Umso nostalgischer muss man jetzt, da dieses Fossil der Fernsehhistorie mit 89 Jahren gestorben ist, fragen: Wer ist eigentlich noch übrig aus der Riege alter Showmaster einer Epoche, als sie noch Heinz oder Hans-Joachim, statt Joko und Claas hießen? Als Schenks „Zum blauen Bock“ 20 Millionen Zuschauer erreichte, jenes bieder-beduselte Fernsehfestzelt, das vom Stroboskopgewitter heutiger Supermegasausen weiter entfernt war als Helene Fischer vom „Tagesschau“-Studio?
Bildungsfernsehen bei RTL 2
Obwohl…
Samstag verliest sie bereits the results of the german vote vom Spielbudenplatz und sendet sich beim ESC-Finale somit weiter fit für höhere Aufgaben: ARD-Talkshow, RTL-Intendanz, ZDF-Wettsofa, in der Reihenfolge. Bloß Boxen kann sie nun schwerer moderieren, da das Erste 2015 aufhört, alles zu übertragen, was der Sauerland-Stall an Ghettokids in den Ring schickt. „Hervorragende Einschaltquoten, populäre Boxsportler sowie spannende und faire Kämpfe haben die gemeinsame Zeit geprägt“, preist Programmchef Volker Herres die Jahre vorm sparbedingten Rückzug und hätte sich bis auf die ersten zwei Worte alle sparen können.
Ob der Kampfsamstag nach von Hirschhausen oder Volksmusik künftig etwas anspruchsvoller wird, sei aber ebenso dahingestellt wie die Chance, ohne Profiprügel junge Leute vom kommerziellen ins öffentlich-rechtliche Programm zu ziehen. Zumal die ein Medium bevorzugen, dessen Durchschnittsniveau noch lange Schulhofschlägereien entspricht. Als Beleg dient der Teaser des Internetportals www.news.de vom Mittwoch: „Darmbakterien bei Burger King / Heidi Klum heiratet / Hitler privat / Sylvie Meis bei RTL gemobbt“. Dagegen bietet ja selbst RTL2 Bildungsfernsehen.
Achtung Genderhumor!
Obwohl…
Auch nächste Woche füttert es sein Stammpublikum mit Sättigungsbeilagen ohne Nährwert wie die Fortsetzung des Dating-Formats „Next, Please!“ (heute, 17 Uhr). Doch auch die privaten Mitbewerber rangieren inhaltlich weiter auf der Ebene benutzter Unterhosen. RTL zum Beispiel mit der neuen Folge von „Mario Barth deckt (diesmal Steuervergeudung) auf“ am Mittwoch. Oder parallel dazu Sat1, wo „Hell’ Kitchen“ etwas sensationell Innovatives ausprobiert: Kochende Promis. Was ähnlich überrascht wie tags drauf das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ oder die heutige Besetzung Diana Amfts als tapsige Bielefelder Polizistin „Josephine Klick“ in einem Berliner Kommissariat voller – Achtung Genderhumor! – Machos. Krass kreativ.
Was sich diese Woche lohnen könnte
Aber um nicht in den Ruch der Pauschalkritik zu geraten, hier schnell zwei Serien, die theoretisch womöglich durchaus interessant zu werden versprechen könnten, vielleicht: heute startet um 22 Uhr das zehnteilige „Psycho“-Prequel „Bates Motel“, womit Vox seine Gruselkompetenz erprobt. Und Mitwoch zeigt Pro7 „Suburgatory“, übersetzbar vielleicht mit Vorstadtfegefeuer. Wenn das im religiösen Sinne ernst gemeint wäre, hätte Deutschlands älteste Sendung nach der „Tagesschau“ dazu vielleicht was zu sagen. Weil sich die 22 Teile aber um die irdische Hölle im Speckgürtel kümmern, kann das „Wort zum Sonntag“ Samstag doch irgendwas Erbauliches über die vermeintlich sündige Reeperbahn erzählen, wo es zum 60. Geburtstag den ESC unterbricht.
Ansonsten aber duldet die ARD keine Ausnahme vom Regelprogramm, weshalb sie die Verleihung des Medienpreises CIVIS am Donnerstag und des Deutschen Fernsehpreises am Freitag zeitversetzt zur Nacht versendet. Sonst gäb’s am Ende zur Primetime weder Krimi („Zorn“ mit Mišel Matičević) noch Schnulze („Romy“ mit Jessica Schwarz). Letzteres übrigens als Wiederholung, was womöglich eine Reminiszenz an die zeitgleiche Fortsetzung eines Klassikers im ZDF ist: „Ein Fall für zwei“ kehrt zurück, was noch aus einer Zeit stammt, als Heinz Schenk die Straßen leer fegte. Mit Antoine Monot Jr. und Wanja Mues als Anwalt und seine Faust wagt die Serie aber tatsächlich einen Neuanfang.
Wer es Freitag verpasst hat, kann Mittwoch „Die Spiegel-Affäre“ im Ersten nachholen, gefolgt von einer sehenswerten Doku. Wer aber doch den Kulturkanal vorzieht, findet dort einen Themenabend über preisgekrönte Filme des Festivals von Cannes. Sonntag dann gibt es den „Tatort“ aus Köln, ohne neuen Assistenten, aber mit Jugendgewalt. Und den „Tipp der Woche“ gibt es schon jetzt: den Schwarzweißklassiker „Lohn der Angst“ mit Yves Montand als Trucker, der eine explosive Fracht durch Venzuela karrt. Auch nach 60 Jahren famos!
Pingback: Freitags Montag – die Medienkolumne | SportSquare