Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei Unterhaltung ohne Bedeutsamkeit und eine Farce für den Weltsport gefunden.
Seit Herbst besteht die Nachrichtenwelt offenbar nur noch aus Krisen. Die „Tagesschau“ etwa geriet damals so kriegerisch, dass Sprecherin Linda Zervakis auf die Frage, warum sie ab Juli den „Summer of Peace“ moderiert, entgegnet: Arte wolle der „Katastrophenfrau“ wohl eine Friedenspause gönnen. Doch just als der Kulturkanal seinen Schwerpunkt in Hamburg präsentierte, mehrten sich mysteriöse good news: Zuerst liefert Don Sepps Rücktritt Stoff für Dauerschleifen vom Crash seiner Mafia, pardon: Fifa. Dann berichtet Zervakis’ Sendung mehr als die üblichen 25 Sekunden pro Woche über den Kita-Streik, der nun in die Schlichtung geht. Schließlich gibt’s das Freitagsschmankerl dazu: Günther Jauch beendet seine Talkshow im Ersten. Wen man da wohl mehr vermisst – ihn, Blatter, Streiks oder doch Winnetou?
Dessen Alter Ego Pierre Brice ist nämlich Samstag gestorben. Wir werden ihn vermissen. Wen dagegen kaum jemand vermissen würde, wäre Roger Köppel. Bei Frank Plasberg durfte der Schweizer dennoch sein salonfaschistoides Weltbild absondern, in dem er Landsmann (und Kumpel) Blatter eine blütenweiße Demokratenweste attestierte und jeden Journalist, der das bestreitet, zur „Rowdy-Publizistik“ zählt, die Köppels „Weltwoche“ natürlich total fremd ist, wenn sie gegen Asis, Schwule, Neger hetzt.
Die Vorform journalistischer Relevanz
Damit befindet sich der braun(gebrannt)e Publizist in bester Gesellschaft mit Ulrich Marseille, der gerichtlich gegen Günter Wallraff vorgeht, weil er Missstände in dessen Klinik-Konzern recherchierte, ohne vorher förmlich um eine Audienz gebeten zu haben. Wo kämen wir denn da hin, wenn journalistische Arbeit diesseits der Pressestellen beginnt… Dass er sich von derlei Drohgebärden nicht beirren lässt, zeigt RTL Montag in seiner einzigen Sendung, die eine Vorform journalistischer Relevanz erreicht: „Team Wallraff“, dessen Tagesthema aus verständlichen Gründen erst um 21.15 Uhr bekannt wird. Wenn Thomas Gottschalk am Freitag (23.40 Uhr) im Vierteiler „40 Jahre Musikvideos“ allerdings die ersten acht seit Queens „Bohemian Rhapsodie“ Revue passieren lässt, zeigt der Sender, dass man auch ohne Bedeutsamkeit anschaulich unterhalten kann.
Bedeutsam und anschaulich – das schafft aber doch eher Arte, dessen Themenabend zum Thema Flüchtlinge am Dienstag zwei herausragende Dokus darüber bringt, wie Zielländer die Ströme eher blockieren als auflösen. Dazu passt Eric Friedlers famose Doku „Aghet“, die den Völkermord an den Armeniern und das Versagen der Weltbevölkerung parallel auf 3sat (22.25 Uhr) in Form von Zeitzeugenberichten verlesen lässt.
Glaubhafter Goldrausch
Ähnlich historisch geht es Donnerstag abermals auf Arte zu, wo um 20.15 Uhr die achtteilige Zeitreise „1864“ beginnt, dessen Untertitel „Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges“ den deutsch-dänischen Konflikt jener Tage banaler erscheinen lässt, als dieses hyperrealistische Stück fiktionalen Edutainments verdient. Fiktionale Realität der besten Sorte ist auf dem Kulturkanal dann Mittwoch zu sehen, wo Nina Hoss in Thomas Arslans schwarzweißem Spätwestern „Gold“ so glaubhaft nach dem Edelmetall jagt, als seien beide einst in Klondike dabei gewesen.
Gelungen ist auch ein Film, der sich gar nicht um Bedeutsamkeit kümmert, sondern lieber ein skurriles Panoptikum Schweriner Plattenbaubewohner erschafft, mit Charly Hübner als scheuem Hausmeister, der sich am ARD-Freitag in „Anderst schön“ um Christina Große als spröde Ellen bemüht, was zeigt: Romantische Komödien brauchen keine hübschen Gesichter. Ebenso wenig, wie Weltsport in ARZDF übertragen werden muss, was hier eine gute Entscheidung ist. Denn die „Europa Spiele“ in der aserbaidschanischen Halbdiktatur sind so überflüssig, dass Sport1 die Farce ab Freitag überträgt.
Unter anderem Marathon. Wenn auch nicht mit dem „Marthon-Mann“ schlechthin – Dustin Hoffman als Nazi-Jäger, der Laurence Olivier 1976 in der „Wiederholung der Woche“ (Montag, 21 Uhr, Arte) als SS-Arzt auf die Spur kommt. Eine andere Spur wird 100 Minuten später im MDR gelegt, mit Manfred Krug als renitentem DDR-Bauarbeiter.
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