Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei 111 Tatort-Tode und und eine PR-Kommissar gefunden.
Warum die Zeitspanne von Heiligabend bis Heilige Drei Könige „zwischen den Jahren“ heißt, zählt zu den großen Rätseln kalendarischer Ordnung. Rein rechnerisch befindet sich in dieser „Rauhnächte“ genannten Zeitspanne ja höchstens ein Sekundenbruchteil, der im aktuellen Fall auch noch entweder zu 2015 oder 16 gehört. Es ist ein Mysterium… Aber immerhin eins, das dem Fernsehen ermöglicht, die vergangenen elfdreiviertel Monate fristgerecht zu resümieren – davon zeugen all jene Rückblicke, die „zwischen den Jahren“ üblicherweise das Programm füllen. Humoristische ebenso wie melodramatische, menschliche und tierische, sachliche oder polemische, sinnvolle, sinnlose, sinnsuchende – alles dabei.
Brutalität und Selbstverliebtheit
Trotz aller retrospektiven Redundanz ist allerdings stets eine Zahl mediensoziologisch bedeutsam, die erst seit dem ersten „Tatort“-Auftritt von Til Schweiger im Jahr 2013 so richtig zum echtzeitnostalgischen Repertoire zählt: Wie viele Tote verbucht Deutschlands wichtigste Krimireihe heuer? Antwort, Tattatusch: 111. Das hat die Fan-Seite „Tatort“-Fundus ermittelt und damit 39 weniger als im Vorjahr, das für seinen Rekord sogar vier Filme weniger benötigte als der Zweitplatzierte 2015, nämlich 36, Schnitt damals: 4,16 pro Episode.
Verantwortlich für diese Mortalitätsrate waren allerdings auch zwei besonders produktive Leichenzähler: Hessens Premium-Ermittler Felix Murot, gespielt vom famosen Ulrich Tukur, dessen theatralisches Massaker „Im Schmerz geboren“ in Blut schwamm, ohne dabei abzusaufen. Und natürlich Nick Tschiller, gespielt vom nicht ganz so famosen Schweiger, dessen fatale Brutalität der ersten zwei Fälle (die Montag und Mittwoch um 21.45 Uhr wiederholt werden) den wirklich einzig denkbaren Daseinsgrund des selbstverliebtesten Filmdarstellers weltweit und vermutlich darüber hinaus bildet.
Kein Scherz: Helene als Auftragskillerin
Nachdem er die Kadaverquote von stolzen 2,75 durch Verlegung seines dritten und vierten Ballerballereinsatzes infolge der Pariser Anschläge am 13. November nicht heben helfen durfte, treibt er nun also gleich zum Auftakt die des nächsten Jahres empor. In seiner Doppelfolge „Der große Schmerz“ mäht Tschiller Freitag und Sonntag fiese Entführer der eigenen Familie nieder und kriegt es, kein Scherz, mit Helene Fischer als Auftragskillerin zu tun, was diesen Kommissar endgültig als reine PR-Kampagnen seiner selbst – vermeintliches Techtelmechtel bei den Dreharbeiten inklusive – entlarvt, aber so läuft‘s halt in Krimiland D, das sich seit Ewigkeiten nur noch um sich selbst dreht.
Das kann durchaus auch mal sehenswerte Konsequenzen haben wie die Filmauskopplung der ARD-Serie „Mord mit Aussicht“, in der es Sophie Haas am Montag (wie es offenbar allen langjährigen TV-Kommissaren irgendwann in der Karriere zu wiederfahren hat) selbst unter Mordverdacht gerät. Es kann auch die Realität zum kriminalistischen Spielfeld machen, was ZDF am gleichen Tag ab 7.20 Uhr früh macht, wenn der Spartenkanal seinen „Mördertag“ einläutet – mit 25 Dokumentationen bis weit nach Mitternacht, darunter eine frische Reihe namens „Überführt“, in der Presenter Joe Bausch, bekannt als Kölner „Tatort“-Pathologe, zum Auftakt den Bankräuber Siegried Massat porträtiert.
Ohne viel Getöse zum Niederknien
Unter Krimi verbuchen Programmplaner gern auch die Vierschanzentournee, mit der ARZDF ab heute inklusive Trainingssprüngen, Hintergrundmüll und Starrummel geschlagene zwei Wochen Tagesgeschäft bestreiten, was sich extrem von jener Ära unterscheidet, da diese Leibesübung noch nebensächlicher Bestandteil der SPORTreportage war, die am Sonntag seit genau 50 Jahren Randsportarten einen Platz im fußballgemästeten Fernsehen garantiert.
Aber damit zu erbaulicheren Dingen jenseits der zwei Megathemen des Mediums: Am Montag zeigt Arte ab 20.15 Uhr mit „Mein Onkel“, „Schützenfest“ und „Playtime“ drei Filme des stummen Slapstickgenies Jacques Tati, die alle auf ihre Art ohne viel Getöse zum Niederknien sind. Zwei Tage darauf zeigt der Schwestersender 3sat ab 6 einen 24-stündigen Marathon voller Kabarett und Comedy, was um 23.45 Uhr Perlen wie „Wir sind Kaiser“ (ab 23.45 Uhr) aufreiht, in denen der österreichische Komiker Robert Palfrader Stars zur Audienz lädt.
Auf den Spuren der Hobbits
Nicht ganz so lustig, aber ungeheuer gehaltvoll geht es in den „Wiederholungen der Woche“ zu. In Marilyn Monroes tiefgründigtem Film „Misfits“ verschlug es sie 1961 nach einem Buch ihres Mannes Arthur Miller zur schwarzweißen Pferdejagd in die Wildnis. (Montag, 23.55 Uhr, Servus). In Farbe dagegen verliebte sich Robert Redford 1973 als konservativer Snob in eine linke Aktivistin der 50er Jahre (Wie wir waren, Dienstag, 0.25 Uhr, Servus). Und die Doku der Woche: Die bildgewaltige Reise des Illustrators John Howe „Auf den Spuren der Hobbits“ durch die Drehorte des Neuseelands von Regisseur Peter Jackson (Dienstag, 14.45 Uhr, Eins Festival).
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