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Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei Rollenklischees und ein Glanzstück geschichtlichen Entertainments gefunden.

Nein, die Woche, die war, war nicht grad die Woche der Wahrheit, bekanntlich das erste Opfer des Kriegs. Zunächst stellte das Erste im Rahmen von Günther Jauchs Talkshow zwar allerlei kluge Fragen an Wladimir Putin, der seine eigentümliche Sicht der Weltdinge allerdings nahezu unwidersprochen absondern durfte. Dann ging sein Propagandakanal „Russia Today“ als „TD-deutsch“ online, was der Wahrheitsfindung über humanistisch gesinnte Rotarmisten im Kampf gegen ukrainische Faschisten endlich auch hierzulande Vorschub leistet. Und zwischendurch erschien ein Youtube-Video, das die Rettung eines syrischen Mädchens unter Assads Scharfschützenbeschuss zeigt, was sich jedoch als Fake entpuppte, inszeniert von einem Norweger in Malta, der damit aufs weltweite Los armer Kinder aufmerksam machen wolle.

Na wenigstens beweist das Unterhaltungsprogramm seine unverbrüchliche Liebe zur Wahrhaftigkeit. Das lässt sich wunderbar an der Fernsehwerbung ablesen, wo ungeachtet von Emanzipation, Bildung, Intelligenz und ähnlich lästigen Hindernissen maskuliner Wesensentfaltung unverdrossen Frauen die Wäsche machen, während Männer mit Buddys Bier trinken und rohes Fleisch äsen. Neokonservatismus der Woche: In Spots von Obi über Check 24 bis Media Markt dekorieren sich unansehnliche Kraftprotze mit blutjungen Models, die sich ums Make-up kümmern, während ihre Göttergatten nach der Jagd am Blockhaus zimmern.

Fernsehen für eine bessere Welt

Und so einen rückständigen Mist sehen sich dann bis zu 87 Prozent aller Europäer an, die laut einer Studie täglich fernsehen (wenn auch nicht mehr auf Apparaten der Marke Metz, der Mittwoch als letzter deutscher Hersteller nach Grundig oder Nordmende Insolvenz angemeldet hat). Das haben die Vereinten Nationen zu einem wiederkehrenden Ereignis am vorigen Freitag ermittelt: Den Weltfernsehtag, an dem die UNO seit 1996 „eine bessere Welt gestalten“ will.

Das unterscheidet die Weltregierung zwar meist von denen, die diesem Ziel das entsprechende Programm beisteuern. Doch mitunter decken sich Anspruch und Wirklichkeit auf fast gespenstische Weise. Heute zum Bespiel zeigt das ZDF, was es gefühlt tausendmal gezeigt hat: akribisch kostümiertes Historytainment zu irgendwas mit Hitler. Doch die kammerspielartige Sachbuchverfilmung „Das Zeugenhaus“ tut dies auf fabelhafte, vor allem fabelhaft dezente Art.Und das liegt nicht nur an den grandiosen Darstellern von Matthias Brandt über Rosalie Thomass und Iris Berben bis Edgar Selge, sondern daran, wie aberwitzig die Wirklichkeit dahinter ist: In so einer Villa wurden 1945 Zeugen von Anklage und Verteidigung der Nürnberger Prozesse einquartiert, also Opfer wie Täter. Heraus kommt ist ein Glanzstück geschichtlichen Entertainments.

Weniger ratsame Musik

Das gibt es zeitgleich auf Arte gleich mehrfach zu bestaunen. Im Rahmen seines Filmfestivals (das praktisch jeden Abend dieser Woche vorbehaltlos zu empfehlen ist) läuft da um 20.15 Uhr das ukrainische Melodram „Verwundete Erde“ über ein Liebespaar, das die Atomkatastrophe von Tschernobyl schicksalhaft verbindet und trennt. Dicht gefolgt vom deutsch-französischen Drama „Captive“, das ebenfalls nach realen Motiven die Entführung einer Entwicklungshelferin auf den Philippinen fiktionalisiert. Gänzlich irreal, dafür wunderbar irre ist die TV-Premiere des Horrorfilms „Excision“ (Freitag, 23.05 Uhr, 3sat), der augenscheinlich ein blutiger Vorstadttrip des Außenseiters Pauline ist. Dahinter steckt allerdings ein groteskes, aber kluges Drama übers Pubertieren. Mit Ex-Pornostar Traci Lords als Mutter.

Was sonst in der Woche steckt? Neben dem zweiten Teil der grandiosen Krimireihe „München Mord“ am Samstag im ZDF vor allem: Musik. Weniger ratsame wie bei Markus Lanz, der Grönemeyers neuem Album Dienstag (22.45 Uhr) eine zweistündige Dauerwerbesendung schenkt. Eher ratsame wie „Mumford & Sons in Concert“, der die Neofolkband auf Tour begleitet und zeigt, woher ihr unfassbarer Erfolg rührt. Sehr ratsame wie „Sound of Heimat“, der den neuseeländischen Saxofonisten Hayden Chisholm 30 Minuten später im WDR auf skurrile Reise durch Deutschlands Volksklänge schickt.

So richtig ratsam ist dann auch der schwarz-weiße „Tipp der Woche“: 1925 begab sich die US-Dokumentation „Moana“ (Montag, 0:00 Uhr, Arte) auf die Spur samoanischer Riten und Gebräuche, was 90 Jahre später wie eine Überdosis psychoaktiver Substanzen wirkt – und damit dem farbigen Wochentipp recht nahe kommt: „Sons of Norway“ (Freitag, 20.15 Uhr, EinsFestival), wo der norwegische Hippiesohn Nikolaj nach erstmaligem Hören der Sex Pistols unbedingt Punk werden will.

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