Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel dieser Woche gekämpft und dabei anspruchslosen Voyeurismus und die Horrorvorstellung nur noch gesponserter News und gefunden.
Man würde ja zu gerne wissen, was die „Bild“ anstelle des spontanen Aufmachers vom Toilettenpa…rdon: Titelblatt geworfen hat (vermutlich was Rassistisches mit teuren Flüchtlingen oder Griechen), aber es war am Dienstag schon eine Schlagzeile wert, was sich tags zuvor bei „Wer wird Millionär“ abgespielt hatte. Als dort „seit haben jeher die meisten a) Dober Männer, b) Cocker Spaniels, c) Schäfer Hunde, d) Riesen Schnauzer“ zur Wahl stand, entschied sich die Kandidatin für letzteres, weshalb sie als erste die 50-Euro-Frage riss und zweierlei bewies: Nichts ist unterhaltsamer als belangloses Versagen. Und niemand versteht es leichter zu moderieren als Günther Jauch. Was wiederum zeigt: Im leicht belanglosen Privatfernsehen ist er besser aufgehoben als im öffentlich-rechtlichen Debattenprogramm. Also, Günni: weitermachen!
Zumindest hier.
Weitermachen dürfte gern auch Harry Rowohlt als Literaturentertainer und sein eigenes Alter Ego in der „Lindenstraße“, die er als Philosoph und Penner bereicherte. Leider ist der Hamburger nun mit 70 Jahren viel zu früh von uns gegangen, aber so ist es zumindest im Jenseits nun ein bisschen schöner. Nicht weitermachen wird hingegen Stefan Raab, der Mittwoch seinen Rückzug aus dem Fernsehen zum Jahresende bekanntgab. Und ebenfalls am Ende scheinen seriöse Web-News zu sein, wie eine Studie des Reuters Instituts befürchten lässt. Demnach weigert sich die Netzgemeinde beharrlich, digitale Infos zu bezahlen. Selbst beim Spitzenreiter Finnland sind es – inklusive Abos in Kombination mit Printprodukten, die den Löwenanteil stellen – nur 15 Prozent, was aber immer noch mehr ist als in Deutschland, wo kaum jeder 20. freiwillig für den Content zahlt.
Alles Leichtigkeit und Larifari
So stirbt mit den alten Medien womöglich bald deren Wesenskern relevanter Wissensvermittlung und alles wird zu Entertainment, Leichtigkeit, Larifari oder schlimmer noch: Selektion nach Gusto der Werbekunden. Weil in diesem gar nicht mal so abseitigen Szenario ohnehin keiner fernsieht, gäbe es Nachrichten also nur nach Bedarf der Sponsoren, deren Etats keine öffentlich-rechtlichen Staatsaufträge berücksichtigen, sondern einzig Eigeninteressen. Eine originelle Doku wie „Wer ist Thomas Müller?“ (Dienstag, 22.45 Uhr, ARD) etwa würde im Netz da vom FC Bayern München präsentiert, um am Beispiel des hierzulande häufigsten Namens vordergründig dem Durchschnittsdeutschen auf die Spur zu kommen, hintergründig aber den Marktwert eines gewissen Nationalspielers zu erhöhen. Immerhin.
Denn gar nicht erst gedreht würde in dieser trüben Zukunft mangels Ertragsaussichten „Angst vor dem Abseits“, mit dem die ARD Sonntag (17.30) das Tabuthema Homosexualität im Fußball seziert. Oder die artverwandte Arte-Doku „Weil ich bin, wer ich bin“ (Mittwoch, 21.40 Uhr). Selbst famose Porträts schwuler Künstler versprechen schließlich keine Rendite. Das gilt ebenso für Spielfilme wie „Reality“ am Montag (21.45) auf Arte um einen italienischen Familienvater, der sich vergebens um Teilnahme bei „Big Brother“ bewirbt und das Containerleben einfach nachspielt, bis es sich mehr ergreifend als lustig verselbständigt. Chancen am Werbemarkt? Nullkommanull.
Bandcasting mit Bohlen-Faktor
Ganz im Gegensatz zu den Privatprodukten der Woche. Die Dokusoap „Schwiegertochter gesucht“ zum Beispiel, mit der RTL ab Sonntag (19.05) sein bildungsfernes Stammpublikum anspruchsloser Voyeure verächtlich macht. Oder „Die Band“ auf Pro7, wo selbige erstmals im Ganzen gecastet wird, was musikalisch zwar gehaltvoller klingt als alles mit Superstar, aber nicht nur dank des musikalisch gehaltlosen Boygroup-Moderators Samu Haber reichlich Bohlen-Faktor verspricht.
Bleibt also nur, sich auf jenes Panoptikum bedeutsamer Horrorfilme zu freuen, mit denen ZDFneo die Samstage des Sommers erbeben lässt. Den Auftakt bildet die moderne Vampir-Variante „Van Helsing“ (20.15 Uhr), gefolgt von Tarantinos Zombieorgie „From Dusk Till Dawn“ um Mitternacht, Sonntagfrüh kurz vor fünf abgeschlossen mit der schwarzweißen „Wiederholung der Woche“, Jack Arnolds unfreiwillig komischer Monsterspinnenschocker „Tarantula“ von 1955. Und in Farbe: Sergio Leones Spaghetti-Western „Für eine Handvoll Dollar“ (Freitag, 22 Uhr, ServusTV), mit dem er 1964 einen Weltstar gebar: Clint Eastwood. Fehlt noch die „Doku der Woche“, passend zum Sommeranfang: „Mückenalarm“ (Freitag, 21.35 Uhr, Arte) und der aussichtslose Kampf gegen die „Invasion der Plagegeister“.
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden