Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei Actioneinerlei und pathetische Stunden gefunden.
Das soll sie also gewesen sein – die Zukunft der Samstagabendshow? Zwei schmerzbefreite Adoleszenzverweigerer namens Joko & Klaas, die am Bildschirm tun, was sie dort seit jeher tun, nur diesmal zu jener mystischen Zeit, die Legenden wie Frankenfeld, Kulenkampff, Fuchsberger, Carrell oder Gottschalk bespielt haben? In „Mein bester Feind“ mussten zwar diesmal andere im Namen anderer die Schwanzvergleiche der zwei gescheitelten Nachwuchskräfte (zu denen man im hiesigen Fernsehen sogar dann zählt, wenn einen selbst die Jusos rauswerfen) durchstehen. Ansonsten war von der DSDS-Ästhetik bis zum Außenwetten-Aroma alles an dieser Rettungsaktion einer Institution so gebraucht, dass selbst die anstehende Wiederbelebung vom „Laufenden Band“ fast modern wirkt.
Das ändert aber nichts daran, dass Privatsender mit dieser Art Actioneinerlei das erreichen, wovon die Öffentlich-Rechtlichen nur träumen können: Junge Zuschauer. Das lässt sich nicht nur in Quoten ablesen, sondern mehr noch in Clicks. Allein bei Facebook haben Joko und Klaas 1.880.738 Fans. Das sind sogar 18.000 mehr als ihr Heimatsender Pro7, also knapp das Fünffache vom ZDF, das sich Samstag auch noch von den letzten Nutzern unter 65 verabschiedet, die dort mal etwas anderes als Champions League gucken.
Das letzte Lagerfeuer
Nun ist es natürlich nicht beklagenswert, dass der überforderte Markus Lanz nach nur 15 Ausgaben „Wetten, dass…?“ abtritt. Das Aus von Wolfgang Büchner am Donnerstag nach – wieder diese fatale Zahl – 15 Monaten als Chefredakteur des „Spiegel“, zeugt zwar von genereller Führungsschwäche in den Medien. Doch bedauerlich am Ende des Wettens ist ja weniger, dass damit nun wirklich das letzte Lagerfeuer jener langen Showhistorie erlischt, die 1958 mit Heinz Schenks „Zum Blauen Bock“ einen schunkelnden Anfang genommen hatte. Bedauerlich ist, dass da nie wieder was nachkommen wird. Kein Jokoklaas, kein Pilawa, kein Hirschhausen und schon gar kein neues „Wetten, dass…?“, wie dessen Erfinder Frank Elsner nicht müde wird, aus dem Altersteil pensionierter Showmaster zu raunen.
Also wollen wir Lanz zum Fest der Liebe ein zweites Mal seit seinem Debüt vor zwei Jahren etwas Wohlwollen schenken und setzen uns zu ihm auf die Couch. Bildlich gesehen. Denn nach dem Gesetz der Serie ist die zum elften Mal von Iris Berben, zum achten Mal von Boris Becker und zum siebten Mal von Udo Jürgens besetzt. Davor sorgen die Fantastischen Vier, Helene Fischer und Der Graf dafür, dass niemandem ohne Anspruch musikalisch wehgetan wird. Und nach zweieinhalb pathetisch überzogenen Stunden ist dann Schluss.
Perlen auf abseitigen Kanälen
Wobei Lanz einen Tag zuvor im „großen Wetten, dass…?-Spezial“ der Pro7-Pardisten „Switch Reloaded“ lernen könnte, wie man unterhaltsam moderiert, oder 100 Minuten nach seinem Abschied im Bericht über den Nürnberger CSU-Parteitag, wie man trotz aller Sauereien jahrzehntelang an der Spitze bleibt. Ein paar dieser Techniken sehen wir auch auf 3sat, das am Montag (20.15 Uhr) eine sensationelle Reise durch unsere Kultur der vergangenen 70 Jahre startet. Franz-Josef Strauß kommt in „Bewegte Republik Deutschland“ natürlich auch vor: Als erster Politiker im heimatfilmsedierten Nachkriegsland, der 1962 infolge der Spiegel-Affäre aus vom Ministeramt demonstriert wurde. Doch auch darüber hinaus sind die zwei Doppelfolgen (2. Teil: Mittwoch) ihr Gebührengeld wert.
Solange man sie an ein paar weitere Perlen auf den abseitigen Kanälen reiht: Bjarne Mädel, der Mittwoch (22 Uhr) im NDR wieder den Tatort reinigt. Jeffrey Schwarz, dessen famoses Porträt „I Am Divine“ zwei Stunden vorher auf EinsFestival die Story der schwergewichtigen Drag Queen erzählt. „Auf dem Weg nach Oregon“, das Montag um 21.55 Uhr beweist, wie man auch heute noch gute Western dreht. Und kurz darauf (22.45 Uhr) wagt sich sogar das Erste mal auf riskantes Terrain, wenn Vanessa Lapas Dokumentation „Der Anständige“ Heinrich Himmler porträtiert – aus Sicht des Menschheitsverbrechers!
Fiktional hat die Woche dagegen eher wenig zu bieten. Immerhin sorgt das Serienwesen mit bemerkenswerten Gaststars für Aufsehen. Montag bereichert das brillante Duo Flight oft the Concords die „Simpsons“, und am Dienstag (ARD) die aberwitzige Fake-Band Fraktus „Mord mit Aussicht“. Alles andere an Filmen ist dagegen alt genug für den „Tipp der Woche“: (ursprünglich) Schwarzweiß läuft Erol Flynn am Montag um 20.15 Uhr als „Robin Hood“ in Strumpfhosen von 1938 durch die Arte-Primetime, (ursprünglich) in Farbe ist Donnerstag (22.25 Uhr, 3sat) das Traumpaar Michel Piccoli und Romy Schneider in Claude Sautes Liebesdrama „Die Dinge des Lebens“ von 1970 zu sehen.
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