Freitags Montag – die Medienkolumne

Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei neben der 6258. Wiederholung auch ein paar echte Geheimtipps gefunden.

Die Welt der Fernsehpreise ist vielfältig. Es gibt belanglose Trophäen wie die Goldene Kamera und noch belanglosere, wie die Goldene Henne. Belanglose, aber glitzernde wie den Bambi oder so richtig belanglose weil hirntote, wie den Deutschen Fernsehpreis. Und es gibt den Grimme-Preis. Die wichtigste, nein – einzig wichtige Auszeichnung für gediegenes Fernsehen in Deutschland hat ihre Preisträger 2014 bekannt gegeben, und nur bei dieser Jury hatte man das Gefühl, sie hätte sich mit ihrem Medium auseinandergesetzt.

Die zwei NDR-Produktionen „Mord in Eberswalde“ und „Grenzgang“ haben ebenso gewonnen wie das Kundus-Drama „Eine mörderische Entscheidung“. Dazu die Serie „Tatort“ im Allgemeinen, dessen Wiener Episode „Angezählt“ im Besonderen, nebst der schwäbischen Echtzeitreihe „Zeit der Helden“. Außerdem Sachfilme von „The Voice of Peace“ vom Wahlhamburger Filmemacher Eric Friedler bis hin zu „Work Hard – Play Hard“ übers moderne Finanzgebaren. Und dann auch noch die Moderatoren Sonneborn, Böhmermann plus – Achtung: Joko und Klaas, als einzige Vertreter kommerzieller Kanäle. Sie alle eint das ernsthafte Bemühen, Spuren am Bildschirm zu hinterlassen, nicht bloß Fettflecken. Ersteres statt letzteres haben auch zwei Protagonisten lange vorm Bekanntwerden ihres Todes getan: Mareike Carrière, die sich im „Großstadtrevier“ vor 28 Jahren als eine der ersten Frauen hinters Steuerrad eines fiktiven Peterwagens setzen durfte. Und Justus Pfaue, der damals von „Timm Thaler“ bis „Anna“ die Drehbücher einer Institution schrieb, die zwei Zuschauergenerationen geprägt hat: den Weihnachtsmehrteiler im ZDF.

Wiederholungen in der Dauerschleife

Wie weit das öffentlich-rechtliche Fernsehen von seiner alten Serientradition entfernt ist, zeigt sich nicht nur am Bestand, sondern auch einer schmalen Ankündigung: 2015 will das Zweite eine Miniserie mit Bastian Pastewka zeigen, die sich an „Breaking Bad“ orientiere. Warum auch eigene Ideen entwickeln, wenn man so schön von anderen klauen kann. Beispiel: Michelle Hunziker. Mittwoch kriegt Gottschalks Ex-Assistentin im ZDF ihre erste eigene Sendung. Dass die großen Überraschungen der „großen Überraschungsshow“ verteufelt an Rudi Carrell erinnern, ist sicher reiner Zufall. Beispiel Sat1: Dessen Historienmelodrama „Die Hebamme“ variiert tags zuvor das Dauerthema starker Frauen in frauenfeindlicher Zeit zum 6258. Mal und liefert dabei so derart überdramatisierte Stromlinienkost, dass die Geigen nur so scheppern.

Beispiel – nein, der heutige ZDF-Film „Kein Entkommen“ mit Anja Kling als traumatisiertes Gewaltopfer mit anschließendem Mobbing-Problem ist zwar irgendwie auch abgekupfert. Aber vom realen Fall einer „Zeit“-Autorin vor vier Jahren, was irgendwie nicht richtig kopiert ist, auch wenn das Zweite das Thema ebenfalls zum 6258. Mal durchspielt. Dank guter Schauspieler ist das durchaus auf dem Niveau des ARD-Mittwochsfilms, diesmal mit einem Film der ungewohnten Art. Denn „Die Fahnderin“ nimmt sich des Steuerbetrugs an, der im Lichte des Hoeneß-Urteils zwar die Zuschauermassen bewegt wie sonst höchstens Krim-Krise und Lanz-Bashing; für herkömmliche Krimis galt dieses Delikt bislang jedoch als völlig ungeeignet zwischen all den Kinderschändern und Serienmördern. Und Katja Riemann gerät als Jägerin nordrhein-westfälischer Großhinterzieher zwar etwas arg staubig, aber glaubhaft – und öffnet so vielleicht Türen für Ermittler jenseits des Kapitalverbrechens à la „Tatort“, der Sonntag in Kiel Station macht.

Tipp der Woche

Das wird umso wichtiger, als RTL parallel dazu die Behandlung relevanter Themen dadurch verhöhnt, dass es Mario Barth darauf ansetzt, der angeblich irgendwas aufdeckt, tatsächlich aber nur seinen Kontostand dank weiterer Nichtigkeiten erhöht. Nicht das einzige, aber prägnanteste, was ihn mit Helene Fischer verbindet, die Donnerstag im Ersten mit viel Glamour (aber ohne Frei.Wild) den Echo verleiht. Das dürfte zwar weniger Zuschauer haben als die Explosionsarie „Cobra 11“ die zeitgleich bei RTL in die 6258. Staffel geht. Aber einiges mehr als der grandiose Arte-Dreiteiler „Burning Bush“, mit dem der tschechische Produzent Jan Mojto seinen Prager Frühling spielerisch aufarbeitet. Kalter Krieg zum Anfassen quasi. Heißen Krieg dagegen gibt es morgen zur besten Sendezeit, wenn ZDFzeit die Soldaten des Ersten Weltkriegs „Mit Jubel in die Hölle“ schickt. Dagegen wirkt der Tipp der Woche bei aller Gewalt fast friedlich: „Wie ein wilder Stier“ (heute, 22.20 Uhr, Arte) mit dem jungen Robert de Niro als Boxer.

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