Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel dieser Woche gekämpft und dabei ganz normalen Irrsinnn und Klischeemüll gefunden.
Range, Maaßen, Beckedahl – das Sommerloch produziert gern „Tagesschau“-Stars, die darin selten zu sehen sind. Der Generalbundesanwalt, Deutschlands oberster Verfassungsschützer und ein leidlich bekannter Netzjournalist erregen sonst allenfalls die Gemüter medial Eingeweihter. Aber da sich Griechenland grad ein wenig beruhigt, in der Ukraine kaum geschossen wird und selbst die größten Mitgefühlsreserven irgendwann mal erschöpft sind angesichts des Flüchtlingselends in aller Welt, dominiert das aberwitzige Ränkespiel um vermeintlich illegal publizierte Staatsgeheimnisse seit Tagen die nachrichtenarme Zeit.
In der sind gemeinhin keine Werbepreise wie beim Superbowl zu erwarten, dem Finale der amerikanischen Football-Liga NFL. Bei der Übertragung im Februar liegen sie wieder oberhalb von 150.000 Dollar – pro Sekunde, nicht pro Spot. Dieser Irrsinn ist jedoch längst so normal, dass zuletzt keiner über 4,5 Millionen plus Herstellungskosten für einen Halbminüter debattierte, sondern eher darüber, dass die kommerziellen Kleinblockbuster im Februar 2016 erstmals auch ins Netz gestreamt werden.
Siegreiches Schultheater
Aus deutschen Landen ist da höchstens mitteilenswert, dass der „Musikantenstadl“ unter leicht verjüngter Moderation künftig „Stadlshow“ heißt, womit das Erste offenbar jene Alterskohorte im Visier hat, die ZDFneo zurzeit mit „Blockbustaz“ versorgt. So heißt der Gewinner des vorjährigen TV-Labs, mit dem der Spartenkanal sein Publikum über die Serientauglichkeit neuer Formate abstimmen lässt. Fragt sich nur, über wen das siegreiche Schultheater mit Eko Fresh und Ferris MC als liebenswerte Plattenbau-Loser mehr sagt: Die Zuschauer, die solchen Klischeemüll wählen. Oder den Sender, der ihn überhaupt zur Wahl stellt.
Um Angebote zu finden, die gegen Sender und Zuschauer sprechen, muss man sonst eher ins private Milieu zappen. Zu Sat1 etwa, wo man es ab Mittwoch für geboten hält, 25 Jahre Einheit vorab mit einer „Bild“-kompatiblen Heldenbeschau namens „Wir sind Deutschland“ zu feiern und Freitag drauf den Container von „Promi Big Brother“ mit Kalibern von Nino de Angelo bis Menowin Fröhlich zu füllen, deren Existenz ja vor allem den ganz alten oder ganz schlichten Konsumenten bekannt sein dürfte.
Blasse Zombie-Pathologin
Was noch vor wenigen Jahren höchstens ein paar Nachtschattengewächsen in schlecht belüfteten Zimmern bekannt gewesen sein dürfte, sind hingegen Zombie-Fiktionen. Seit dem unfassbaren Erfolg von „Walking Dead“ jedoch beißen sich die Untoten übers frei empfängliche Fernsehprogramm zusehends in gewöhnliche Wohnstuben. Gerade ist bei Pro7 die unerbittlich gruselige US-Serie „The Strain“ angelaufen, da legt Sixx donnerstags zur besten Sendezeit mit der nächsten Comic-Adaption nach: „iZombie“ handelt von einer Pathologin (Rose McIver), die anders als andere Zombies zwar blass, aber bombig aussieht und nur Gehirne von Mordopfern isst, von denen sie sodann Erkenntnisse über den Tathergang sammelt. Das ist von so gravierender Dummheit, dass man es glatt schon wieder mögen könnte.
Vielleicht sollte man doch lieber gleich die lebenden Untoten der Fußball-Bundesliga ansehen, mit denen am Freitag live im Ersten die neue Saison startet: Zum Auftakt tritt der HSV bei Meister Bayern an, wo die hanseatischen Zombies abermals versuchen, ihr hirntotes Überleben zu verlängern. Eine spannende Doku, in der es irgendwie auch um Artenschutz geht, läuft Mittwoch im Zweiten. „Aus Liebe zum Tier“ heißt das Schmuckstück, in dem die Reihe „ZDFzoom“ radikale Umweltschützer fragt: „Wie weit dürfen Aktivisten gehen?“, aber nicht moralinsauer wie gewöhnlich, sondern ergebnisoffen.
Das erinnert an die farbige „Wiederholung der Woche“: Christian Petzolds Kinodebüt „Die innere Sicherheit“ (2000) mit der blutjungen Julia Hummer als Kind fliehender Terroristen, das im Untergrund die Liebe entdeckt (Montag, 22.45 Uhr, WDR). Schwarzweiß ist dagegen der Spätwestern vom „Mann, der Liberty Vance erschoss“ (1962, Freitag, 21.50 Uhr, Servus) mit James Steward als Senator, der seine Karriere auf ein Duell begründet, das nie stattfand. Die „Doku der Woche“ heißt passend zur abstrusen Vergabe der Olympischen Winterspiele an Peking: „China, die neue Supermacht“ (Dienstag, 20.15 Uhr, Arte.
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