Medienkolumne: Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und ein spannendes und lehrreiches Kammerspiel gefunden.

Und wieder gibt‘s eine Zielgruppe mehr, die das Publikum in senderbedarfsgerechte Portionen häckselt. Nach 0-3 (Teletubbies), 14-29 (Pro7) 14-49 (RTL), 29-59 (ZDFneo) und 66-199 (ZDF), plant die indische Mediengruppe Zee Entertainment einen Kanal für Frauen von 19 bis 59, der 24 Stunden am Tag Bollywood-Filme zeigt. Natürlich nur „die besten“. Wobei sich angesichts des Niveaus vermeintlich guter Operetten vom Subkontinent weniger fragt, wie dann denn bitte schlechtere klingen, als vielmehr, was als nächstes rund um die Uhr läuft.

Das Armutszeugnis verzagter Debattenkultur

Helene Fischers Ganztageskanal HFK24 war zwar nur ein Hoax. Im Regelprogramm laufen aber tatsächlich bereits 24 Stunden Snooker (Eurosport), Hitler (ZDFinfo), Heimatliebe (alle Dritten), Testosteron (DMAX), Östrogen (Sixx) oder Menopause (Sat1Gold). Fehlen eigentlich nur noch 24 Stunden Dschungelcamp, die den Zuschauerschnitt von RTL vermutlich auf acht Millionen verdreifachen würde. Und natürlich: 24 Stunden Politik, von dem die Kanäle mit dem irritierenden „n“ im Namen allerdings so weit entfernt sind wie die ARD vom Informationsskandal, den Programmchef Volker Herres auch auf der großen Angebotspräsentation in Hamburg gerade wieder herbei deliriert hat.

Gut, an Wahlabenden gewährt sein Sender der Politik – unterbrochen von der „Lindenstraße“, versteht sich – immerhin mal mehr als eine Spielfilmlänge Zeit. Im März hingegen könnte es bereits nach der ersten Hochrechnung in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit dem „Tatort“ weitergehen, wenn der SWR die AfD auf Drängen der dortigen Regierungschefs wirklich von der Elefantenrunde ausschließt. Das allerdings wäre nicht nur ein Bruch lieb gewonnener TV-Routinen, sondern das Armutszeugnis verzagter Debattenkultur schlechthin. Und damit ein wenig an vordemokratische Zeiten erinnern, als das Establishment seine politischen Gegner ebenfalls lieber ausgesperrt als empfangen hat.

Staubig und verfault statt putzig

Das 19. Jahrhundert war aber ohnehin die Ära der verschlossenen Türen. In den Elfenbeintürmen der Eliten blieb das Elend davor unsichtbar, was sich bis tief hinein in unserer aufgeklärte Gegenwart fortsetzte: am Bildschirm, wo Historiendramen die Armut lange am liebsten irgendwie putzig und rein illustriert hat. Zum Glück kehrt da mittlerweile etwas mehr Realitätssinn an die Drehorte ein. Es staubt und fault und stirbt also auch in „Die Pfeiler der Macht“ kräftig, wenn der ZDF-Zweiteiler 1866 auf Londons Straßen beginnt.

Fern vom lausigen Alltag der Massen erschießt sich kurz darauf der bankrotte Unternehmer Toby Pilaster und reißt damit seinen reichen Sohn samt der bettelarmen Maisie ins Unglück, das sich allerdings nach zwei Teilen zum Guten wendet. Es ist das gewohnte Märchen vom Aschenputtel auf dem Weg zum Prinzen, wenngleich ein anderes als üblich. Opulent ausgestattet und solide gespielt, rechtfertigt Christian Schwochows Kostümfest also durchaus Fernsehgebühren, die da in großem Umfang verbraten wurden. Oder um es mit Netflix-Chef Reed Hastings im SZ-Interview auszudrücken: „Wir kämpfen um die Freizeit der Nutzer und müssen nur so viel gewinnen, dass die Leute kein Problem damit haben, pro Monat zehn Euro für unser Angebot auszugeben.“

Gut angelegtes Geld

Die 17,50 Euro fürs öffentlich-rechtliche Angebot sind da auch am Dienstag gut angelegt: „8 Stunden mit Beate Zschäpe“, ein ZDF-Dokudrama, das sich auf jene Autofahrt zur kranken Oma fokussiert, bei der die Hauptangeklagte im NSU-Prozess von einem BKA-Spezialisten verhört wurde. Dank Lisa Wagner und Joachim Król kommt dabei ein grandioses Kammerspiel heraus, so spannend wie lehrreich. Gut angelegt ist das Geld auch für den Arte-Abend zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung am Mittwoch, unter anderem mit einer Doku über jene Firma, deren Krematorien einst im Vernichtungslager brannten. Dagegen ist der „Athen-Krimi“ mit Francis-Hawkeye Fulton-Smith als ermittelndes Sirtaki-Klischee (Donnerstag, ARD) Null Cent wert, aber gewiss ein Quotenbringer. Wie das Dschungelcamp-Finale zwei Tage später, womit dann aber auch mal gut ist.

Aber nicht mit den „Wiederholungen der Woche“. Da wäre am Montag um 22 Uhr im NDR die farbige des zweiten und besten „Tatort“-Einsatzes von Jörg Hartmann als Dortmunder Borderline-Kommissar Faber. Da wäre das farbige Defa-Melodram „Ehe im Schatten“ (Montag, 20.15 Uhr, MDR) von 1947 über das kurze Leben des Schauspielers Joachim Gottschalk, der sich 1933 von seiner jüdischen Frau trennen sollte. Und da wäre die frische 3sat-Doku „Cannabis – Medizin oder Droge“ am Donnerstag um 20.15 Uhr, die sich dem ideologisch aufgeheizten Thema sehr variabel nähert.

Klicken um Kommentar zu schreiben

Artikel kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Mehr in Medienkolumne

Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag14. März 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag7. März 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag29. Februar 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag22. Februar 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag15. Februar 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag8. Februar 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag1. Februar 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag18. Januar 2016
Titelbild_Freitagsmedien_Mittendrin

Medienkolumne: Freitags Montag

Jan Freitag11. Januar 2016

Rund um Billstedt, Billbrook und Horn atmet die grüne Lunge der Stadt. In Hamm, Rothenburgsort, Borgfelde, Hammerbrook, St.Georg, der Alt- und Neustadt, und auf St. Pauli riecht und schmeckt man Hamburg an jeder Straßenecke. Die Hafencity glänzt und glitzert im Schatten der dicken Pötte und Kräne.

Die andere Seite der Elbe auf der Veddel, in Wilhelmsburg, auf dem Kleinen Grasbrook, in Steinwerder, Waltershof, Finkenwerder und auf der Insel Neuwerk lässt hanseatische Tradition spürbar werden.

Das ist Hamburg-Mitte, unser Bezirk inmitten einer lebhaften Stadt. So vielfältig wie seine Bewohner sind die Geschichten, die wir erzählen.

Mittendrin ist Name und Programm – täglich sind wir unterwegs und bringen euch spannende Reportagen, aktuelle Lokalnachrichten und ausdrucksstarke Bilder und Videos aus Hamburgs bunter Mitte.

Hamburger Geschichten

© 2012 - 2015 Mittendrin | Alle Rechte vorbehalten. Impressum - Umsetzung Politikwerft Designbüro.