Stadtgespräch

Freitags Montag – die Medienkolumne

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Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und im Programm der Woche jede Menge Dokumentationen und ein Stück Fernsehgeschichte gefunden.

Die vergangene Fernsehwoche bot viel Gesprächsstoff zum Thema Sichtbarkeit. Keine allzu exklusive Nachricht in visuellen Medien, sicher. Und doch ist bemerkenswert, wovon ARD und RTL mehr als üblich zeigten. Auf der gewachsenen LED-Wand im Nacken der „Tagesschau“-Sprecher etwa kann eine Osterglocke schon mal größer sein als die ganze Judith Rakers davor. Und die Privatkonkurrenz kündigt an, das hüllenlose Flirtformat „Adam sucht Eva“ aus Holland zu übernehmen, wobei „sensibel mit Nacktheit“ umgegangen werde, wie der in Sachen Sensibilität führende Sender versprach. Was die Frage aufwirft, warum RTL das dann sendet?

Tatort und Spiegel-Affäre

Das fragt sich kurz auch angesichts der Online-Satire „Der Postillon“, den der NDR Freitag ins Nachtprogramm nahm. Die Quoten waren jedoch grandios, was beweist: Es gibt Schnittstellen zwischen alten und neuen Medien. So wie es auch welche zwischen alten und neuen Formaten gibt. Christine Urspruch zum Beispiel, die Alberich aus Prof. Boernes Münsteraner Totenkeller wird gerade zur Hauptfigur einer ZDF-Serie namens – bruha – „Dr. Klein“, die es – tihi – mit ihrem Münchner Tatort-Kollegen zu tun bekommt, der darin den schwulen Chefarzt spielt. Womit wir wieder in der Gegenwart wären. Denn eben jener Miroslav Nemec kriegt diesen Sonntag an seinem vordringlichen Arbeitsplatz im bayerischen Morddezernat nach reihenweise erfolglosen Anläufen endlich die ersehnte Assistentin.

Sie heißt Lisa Wagner, brilliert parallel bereits als sperrige „Kommissarin Heller“ im Zweiten und steht dem vereinsamten Odd-Couple Batic/Leitmeyer künftig analytisch bei. Schon das ist eine Sensation – aber keine halb so große wie das, was Freitag auf Arte passiert: Francis Fulton-Smith alias Dr. Kleist alias Prof. Kernig in einer anspruchsvollen Rolle. Mit angefutterten 20 Kilo extra verkörpert der schlichteste aller Schnulzenstars im wahrsten Sinne des Wortes Franz-Josef Strauß, und er tut das so vorzüglich, dass Roland Suso Richters Dokudrama „Die Spiegel-Affäre“ insgesamt sehenswert wird.

Viel Stoff zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg

Das muss erwähnt werden, weil sie ihre historische Vorlage fahrlässig auf FJS Alphatierkampf gegen seinen Kriegskameraden Rudolf Augstein (toll dargestellt von Sebastian Rudolph) reduziert. Doch so funktioniert nun mal das Unterhaltungsfernsehen zur Primetime. Da wird der Wirklichkeit regelmäßig fiktionale Grandezza verpasst, um das Pilcher-Publikum nicht zu vergraulen. Nach dem Prinzip funktioniert in gewisser Weise auch das heutige Biopic „Eine Dunkle Begierde“ (ZDF, 23.10 Uhr), in dem der furiose Michael Fassbender den Nervenarzt C.G. Jung auf sehr freie Art interpretiert. Mehr aber noch geschieht dies kurz zuvor in einem ZDF-Historiendrama, wo „Das Attentat – Sarajevo 1914“ fantasievoll vermenschelt wird. Auf anderem Weg arbeitet sich dagegen Arte am 1. Weltkrieg ab und nimmt „14 Tagebücher“ beteiligter Personen zur Basis eines Achtteilers, der ab morgen drei Dienstage bedrückend realistisch zeigt, was der Irrsinn vor 100 Jahren mit den Menschen gemacht hat.

Die Fernsehwoche im Überblick

Um den anschließenden Oberirrsinn und was davon bis heute fortwirkt, darum kümmert sich im Anschluss an gleicher Stelle Mo Asumang. Eine dunkelhäutige Reporterin – was nur von Belang ist, da sie sich in „Die Arier“ einer bizarren Gruppe nähert, die gern mal Herrenmensch spielt. Das ist oft gespenstisch, aber versprochen: Die Stumpfheit konfrontierter Rassisten garantiert neben mancher Erkenntnis auch heitere Momente. Was diese Dokumentation grundlegend von einer Krimireihe unterscheidet, die ab Samstag explizit lustig gemeint sein soll. „Friesland“ ist so flache Komödienschonkost, dass offen bleibt, warum sich Florian Lukas als Kommissar, der bei Blut – Achtung: Scherz! – stets umkippt, dafür hergibt.

Dann doch lieber Henning Baum in der 5. Staffel „Der letzte Bulle“ ab heute auf Sat1. Oder gar das RTL-Ranking „Die 25“, diesen Mittwoch „originellsten Leidenschaften“, was an Witzlosigkeit nur dadurch unterboten wird, dass die ARD das Konzept allen Ernstes kopiert. Und die Peinlichkeit wird nicht geringer, wenn sie Donnerstag vor der Tagesschau „Die zehn legendärsten Gesten aus Politik, Pop und Sport“ sucht. Gestohlen ist gestohlen. Wie John Grishams „Die Firma“, aus dessen Filmadaption RTL Nitro ab Freitag eine schnarchige Serie bastelt. Bleibt noch die Frage, ob DSDS seinen Minusrekord von unter drei Millionen Zuschauer beim Finale am Samstag unterbietet. Und der „Tipp der Woche“, diesmal „Diese Drombuschs“ (montags, 20.14 Uhr, HR), ein Stück Fernsehgeschichte.

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