Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und hat ein verstörendes Jubiläum und die Abgründe der Republik gefunden. 

Na da kann sich der digitale Springinsfeld LeFloid vielleicht doch noch mal was bei den analogen Althasen abgucken: Am Mittwoch zeigte Anne Will zwar noch lange nicht, wie man im Interview mit Spitzenpolitikern kontrovers Kante zeigt; falls der junge Youtuber beim Multitasking versehentlich auf einen klassischen Bildschirm gelandet ist, konnte er der ausgebildeten Journalistin aber immerhin dabei zusehen, dass zum gehaltvollen Kanzlerinnen-Interview mehr gehört als schiefe Basecap, viele Follower und das Wörtchen „absolut“ in Heavy-Rotation.

Nun haben wir aber auch genug nachgetreten auf ein Mediengewächs, das ja doch einiges richtig machen muss angesichts seiner exorbitanten Zahl an Fans, und wenden uns dem zu, was immer IMMER I!M!M!E!R! für größtmögliche Quoten, vulgo: Erregung sorgt: Hitler. So gesehen ist es bemerkenswert, dass der nicht nur im Kino grad zurück ist, sondern 2017 auch im Fernsehen. Als Titelfigur einer Serie, die Deutschlands Zeitgeschichtsmogul Nico Hofmann gemeinsam mit dem ebenfalls revisionistischer Umtriebe gänzlich unverdächtige Jan Mojto produziert. Ein bisschen bedenklicher ist da schon, dass der Mehrteiler übers Leben des Gröfaz vor der Machtübernahme von niemand seriöserem als RTL gesendet wird.

Angesichts der erstaunlichen Güte des Vorwendeagentendramas „Deutschland 83“ Ende November muss man zwar nicht unbedingt das Allerschlimmste befürchten; das zweitschlimmste ist aber ja auch nicht wirklich angenehm. Na lassen wir uns mal überraschen. So wie vom 1000. „Tatort“, dessen Ermittler gerade bekannt gegeben wurden: Maria Furtwänglers Charlotte Lindholm – zeitgenössisch verpartnert mit Axel Milberg als Kiels Kommissar Klaus Borowski. Es wird um irgendwas mit Afghanistan-Veteranen, Eifersucht, Rache gehen und soll in Anlehnung an den ersten Fall fast 50 Jahre zuvor „Taxi nach Leipzig“ heißen, in dem Ur-Kommissar Trimmel 1970 noch die innerdeutsche Grenze übertrat.

500 Mal ungelöst

Zuvor aber freuen wir uns, dass mit dem Dortmunder Team beinahe alle aktuellen Mörderjäger aus der Sommerpause zurück sind. Unter der Regie von Dror Zahavi, der den erschütternden Abgang von Assistentin Franziska aus Kölns „Tatort“ zum traumatischen Erlebnis machte, stirbt in „Kollaps“ ein kleines Mädchen an Kokain, das es aus der Sandkiste fischt, was zeigt: Man kann Kinder unterhaltsam zu Krimiopfern machen, ohne gleich die schwere Moralkeule sexueller Gewalt zu schwingen.

Das tut „Aktenzeichen XY … ungelöst“ am Mittwoch im ZDF schon zum 500. Mal in 48 Jahren. Ein verstörendes Jubiläum, vermittelt Rudi Cernes Erbe des Formatvaters Eduard Zimmermann doch bis heute den Eindruck, Schwerverbrechen von Raubmord bis Kindesmissbrauch seien auf dem Vormarsch, was die polizeiliche Kriminalstatistik seit Jahren mit rückläufigen Zahlen widerlegt. Dem anhaltenden Erfolg des langlebigsten Denunziationsformats des Fernsehens allerdings tut das keinen Abbruch.

Komplexe Einzelschicksale in 90 Minuten

Eines der wenigen Verbrechen, die zurzeit geradezu sprunghaft ansteigen, dürfte dagegen auch zum Jubiläum nicht in einem der beängstigenden Einspielfilme nachgestellt werden: rassistische Gewalt, gern gegen Asylunterkünfte, die derzeit so häufiger brennen wie zuletzt 1938 Synagogen. Um über die Hintergründe aufgeklärt zu werden muss man demnach etwas länger aufbleiben, am Montag bis 22.45 Uhr, wenn das Erste „Die Front der Fremdenfeinde“ dokumentarisch beleuchtet. Doch auch zur ARD-Primetime geht es um Abgründe der Republik, diesmal allerdings für eine Deutsche: Christiane Hörbiger, die der plötzliche Tod ihres heimlich verschuldeten Mannes aus der adretten Hamburger Mietwohnung in Windeseile unter die Brücke treibt. Das ist alles gut gemeint, aber viel zu konstruiert, weshalb „Auf der Straße“ abermals zeigt, dass 90 Minuten selten zur schlüssigen Erzählung komplexer Einzelschicksale taugen.

Das wäre dann ein weiteres Argument für horizontale Serien, von denen diese Woche keine neue aufhorchen ließe. Bis auf „Braunschlag“ um den Kabarettisten Robert Palfrader als windigen Bürgermeister einer österreichischen Kleinstadt, was ab Sonntag (20.15 Uhr, 3sat) aber weniger durch Dramaturgie als Aberwitz glänzt. Das dafür umso strahlender. Wie die schwarzweiße „Wiederholung der Woche“ mit Marlene Dietrich in ihrem US-Durchbruch „Schanghai-Express“ von 1932 als Passagierin eines Luxus-Zugs nach Peking (Montag, 22 Uhr, Arte). Der Farbtipp ist diese Woche noch gar nicht so alt, aber schon darum ratsam, weil der Bayerische Rundfunk „Der blinde Fleck“ (Dienstag, 20.15 Uhr) zeigt. Zu reaktionäreren Zeiten hätte der Strauß-Sender die kritische Wiederaufnahme des Oktoberfestattentats garantiert nicht gezeigt. Bleibt noch die Doku der Woche: „Kein Weg zurück“ (Dienstag, 22.25 Uhr, 3sat), ein deutscher Film über einen jungen Juden, der aus Jerusalems orthodoxer Gemeinschaft aussteigt und plötzlich spürt, was es heißt, zwischen zwei Fronten zu stehen.

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