Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft Sprachrohre der Dummheit Geschlechterklischees für Millionen gefunden.
Das sitzt: 44% aller Befragten einer Forsa-Umfrage stimmen dem Lügenpresse-Gepöbel des Pegida-Packs mehr oder weniger zu. Abgesehen davon, dass die Zahl derer, denen nichtdeutsches Blut innerhalb reichsdeutscher Grenzen per se zuwider ist, noch höher sein dürfte, stellt das unsere Demokratie auf eine harte Probe – die man besteht, indem man Pegidapackfreunde aus eben jener Lügenpresse als Hauptlügner entlarvt. Christoph Biro zum Beispiel, Chef der vulgärpopulistischen „Kronen Zeitung“, hat in seiner steirischen Ausgabe über Flüchtlinge aller Art gehetzt, die „sich äußerst aggressive sexuelle Übergriffe“ geleistet, ihre Notdurft in Bahnwaggons verrichtet oder kollektiv Supermärkte gestürmt hätten. Interessante These, nur dummerweise erstunken und, genau: erlogen, wie die österreichische Polizei mitteilen ließ.
Da Rassisten jeder Art aber lieber flaschendrehen, um Tat oder Wahrheit zu ermitteln, bleiben solche Schmierenblätter weiterhin Sprachrohre der Dummheit, während kluge Medien wie die „Südwest Presse“ längst auch westlich von Dresden in Hassmails ertrinken, falls sich ein Redakteur mal erdreistet, fremdenfreundlich zu kommentieren. DFB-freundlich kommentiert hingegen Alfred Draxler und zwar so faktenresistent, dass der langjährige Sportsgruppenleiter von „Bild“ im Netz als das gedisst wird, was er seit jeher ist: Beckenbauers willfähriger Speichellecker. Man würde der Menschheit wünschen, dass nicht wie vorige Woche geschehen die liebenswert mitfühlende „taz“ ihre Redaktion wegen einer Fliegerbombe räumen müsste, sondern der gesamte Ballermann-Boulevard. Für immer.
Aus der Grube gezerrt
Ja, gibt’s denn auch noch good news aus der Medienwelt? Doch: „Allegra“, einst die einzig kluge Frauenzeitschrift im Land, soll mal wieder aus der Grube gezerrt werden, wo sie Springer lebendig begraben hatte. Außerdem ist seit voriger Woche gewiss: Die Damen (und Herren) der „Tagesschau“ haben einen Unterleib. Bei Jürgen Domian ist das indes weiter nur ein Gerücht. Seit 20 Jahren ist der Kummerkasten bloß hüftaufwärts zu sehen, wenn er die Sorgen seiner Zuschauer ausquatscht. Im Jahr vor seinem Abschied widmet ihm der WDR heute das Porträt „Zwischen Tag und Nacht“, natürlich zur mondsüchtigen Zeit, 23.15 Uhr.
Zur Geisterstunde also, wo das Böse erwacht, Vampire etwa und Zombies. Am Freitag um 0.25 Uhr, wenn die Kleinsten – denen der KiKa ab Montag (18.15 Uhr) „Der kleine Drache Kokosnuss“ schenkt – im Bett sind, zeigt RTL2 das nächste Untoten-Epos im Fahrwasser des Erfolgsgenres: „Z Nation“, etwas leichtfüßiger als „Walking Dead“, manchmal gar lustig, vor allem aber optimistischer – trägt die Hauptfigur doch jenes Antiserum in sich, das beim großen Vorbild außer Sicht ist.
Geklaute Langeweile und starker Tabak
Den Bedarf nach einem Wirkstoff gegen das dauernde Wettbewerbsfernsehen erhöht Dienstag abermals Vox, wo Guido Maria Kretschmer seine letzten 90 freien Minuten räumt, um im Kampfnähen „Geschickt eingefädelt“ den besten Amateurschneider zu ermitteln. Geklaut in England, gelangweilt in Deutschland, Geschlechterklischees für Millionen. Davon ist Lars Kraumes Melodram „Meine Schwestern“ um eine Todkranke (Jördis Triebel), die Mittwoch auf Arte ihre letzten Tage mit Verwandtschaft (Nina Kunzendorf, Lisa Hagmeister) verbringt, weit entfernt. Ein vorurteilsfreier Frauenfilm, also anders als alles, was 365 Tage quasi rund um die Uhr bei der Privatkonkurrenz läuft.
Deshalb findet man dort auch nie Filme wie die Musik-Doku „Deutsche Pop Zustände“, mit der 3sat um 23.25 Uhr den Themenabend „Rechts – extrem – gefährlich“ beschließt, was drei Stunden zuvor von der Analyse des Prozesses gegen Beate Zschäpe eingeleitet wird. Starker Tobak, gut bekömmlich. Ballaststoffreiche Schonkost verabreicht der NDR in seiner Komödienreihe „Nordlichter“, die fortan den Donnerstag ab 22 Uhr erheitert. Zum Auftakt: Hanno Olderdissens Spielfilmdebüt „Familie verpflichtet“, der den homoerotischen Clash der Kulturen wohl zu drastisch fürs ARD-Publikum bebildert.
Das gälte auch für die „Farbwiederholung der Woche“ von 1973: „Lady Snowblood“, japanische Mangaverfilmung über ein Vergewaltigungsopfer, das im Gefängnis einen Racheengel gebärt, was Quentin Tarantino einst zu „Kill Bill“ inspirierte (Montag, 22.20 Uhr, Arte). In Schwarzweiß dagegen und trotz allem zeitlos schön: die Wallace-Adaption „Der Hexer“ (Freitag, 22.05 Uhr, Sat1Gold) von 1964, aus einer Zeit also, da die Doku der Woche ihr Material sammelte: „All you need is Klaus“, hinreißendes Porträt (Montagfrüh, 1.10 Uhr, Arte) des Hamburger Beatles-Weggefährten und -bereiters Klaus Voormann.
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden