Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und den dabei den ambitionierten Bruch mit gängigen Sehgewohnheiten gefunden.

Die Berlinale ist ein Kinotreffen von Weltrang, das mit leichtem Hochmut herabsieht auf die Niederungen des Fernsehens. Genauer: herabsah. Denn die 65. Filmfestspiele von Berlin öffnen sich erstmals dem Bildschirm. In der Jury sitzt niemand Geringeres als Matthew Weiner, Erfinder der fabelhaften „Mad Men“ und Autor vieler Folgen der „Sopranos“. Walther Whites schmieriger Anwalt kriegt nach dem Ende von „Breaking Bad“ ein Prequel namens „Better call Saul“, das im Berliner Regelprogramm läuft. Ja, sogar die televisionäre Kreativitätsbrache Deutschland gebiert mit der ZDF-Krimiereihe „Blochin“ etwas Stilvolles und bietet dafür in Gestalt von Jürgen Vogel sogar ein cineastisches Schwergewicht auf.

Dramaturgische Revolution – unwahrscheinlich

Dieser ambitionierte Bruch gängiger Sehgewohnheiten könnte mit etwas gutem Willen also durchaus rechtfertigen, was diverse Flachpappen am Flatscreen nicht vermögen: 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen, die die Öffentlich-Rechtlichen dank der neuen Haushaltsabgabe bis 2017 generieren dürften. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass unser Leitmedium damit auch dramaturgisch revolutioniert wird wie in Amerika, Skandinavien, England, ach – eigentlich überall. Aber mit zu wenig Geld kann man sich von Mainz bis München nun irgendwie nicht mehr rausreden. Und es scheint ja auch sonst, dass die Zeichen der Zeit erkannt werden.

Seit Freitag zum Beispiel zeigt das ZDF alle sechs Folgen der gelungenen von Schirach-Verfilmung „Schuld“ mit Moritz Bleibtreu als Anwalt aberwitziger Strafrechtsfälle vorab in seiner Mediathek und riskiert damit reale Quotenverluste bei der TV-Ausstrahlung zwei Wochen später. Doch was heißt riskieren: Irgendwie will das Stammpublikum mit anspruchsvollen Formaten abseits vom „Tatort“ ja ohnehin nichts zu tun haben – sonst hätte die erste einigermaßen brüchige Kommissarin seit, ja, seit wann eigentlich?, nicht so wenig Zuschauer angelockt wie Melika Foroutan als Borderline-Ermittlerin Louise Boni Donnerstag im Ersten. Serienperspektive gescheitert, dürfte das wohl heißen, denn der Bergdoktor nebenan im Zweiten hatte locker die doppelte Zuschauerzahl. Wer nicht will, der hat offenbar schon.

Und kriegt eben weiter Schonkost à la „Tod eines Mädchens“. Der ZDF-Zweiteiler wartet am Montag und Mittwoch zwar wie gewohnt mit exponierter Darstellerriege von Auer bis Ferch und Schönemann bis Kling auf. Die zähe Lösung eines Mädchenmordes ist aber komplett von der britischen Serie „Broadchurch“ geklaut, die das jedoch tausendmal besser macht und dafür nicht mal schöne Schauspieler, sondern nur gute braucht.

Viel Oberfläche und wenig Tiefgang

Dass man auch in der Konstellation ansprechend unterhalten kann, hat die ARD zumindest mal in einem Fall verstanden. Zum Auftakt einer Reihe Romanadaptionen des österreichischen Autors Thomas Raab schickt sie am Donnerstag Willibald „Metzger und der Tote im Haifischbecken“ in die Primetime. Mit einem ermittelnden Restaurator in der alpinen Provinz, gespielt vom Wiener Kabarettisten Robert Palfrader, der auch nicht schön ist, aber brillant, was seine preisgekrönte Reihe ORF-Satire „Wir sind Kaiser“ verdeutlicht, die es hierzulande trotz beißend komischen Humors teils deutscher Gäste natürlich nur ab und an mal zu 3sat schafft.

Auf Pro7 schafft es hingegen naturgemäß das, was in Serie zuletzt etwas vernachlässigt wurde: Superhelden. Am Dienstag (20.15 Uhr) startet auf dem Kaugummikanal die Verfilmung des legendären DC-Comicstars „Roter Blitz“, der in den USA als „The Flash“ zum Straßenfeger wurde und das, wenig überraschend, mit viel Oberfläche und wenig Tiefgang. Doch, hey! – hier will ja niemand erklären, geschweige denn aufklären, hier geht es (wie im anschließenden Batman-Prequel „Gotham“) um nichts anderes als ein paar Stunden Kleinkind ohne Realitätsbezug zu sein. Also in etwa das, was bis zum Aschermittwoch noch karnevalistisch das Regelprogramm verunreinigt. Oder was „Germany’s Next Topmodel“ ab Donnerstag auf Pro7 wieder mit Frauen, pardon: Mädchen tut, die bereits zum 10. Mal zu sexistisch verwertbaren Zuchtstuten dressiert werden. Für Klamotten, deren Herkunft man sich so nebenbei am Freitag um 20.15 Uhr auf 3sat betrachten kann, wenn „Edelmarken zum Hungerlohn“ zeigt, wie widerliche die Welt des Glamours wirklich ist.

Tipps der Woche

Als Ablenkung taugen da nur die Tipps der Woche: In Farbe „Robert Altman’s Last Radio Show“, eine Ode an die Musik mit allem, was Hollywood kurz vorm Tod des Regisseurs 2006 zu bieten hatte (Dienstag, 22.25 Uhr, 3sat). Und in Schwarzweiß „Auf Liebe und Tod“, ebenfalls ein Letztwerk, allerdings von François Truffaut, der damit 1983 jenen Film Noir persiflierte, der ihn selbst zur Legende gemacht hatte.

Hier geht es zum Medienblog von Jan Freitag.

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