Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei ansehnliche Prime Time ohne Happyend gefunden.

Die Flüchtlingskrise hält an, Europa wankt weiter, Griechenland ist immer noch Pleite, Putin auf dem Thron und Pegida in den Köpfen: auch die Vorwoche war nahezu frei von good news – bis auf eine, die kritischen Geistern das Jahr, wenn nicht ihr Leben versüßt: Kai Diekmann tritt ab. Einerseits aus dem Leben, wenn er Anfang des Jahres im „Tatort“ eine Leiche spielt. Und dann vom Chefposten der „Bild“. Die wird künftig von einer Frau geführt, womit ihr Arbeitgeber abgesehen vom Dreck, den er dank Diekmanns Gossenjournalismus 15 Jahre lang in die Köpfe gepumpt hat, mal wieder seiner Zeit voraus ist.

Wünschen wir Kais jungem Ziehkind Tanit Koch, dass sie sich den Ex-Boss und künftigen Herausgeber der roten Springer-Gruppe nur insofern zum Vorbild nimmt, als auch sie die „Bild“-Auflage halbiert. Umso eher könnte ihr das Schicksal der „Stadlshow“ blühen: Nach dem ruppigen Rauswurf des Volksmusikplatzhirschs Andy Borg fiel deren Quote unter jüngerer, aber farbloser Moderation so tief, dass der BR nun verkündete, „nach der Silvesterausgabe nochmals zu beraten und dann über die Zukunft zu entscheiden“, was diplomatisch umschreibt, die charakterschwachen Grüßaugusts Francine Jordi und Alexander Mazza sind 2016 Weg vom Fenster.

Eine fragwürdige Sockenkollektion

Gut, so richtig schlechte Nachrichten klingen ebenfalls anders, weshalb wir mal eine wirklich gute bringen, so zum Stimmungsaufhellen: Joko Winterscheid, dieser Monsterscoop poppte vorige Woche im Postfach auf, entwirft eine eigene Sockenkollektion. So-cken-kol-lek-tion. Wahnsinn! „Das optimale Weihnachtsgeschenk für alle Männer“, faselt der Hersteller, „die gerne im Detail auffallen!“ Dabei fallen Männer doch viel lieber im Groben auf, mit dicken Autos zum Beispiel, besser noch: dicken Flugzeugen. Starfighter etwa, die RTL ja eigentlich im Frühjahr steigen lassen wollte – wovon der Sender aus einer absurd missverstandenen Form von Pietät Abstand nahm, da kurz vor der Ausstrahlung ein deutsches Flugzeug in den Alpen abstürzte.

Donnerstag darf der Eventfilm genannte Blockbuster nun doch auf Sendung, und er ist – nein, nicht schlimm geworden, sondern erstaunlich ansehnlich. Weil er den testosteronsatten Einstieg im Stile von „Top Gun“ rasch hinter sich lässt und Kurs auf die Ursachen des Todes von 117 Kampffliegern nimmt, denen ein verbrecherisches System um den korrupten Bayernkönig Strauß vorausging. Gut, es ist immer noch RTL mit mehr Schauwert als Inhalt, aber aller Ehren wert.

Primetime ganz ohne Happyend

Was ebenso für die erste eigenproduzierte Vox-Serie zutrifft. In Doppelfolgen verarbeitet „Club der roten Bänder“ ab Montag den Bestseller über eine Kinderkrebsstation zu zehn Teilen fiktionaler Unterhaltung, die so konsequent aus Patientensicht erzählt wird, dass der privatfernsehtypische Dramatiküberhang gar nicht so negativ ins Gewicht fällt. Fazit: seriöser als vieles, was kommerziell sonst entertaint. Besser auch als das, was 2014 im einst so ehrgeizigen TVLab entstanden ist. Von daher kann es dieses Jahr nur besser werden, wenn ZDFneo „YouTuber, Social-Media-Persönlichkeiten, Schauspieler, Musiker und Autoren“ ab Montag dazu auffordert, ein identisches Thema individuell zu verfilmen. Erste Ergebnisse gibt es in der Woche drauf.

Vorher aber lässt sich bestaunen, wozu Öffentlich-Rechtliche in der Lage sind, wenn gestandene Filmemacher üppige Etats und gute Schauspieler kriegen. Montag setzt das ZDF den gelungenen Polizeifilm „Unter Feinden“ unter der Regie von Lars Becker mit herausragendem Personal (Fritz Karl, Nicholas Ofcharek, Jessica Schwarz) fort und beweist mit „Zum Sterben zu früh“, dass die Primetime keine Happyends braucht, um zu überzeugen. Und im ARD-Mittwochsfilm zeigt Claudia Michelsen als Heiratsschwindler-Opfer Simone Kleebach alias Susanne Klatten, dass die Realität emotional und nüchtern zugleich fiktionalisiert werden kann.

Überdrehte Misantrophie

Dass sich fiktionales Realitätsbedürfnis allerdings auch zu einer Hyperrealität verdichten kann, die alle Wirklichkeit an der Logik vorbei überholt, zeigt die Wiederholung der Woche am Mittwoch um 20.15 Uhr, wenn SuperRTL die ersten Folgen von „Dr. House“ bringt, der einerseits Fernsehgeschichte geschrieben hat, andererseits rasch dramaturgisches Opfer seiner überdrehten Misanthropie wurde. Der schwarzweiße Wochentipp „Tartüff“ hingegen überdreht nichts; dafür gewährt Friedrich Murnaus Stummfilm von 1925 am Montag (23.15 Uhr, Arte) einen famosen Blick aufs Bürgertum nach dem 1. Weltkrieg – den der Kulturkanal im Dokutipp der Woche tags drauf um 20.15 Uhr in nie gezeigten Aufnahmen („Im Krieg“) bebildert.

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