Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei Haltung statt Schnulze und jämmerliche Sinnlosigkeit gefunden.
„Faschistoid“ ist ein überaus inflationär gebrauchter Begriff. Dabei muss einiges zusammenkommen, um ihm zu genügen: Totalitarismus, Führerprinzip, Feindbilder und ein verschwörungstheoretischer Ermächtigungsfuror gegen alles, was der Volksgemeinschaft so entgegensteht. Auf die Türkei bezogen, klingt „faschistoid“ da doch gleich weniger inflationär. Wegen angeblicher Kollaboration mit dem Prediger Fethullah Gülen, der die Gunst von Präsident Erdogan 2013 verlor, als er dessen halbem Hofstaat Korruption nachweisen konnte, hat die willfährige Justiz nun die regierungskritische Zeitung „Zaman“ unter staatliche Aufsicht gestellt.
Angesichts der Gefälligkeitsberichte, die Erdogan dort seither feiern, fragt sich: Was macht eigentlich die EU? Antwort: Eine Menge! Garniert mit diplomatisch formulierten Protestfetzen wird die Türkei wegen ihrer Rolle in der Flüchtlingskrise mit Geld und Wegsehen ausgestattet, was die Sache mit der Pressefreiheit, nun ja, irgendwie zweitrangig wirken lässt. Da ist es kaum noch einer Randnotiz wert, dass die Nachrichtenagentur Cihan ebenfalls unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, die bereits ein Fernsehkonsortium in Windeseile so heruntergewirtschaftet hat, dass auch am Bildschirm nur präsidiales Wohlgefallen herrscht.
Opulentes Puschenkino im Zweiten
Was einmal mehr beweist, wie wichtig unabhängige Medien in den Händen vieler sind – selbst in demokratischen Rechtsstaaten wie unserem. Das Urteil des Bundeskartellamtes von 2005, die marktbeherrschenden Aktiengesellschaften Springer und ProSiebenSat1 nicht fusionieren zu lassen, ging exakt in diese Richtung. Dennoch hat es letztere auch ohne erstere geschafft, als erstes Medienunternehmen überhaupt in den DAX aufzusteigen. Mit einem TV-Programm übrigens, das zwar nur noch Peanuts zum Konzernerlös beiträgt, aber selbst die Konkurrenzangebote prägt.
Ob das ZDF ohne den Einfluss der privaten Unterhaltung opulentes Puschenkino wie „Ku’damm 56“ produziert hätte, sei mal dahingestellt. Die inflationär gebrauchte öffentlich-rechtliche Historienschnulze rings ums Kriegsende ist schließlich eine Erfindung des dualen Zeitalters, in dem alle Form den Inhalt besiegt hat. Auch die Geschichte dreier grundverschiedener Töchter einer Berliner Tanzschulbesitzerin hätte demnach das übliche Kostümgelage im Wirtschaftswunderambiente werden können – ginge es Regisseur Sven Bohse (Buch: Annette Hess) zwischen all den Nierentischen und Petticoats nicht um was anderes.
Oberflächlich mag Mauerblümchen Monika (Sonja Gerhardt) nach verpatzter Hauswirtschaftslehre als Tanzlehrerin zwischen mütterlichem Kontrollfreak (Claudia Michelsen) und Freiheitsdrang (Rock’n’Roll), heiratswilliger und verheirateter Schwester, gutem und fiesem Verehrer hin und hergerissen werden. Dahinter aber skizziert der Dreiteiler (Sonntag, Montag, Mittwoch) mit recht tiefgründiger Hingabe das männliche Abwehrgefecht gegen den damaligen Verfall des Patriarchats. Gewiss, es gibt die gewohnten Klischees wie notorische Überdekoration, als trügen 2076 alle Figuren eines Historienfilms übers Jahr 2016 Vollbart oder Steckfrisuren. Aber es ist stets spürbar, dass dies nur den Schauwert für etwas liefert, das Historienschnulze ansonsten fehlt: Haltung.
Im Zweifel Wiederholung
Die hatte im ersten Teil seiner losen Krimireihe auch Privatdetektiv „Dengler“, eindringlich gespielt von Ronald Zehrfeld. Im zweiten Teil kann er dieses Niveau am Montag im ZDF aber nicht ganz halten – trotz Birgit Minichmayr als burschikose Hackerin an seiner Seite. Ganz anders hält es da Wotan Wilke Möhring, dessen Hamburger „Tatort“-Ermittler Falke ohne seine Partnerin Lorenz alias Petra Schmidt-Schaller drohte, zur halben Milchbart-Portion zu schrumpfen. Doch die unprätentiöse Franzsika Weisz als Julia Grosz an seiner Seite macht im neuen Fall um islamistischen Terror in Deutschland schnell klar, dass da etwas sehr Apartes zusammenwachsen könnte.
Und das kann man vom nächsten Export deutscher Kommissare in ein reiseprospekttaugliches Ausland nun wirklich nicht behaupten. Im „Urbino-Krimi“ ermittelt ab Donnerstag (ARD) Katharina Wackernagel in einer italienischen Barock-Stadt, was von so jämmerlicher Sinnlosigkeit ist, dass selbst ihr Zuspieler Hannes Jaenicke angeblich vor Scham errötet ist, als er das selten dümmliche Kalauergefasel erstmals am Bildschirm sah. Dann doch lieber David Garrett als Teufelsgeiger Niccolò Paganini Freitag auf Arte. Besser aber noch eine fabelhafte Doku um acht „Soundhunters“, die Mittwoch (23.30 Uhr SWR) aus Alltagsgeräuschen Musik machen. Und falls alles nichts nützt: „Wiederholungen der Woche“ schauen. In Farbe auf ServusTV (Mittwoch, 22.15 Uhr): „Kramer gegen Kramer“ von 1979 mit Dustin Hoffman und Meryl Streep im Ehekrieg. Und weil es in schwarzweiß nichts so recht zu empfehlen gibt, wird es gleich sachlich: „Niki de Saint Phalle & Jean Tinguely“ (Mittwoch, 23.15 Uhr, Arte) eine hinreißende Doku übers vielleicht produktivste Künstlerpaar ever. Und zum Abschluss der DVD-Tipp: die ersten zwei Teile vom „Tel-Aviv-Krimi“ (ab 19,99 Euro, Edel), der zwar ebenfalls deutsche Polizei ins Ausland schickt und dabei kaum ein Klischee auslässt, aber dennoch seriös unterhält.
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