Eläkeläiset sind ein musikalisches Phänomen. Justus Ledig war in der Markthalle, um sich ein weiteres Mal von den finnischen Vögeln und ihrer Humppa bespaßen zu lassen. Ein wenig in die Jahre gekommen sind die “Rentner” wohl doch.
Gehen wir mal davon aus, dass nicht jeder Mittendrin-Leser etwas mit dem Begriff “Humppa” anfangen kann. Unter dieser lautmalerischen Bezeichnung ist eine Art finnischer Foxtrott mit Offbeat zu verstehen, der in der Interpretation von Eläkeläiset meist zügig mithilfe von Akkordeon, Bass, Gitarre, Keyboard und Schlagzeug gespielt und bierselig besungen wird. Zusätzlicher Clou bei den fünf Herren aus Suomi: Sie covern fast ausschließlich bekannte Rock- und Pop-Songs und versehen diese mit unverständlichen finnischen Texten, in denen fast immer das Wort “Humppa” auftaucht. Munteres Liederraten ist also angesagt. Ansagen gibt es dafür vielfach auf Deutsch mit knuffigem Akzent.
Mittlerweile macht die Truppe so gut wie jedes Jahr in Hamburg Halt und sucht sich dafür stets einen Wochenendtag aus – ob aus Anerkennung oder Mitleid, man weiß es nicht. Okay, sehen wir uns die Rentner, so die Übersetzung des Namens, ein weiteres Mal an! Schnell erkennt man in der Umgebung der Markthalle die Fans der Finnen, die zum Teil kostümiert in kurzen Hosen und Hemd und Weste schaulaufen. Der Saal selbst ist dünn besetzt, als es gegen halb neun losgeht. Das soll sich den Abend noch ein gutes Stück ändern, auch wenn nicht von Überfüllung gesprochen werden kann.
Möge der Tanz beginnen
Wohl aber wissen Onni, Lassi, Martti, Petteri und Tapio die Stimmung in der Markthalle über die gesamte Spielzeug von rund anderthalb Stunden deutlich zu steigern. Bei ihrem Querbeet-Gecovere (u. A. “Hocus Pocus”, “Man on the Moon”, “Kids in America” und “Run to the Hills”) überschreiten Eläkeläiset zahlreiche Genregrenzen und verzerren das Ausgangsmaterial mitunter bis zur Unkenntlichkeit. Das ist einerseits unglaublich gaga, andererseits gehen die erbarmungslosen Zweivierteltakte unweigerlich in die Beine.
Und wie tanzt man Humppa nach Eläkeläiset-Art? Es gibt nur eine Regel: Bodenkontakt länger als eine Sekunde am Stück ist nicht erlaubt. Ansonsten gilt es, rhythmisch durch den Saal zu wabern, hüpfen, pogen, was auch immer. Bei aller Milde, die so einen Humppa-”Moshpit” auszeichnet, erweist sich der Aufenthalt direkt vor der Bühne als schweißtreibend. Wer mehr als drei, vier der kurzen Songs am Stück durchtanzt, ist komplett durchnässt. Vielleicht wird daraus ja noch ein Gesundheitstrend.
Der Zahn der Zeit nagt
Auf das körperliche Wohlbefinden scheinen auch Eläkeläiset mittlerweile zu achten. Früher (™) standen auf den Biertischen vor der Band noch ganze Wodka-Flaschen, die im Laufe eines Konzertes ihres Inhaltes ledig wurden. Da so ein Lebensstil sicher nicht ewig durchzuhalten ist, bleiben die Musikanten heute vorzugsweise bei Wasser oder Bier. Das mindert ihre technische Präzision natürlich nicht, im Gegenteil. Andererseits muss man sagen, dass eine Eläkeläiset-Show noch weitaus ekstatischer verläuft, wenn die Band einen ähnlichen Pegel aufweist wie ihr Publikum.
So wirkt der Auftritt etwas zahm und die Einlagen in Form absurder Tänze oder zerstörter Instrumente ein wenig kalkuliert. Die Besucher der Markthalle, die in bester Laune sind, stören sich daran allerdings nicht. Es wird fleißig abgezappelt, vereinzelte Crowdsurfer segeln durch den Saal und allerlei Wortfetzen werden mitgegröhlt. “Lai lalalai!” oder “Humppa!” geht auch noch bei drei Promille. Ja, Eläkeläiset müssen sich grundsätzlich keine Sorgen machen, ihre Musik würde nicht zünden.
Und auch wenn die Rentner nun tatsächlich etwas in die Jahre gekommen scheinen: Es ist kaum damit zu rechnen, dass dieses aberwitzige Konstrukt allzu bald aufhört zu bestehen. Klar ist der Unterhaltungswert von Humppa-Coverversionen nicht von unendlicher Haltbarkeit, aber einmal mehr ist zu bemerken, dass auf einem Konzert irgendwann der Funke einfach überspringt. Das Finale in Form von “Humppaa tai kuole”, zu deutsch “Humppa oder sterben” auf musikalischer Basis von “No Limits” beseitigt hier die letzten Zweifel. Macht einfach so weiter, ihr Knalltüten!
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