Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei geheuchelte Pietät und ein Stürmchen im Wasserglas gefunden.

Es ist schwer, leichte Worte über Medien zu finden in einer Gegenwart, die von ihnen auch in Ländern mit wahrhaftiger Pressefreiheit nicht mehr gefahrlos geschildert werden kann – und sei es mit dem arglosen Mittel des Humors. Noch schwerer ist es, in diesem Klima vom oft so banalen Fernsehen zu erzählen, das zwar seit Mittwoch ausgiebig zeigen mag, wie die „Charlie Hebdo“ ohne (Gottes-)Urteil von einer Bande selbstherrlicher Richter und Henker entvölkert wurde, ansonsten aber in Echtzeit zur Tagesordnung übergeht. Ein wenig leichter macht es einem da allenfalls Pegida.

Vernunft durch Hass ersetzt

Die Patriotischen Europäer gegen alle Intelligenz des Abendlandes werden wohl noch ein paar Tage Pietät heucheln, bevor sie den rassistischen Ton verschärfen. Zwischendurch aber wurde das xenophobe Pack ausgerechnet von denen, die in Dresden (und Allah sei Dank wirklich nur da) pauschal als „Lügenpresse“ beschimpft wird, an der ignoranten Nase rumgeführt: Der Postillon lancierte vorige Woche kurz vorm Marschbefehl, die Montagsdemo falle wegen Führungsstreitigkeiten aus. Das war, wie vernunftbegabte Leser wissen, ein Fake. Dummerweise haben Pegidisten (Pegidistinnen gibt’s kaum) mehrheitlich Vernunft durch Hass ersetzt, weshalb die kleine Satire große Wirkung im strammrechten Lager erzielte, was wirklich unterhaltsam war. Viele Beine auf der Straße heißt eben nicht, viele Hirnzellen in Betrieb.

Sexistische Kamerafahrt

Zwei Beine auf einem Sessel lösen dagegen auch dann ein Stürmchen im Wasserglas aus, wenn es wie bei der FDP nicht halb voll ist, sondern fast leer. Beim liberalen Dreikönigstreffen, trotz Bedeutungsarmut noch immer ein Topthema der „Tagesschau“, zoomte der Kameramann von den Füßen der Hamburger, äh, Spitzenkandidatin Katja Suding Richtung Minirock zum Kopf, was den Shitstorm nach sich zog, die Nachrichtensendung bebildere Seriöses sexistisch. Das tat sie tatsächlich – gab es doch nicht die geringste Metaebene der saftigen Pennälerperspektive.

Oder?

Na, unterstellen wir der ARD doch einfach mal, die jämmerlich leicht bekleideten Politikerinnenbeine nur gezeigt zu haben, weil sie die Inhaltslosigkeit liberaler Programmatik so gut verkörpern. Aber das wäre wohl zu wohlwollend. Wie die Annahme, das Erste übertrage ab 4. Juli nach langjähriger Dopingpause die „Tour de France“, da der Radsport nun sauberer sei. Oder wir unterstellen ihm, es wünsche Friedrich Mücke und Alina Levshin auf ihrem weiteren Weg wirklich alles Gute, nachdem die Ermittler des Erfurter „Tatort“ nach nur zwei Folgen entnervt von miesen Drehbüchern das Handtuch geworfen haben.

Potenzial, das Senderniveau zu übertreffen

Jedenfalls landen die zwei unterforderten Schauspieler nicht, wo sich die abrufbereite Leipziger Kollegin Thomalla bald finden könnte: Im Dschungelcamp. Das wird Freitag von elf internationalen Topstars wie Roberto Blancos Tochter, Heidi Klums Rolfe und Glückrads Maren Gilzer bezogen, während der „Bachelor“ zwei Tage zuvor schon mal die Bewohner 2016 castet. Ansonsten prägt RTL die neue Woche nicht nur durch verklappten Dünnpfiff.

Donnerstag (21.15 Uhr) startet die Serie „Männer!“, deren Titel drüber hinwegtäuscht, dass die Adaption der holländischen Idee einer WG dreier verlassener Kerle Potenzial hat, das Senderniveau zu übertreffen – auch wegen Hans-Jochen Wagner in der Hauptrolle. Dienstag startet die 4. Staffel von „Game of Thrones“, was nun wirklich nicht weiter kommentiert werden muss. Und parallel dazu darf man beim Partnerkanal Vox gespannt sein, ob Beyoncés Choreograf Dennis Jauch aus Brandschützern oder Köchen unterhaltsam Tänzer macht.

Ganz ohne Happyend

Weil letzteres aber doch eher fraglich ist, wenden wir uns den wichtigeren Dingen des TV-Lebens zu: Der „Story im Ersten“, die Montag (22.45) ein Exklusiv-Interview des NDR-Reporters John Goetz und seines dänischen Kollegen Poul-Erik Heilbuth Edward Snowden zeigt, was die ARD im Anschluss mit der Doku „Schlachtfeld Internet“ abrundet. Tags drauf lder sechsstündige Arte-Schwerpunkt zum 70. Jahrestag der läuft der Auschwitzbefreiung, aus dem „Night Will Fall“ um 21.45 Uhr heraus sticht: Alfred Hitchcocks teils ungezeigte Reportage über ein erlöstes KZ. Und einen Tag, nachdem Charlie Hebdo trotz des Anschlags am Mittwoch mit einer Million statt 60.000 Exemplaren erscheint, zeigt Arte die Serie „Paris“, ein bildgewaltiges Panoptikum um sechs scheinbar völlig verschiedene Charaktere der verwundeten, aber unverwüstlichen Stadt.

Ein fast verwüstetes Land zeigt der farbige „Tipp der Woche“ am Mittwoch um 22.15 Uhr auf Eins Plus: „This is England“, Shane Meadows furioser Spielfilm über das Abrutschen der Skinhead-Szene ins rechte Lager vor 30 Jahren. Der Schwarzweißtipp dann Sonntag auf Arte: „Lohn der Angst“ mit Yves Montand und Charles Varel, die 1953 eine Ladung Nitroglyzerin durch den venezuelanischen Dschungel karren, was – bis heute eine absolute Seltenheit – kein Happyend hat.

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