Stadtgespräch

„Wenig Schlaf, toller Workshop, tolle Stadt!“

Stadtgespräch
Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Es ist Freitagmorgen kurz nach 10 Uhr. Koffer und vollgestopfte Rucksäcke dicht an dicht. Die Schlange geht bis zur Eingangstür. Immer wieder geht die Schiebetür auf und lässt einen kühlen Windstoß in die Halle. „Hier geht es zum Check in“, sagt eine junge Frau jedem der die Halle betritt. Mit der Hand zeichnet sie die 30 Meter lange Schlange nach, die vor einem lagen Tresen endet. Eigentlich kein ungewöhnlicher Anblick am Hamburger Flughafen. Tatsächlich wollen die Menschen in der Schlange jedoch keine Reise nach Mallorca oder London, sondern in die Welt der Medien antreten. Es handelt sich um den Auftakt zu den Jugendmedientagen 2012 in Hamburg. Endlich am Check in-Tresen angekommen erhalten die Reisenden zwischen 15 und 26 Jahren einen Teilnehmerausweis. Für die Jugendmedientage reisten viele der 1400 Teilnehmer einmal quer durch die ganze Republik. Manche Schüler, Studenten und junge Medienmacher kamen sogar aus Österreich und der Schweiz in die Hansestadt.

Freitag – das Festival der Medien

Der Medientrip ist all-inklusive. Für Übernachtung und Verpflegung ist gesorgt. Am Freitag findet im Terminal Tango, dem stillgelegten Charterterminal 1, das Festival der Medien statt. Im Gegensatz zu anderen Medienmessen wird den Teilnehmern hier jedoch mehr geboten als zahlreiche Werbestände teurer Medienhochschulen. Bei vielen Kurzworkshops haben die jungen Medienmacher die Gelegenheit etwas zu lernen und gleichzeitig neue Kontakte zu knüpfen. Ulrich Wickert spricht die Keynote zur Eröffnung der Medientage. Gebannt hängen die angehenden Journalisten, Fotografen und Kameramänner an den Lippen von „Mr. Tagesthemen“. Er spricht über seinen eigenen Berufseinstieg. „Dass ich Journalist geworden bin, war eigentlich Zufall“, sagt Wickert. Leidenschaftlich redet der 69-Jährige über Macht und Verantwortung im Journalismus. Wie entsteht die Titelseite der „ZEIT“? Worauf muss man achten, wenn man sich an der Axel-Springer-Akademie bewirbt? Was ist Bürgerjournalismus? Wie schreibt man einen guten Nachrichtentext? All diesen Fragen konnten die Jungjournalisten in kurzen 120-Minuten Workshops nachgehen. Eigene Titelseiten wurden entworfen, von Profis bewertet, Fragen der Medienethik an Beispielen der Schülerzeitung erklärt und Fragen rund um Praktikum und Berufseinstieg beantwortet. Am Abend eröffnete Olaf Scholz die Mediennacht. Nach einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wahrheit vs. Agendasetting“ tobten sich die jungen Medienmacher bei einem Konzert der „Kilians“ noch einmal richtig aus bevor es schließlich hieß „einen angenehmen Abend und eine geruhsame Nacht“.

Sonnabend – Workshops, Workshops, Workshops

Mehr oder weniger ausgeschlafen verteilten sich die Teilnehmer am Sonnabend über die ganze Stadt. Viele nutzen die Möglichkeit für einen Medieneinblick beim NDR, TIDE, Hinz&Kunzt oder dem Hamburger Abendblatt. Wer sich für einen Medieneinblick entschieden hatte konnte am Nachmittag in einem der Kompaktworkshops lernen, wie man ein Interview führt, eine Spiegelreflexkamera bedient oder wie der Leiter der Henri-Nannen-Schule Andreas Wolfers Texte korrigiert. Die übrigen Teilnehmer hatten in den Intensivworkshops die Möglichkeit einen tieferen Einblick zu erlangen. Dafür ging es beispielsweise ins Spiegelhaus in der Hafencity. Schon in der Lobby geraten die jungen Medienmacher ins Staunen, legen den Kopf in den Nacken und werfen einen Blick auf die Architektur des Hauses. Den ganzen Tag hat der stellvertretende Chefredakteur von Spiegelonline Florian Harms sich Zeit genommen, um den Teilnehmern die Welt des Online-Nachrichtenjournalismus ein Stück näher zu bringen. Am Vormittag erarbeiten die jungen Journalisten mit der Hilfe von Harms und seinen beiden Kollegen Frauke Lübke-Narberhaus und Hendrik Termieden die Grundsätze des Nachrichtenjournalismus: Wie funktioniert die Arbeit in einer Online-Redaktion? Wie baue ich eine Nachricht auf? Wie muss eine Überschrift aussehen? Im gläsernen Fahrstuhl fahren die Teilnehmer nach dem Mittagessen in den 13. Stock. Hier dürfen sie einen Blick in die Redaktion von Spiegelonline werfen. In der Mitte steht der News-Desk. Rund herum stehen die Schreibtische der unterschiedlichen Ressorts. Auf großen Bildschirmen laufen die wichtigsten Nachrichtenprogramme der Republik. Hinter der großen Glasfront erstreckt sich die Skyline der Hansestadt.

Am Nachmittag geht es beim Intensiv-Workshop noch einmal richtig rund. Fünf Teams werden auf die Konferenzräume verteilt und stehen von nun an in einem Wettbewerb. Jede der kleinen Redaktionen muss einer Nachrichtengroßlage begegnen. Im Sekundentakt erreichen neue Agenturmeldungen die Emailfächer der Teilnehmer. Eilmeldungen, Nachrichten und Features werden recherchiert, getippt und an den News-Desk weitergegeben. Dabei geraten die Teilnehmer richtig ins Schwitzen über der fiktiven Meldung eines Flugzeugabsturzes in Berlin. „Sobald in eine Nachricht fertig getippt hatte, war sie im Grunde schon wieder alt“, sagt Teilnehmerin Inga über den ständigen Informationsfluss. Fakten müssen gecheckt, wichtiges von unwichtigem getrennt werden. Dann plötzlich eine weitere Agenturmeldung: Bei dem Flugzeugunglück ist auch Rockstar Mick Jagger ums Leben gekommen. Jetzt muss schnell umgedacht werden: „Wir brauchen eine Eilmeldung, eine Bilderstrecke und einen Nachruf!“, sagt Redaktionsleiterin Luzia ihrem Team. Bis auf die letzte Sekunde werden Beiträge produziert. Nach 180 Minuten ist alles vorbei. Durchatmen. „Was Mick Jagger wohl darüber sagen würde, dass wir hier gerade seinen Tod simuliert haben“, scherzen die Teilnehmer. Alle Texte wurden gelesen und ausgewertet. Gewonnen hat am Ende das Team, das einen Live-Ticker eingerichtet hatten.

Sonntag – kaputt, aber glücklich

Bei einem Medienbrunch beim NDR ließen die Teilnehmer und auch die Organisatoren der Jugendpresse Deutschland die Jugendmedientage langsam ausklingen. Zwischen einer Tasse Kaffee und Sonntagsbrötchen hatten die jungen Medienmacher ein weiteres Mal die Gelegenheit ungezwungen mit erfahrenen Journalisten ins Gespräch zu kommen. „3,5 tolle Tage, wenig Schlaf, viele tolle Leute kennengelernt, toller Workshop, tolle Stadt!“, twittert Teilnehmer Alex auf der Zugfahrt nach Hause.

Fotos: © Jonas Walzberg

Hier geht es zu unserer Bildergalerie zu den Jugendmedientagen 2012.

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