Dünnwandiges Glas, süffig, viel Kohlensäure, eiskalt. So muss Bier für Sänger Pohlmann sein. Marthe Ruddat hat mit ihm über Ben Harpers „Fight for Your Mind“ gesprochen.
Marthe: Dann mal Prost! Fight for Your Mind, das klingt fast wie ein Lebensmotto. Wie interpretierst du den Albumtitel?
Solche Interpretationsfragen sind ja bei englischsprachiger Musik besonders spannend. Bei Ben Harper lassen die vielen Bilder und Symbole sehr viel interpretativen Freiraum. Aber für mich ist Mindder Geist. Fight for Your Mind heißt für mich also, den Geist lebendig zu halten. Ich glaube, dass der Geist einen Hang zum Vergessen hat. Wir neigen dazu, gedanklich abzudriften. Wenn man sich aber Mühe gibt und kämpft, dann kann man sich sozusagen wach und bewusst halten. Das ist allerdings eine Prozedur, die viel Kraft kostet. Du zündest dich quasi selber an, gerätst mit dir selbst in einen Konflikt. Am Ende brennst du. Ich glaube dieses Brennen sieht man auf dem Albumcover.
Das Cover der Fight for Your Mind zeigt nicht nur Harpers brennendes Gesicht. Das Artwork ist außerdem von den militärischen Wappen der afrikanischen Staaten inspiriert, und so ist jedem Song ein Wappen zugeordnet.
Das klingt, als würdest du aus Erfahrung sprechen!?
Absolut! Als Musiker kann es passieren, dass man Songs schreibt und auf einmal merkt, auf wie viele Leute man mit dem Finger gezeigt hat. Und plötzlich kann man dabei zusehen, wie sich der Finger umdreht und auf einen selbst zeigt. Da merkt man dann, dass man kein bisschen besser ist als die anderen. Am Ende kann ich mich aber kaum dazu durchringen, so kritische Songs zu veröffentlichen. Meistens schafft es ein solch ein Song auf eine neue Platte.
Hilft dir die Platte dabei, diesen Kampf in dir auszutragen und zu überstehen?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt da zum Beispiel den ersten Song, Oppression. Ich glaube Unterdrückung spüren wir alle auf irgendeine Art und Weise. Der Song beschreibt, wie man sich dagegen zur Wehr setzen kann. Das ganze Album ist durchzogen von Religiosität und Spiritualität. Eigentlich stehe ich solchen Dingen sehr skeptisch gegenüber. Aber wenn es einen Gott gibt und ein Sänger daran glauben kann, dann kann er über sich hinaus wachsen. Ich glaube, Ben Harper nimmt mich da einfach mit. Seine Musik ist für mich wie eine Droge. Naja, nicht Droge, eher Bewusstseinserweiterung!
Wie oft und in welchen Momenten gibst du dich denn dieser Bewusstseinserweiterung hin?
Ehrlich gesagt, höre ich im Moment kaum noch Musik. Ich bin da gar nicht so auf dem Laufenden. Aber wenn ich diese Scheibe höre, dann mit Kopfhörern. Und dann genieße ich einfach diesen wahnwitzig geilen Sound, voller Seele, voller Freude, voller Energie.
Welcher ist din Lieblingssong auf der Platte?
Es gibt zu viele Songs, die sich um diesen Platz streiten. Aber der Song Power of the Gospel berührt mich sehr. Es ist ein Song, der mich irgendwie aufbricht und alle Zweifel auflöst. Hass, Neid, Missgunst, Angst, all diese Gefühle bedrängen uns und werden in Liebe verstanden. Wenn wir uns mit unseren Monstern allein fühlen, kann so ein Song helfen.
Hast du Ben Harper mal getroffen?
Oh ja! Und ich habe mich davor so besoffen, dass ich heute immer noch darüber nachdenke, wie dämlich ich eigentlich bin. Also du musst dir vorstellen, Ben Harper ist für mich, was Prince für andere Leute ist. Ich hab jetzt kein Poster von ihm Zuhause. Bei diesem Treffen hätte ich einfach cool und gelassen sein müssen. Statt dessen habe ich all das gemacht, was man nicht machen sollte, wenn man einen guten Eindruck hinterlassen möchte.
Klingt viel schlimmer als es ist!
Es gab da so eine Radioshow und ich sollte ihn danach treffen. Meine Plattenfirma hatte das organisiert. Ich war aber so nervös, dass ich vorher erst mal drei Tequila getrunken habe. Ben Harper kam dann mit dem Handtuch um den Hals von seiner Show und meinte ganz cool: „Tonight I am gonna drink my ass off!“ Naja, dann haben alle halt getrunken, aber ich war eben drei Tequila im Vortreffen. Als ich dann endlich neben ihm saß, hab ich den Typen einfach nur vollgequatscht. So wie ich dich gerade vollquatsche, nur mit etwa drei Gin Tonic und noch vier Bier.
Was hast Du ihm denn so erzählt?
Das weiß ich noch ganz genau! Ich hatte auf dem Hinweg eine Dokumentation über so eine Mozartlocke gesehen. Ich erzähle das jetzt nicht alles. Im Endeffekt ging es um Laudanum, Drogen und Rock’n’Roll. Mozart war ein taffer Kollege. Nach seinem Tod fand man in seiner Locke keine Spuren von Laudanum. Das haben die Menschen damals genommen wie Aspirin, aber es ist sehr viel stärker. Mozart wollte sich aber nicht so benebeln lassen und hielt seine Schmerzen aus, um bei klarem Verstand zu bleiben. Du musst beachten, dass ich die ganze Geschichte auf Englisch erzählen musste und noch eine längere Hintergrundgeschichte dazu gehörte. Naja, ich glaube ich hole manchmal zu weit aus. Er ist irgendwann einfach aufgestanden und hat gesagt: „It’s time to go, I am tired.“ Und ich saß da dann so…naja… Ich war einfach angetüdelt und habe zu viel Mut bekommen. Ich hätte ihn ja auch tausend Sachen zu seinen Songs fragen können. Aber nein, ich musste ihm irgendeine Geschichte erzählen.
Was würdest du ihn denn fragen, wenn du Ben Harper nüchtern treffen würdest?
Ich würde ihn etwas über Spiritualität fragen und was für ihn Glaube und Musik bedeutet.
Weil er in dieser Hinsicht ein Vorbild für dich ist?
Von Vorbildern halte ich nicht viel. Kill your Idols, heißt es immer so schön! Ich möchte nicht sein wie Ben Harper. Das ist ein Gefängnis, in das man als Künstler geraten kann. Aber ich möchte genau so wie er ein Gefühl der Selbstvergessenheit empfinden, wenn ich Musik mache. Ich glaube, wenn ich ihn heute treffen würde, dann würde ich die Sache mit mehr Würde und weniger Angst angehen.
Seit 2013 warten wir auf ein neues Pohlmann-Album, müssten uns aber noch ein bisschen weiter gedulden. Die Wartezeit kann allerdings mit einem Besuch der Jahr aus Jahr ein – unplugged Tour überbrückt werden. Ab dem 11. Dezember reist Pohlmann durch die Republik und ist am 21. Dezember in der Hamburger Fabrik zu Gast. Tickets und Infos auf www.ingopohlmann.de.
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