Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei Anspruchslosigkeit und einige Perlen im Spätabendprogramm gefunden.
Na-Nu, Na-Nu. Es waren vier Silben voll kindlicher Anmut und ehrlichem Erstaunen, die Robin Williams 1978 berühmt machten. Worte einer skurrilen Serienphantasie in bunt geringelten Hochwasserhosen, denen sich im System dreier Fernsehkanäle kaum wer entziehen konnte. In Mork von Orks striktem Bemühen, die Unterhaltungsindustrie durch bescheidenen Feinsinn zu unterwandern, waren die außerirdischen Kunstbegriffe von so simpler Schönheit, dass die zynische Berechnung des orchestrierten Irrsinns ringsum ein wenig erträglicher wurde.
Jetzt sind sie endgültig verklungen – auch wenn „Mork vom Ork“ auf den billigen Abspielkanälen der RTL- und Sat1-Gruppe nun aufgebrüht werden dürfte wie die anderen mehr oder wenigen großen Episoden im Schaffen des notorischsten Kindes der fiktionalen Erwachsenenwelt. Robin Williams ist tot, freiwillig – so scheint es – aus dem Leben gegangen, nachdem es von Drogen, Angst und Missverständnissen ebenso geprägt war wie von grandiosen Filmrollen. Mit ihm ist ein weiterer Vertreter jener seltenen Spezies Darsteller der alten Schule gegangen, für die ihr Medium mehr war als Spielfeld. Nämlich Ausdruck von Haltung. Bedeutung. Einer Mission, dem Kalkül der Unterhaltungsindustrie wie in Williams Hochphase zur Präsidentschaft Ronald Reagans etwas Herzenswärme entgegenzusetzen.
Klicks und Quote statt Anspruch
Womit wir auf der bösen Seite der Macht wären, wo der kalt kalkulierende Vorstandschef Thomas Ebeling die keimfreien Sender seiner Pro Sieben Sat.1 Media AG zur hirntoten Sterilität gemanagt hat. Eben dafür aber genehmigt er sich nun 23,4 Millionen Euro Bonus, was sich nicht mal die meisten Dax-Bosse auszuzahlen trauen. Zumal die Erfolgszulage ignoriert vollends, dass Ebelings Programm seit seinem Antritt 2009 mehr denn je reines Werbeumfeld ist. In dieses Kalkül passt ein unaufdringlich grandioser Bastian Pastewka weit weniger als die selbstgefällig überdrehten Joko und Klaas. Es geht um Klicks und Quote, nie um Inhalt, gar Anspruch.
Da die Öffentlich-Rechtlichen in dem Rattenrennen um Aufmerksamkeit längst Tuchfühlung aufgenommen haben, ist es eine Nachricht von großer dialektischer Tiefe, dass Alexander Bommes gerade befördert wurde. Der fast schmerzhaft sympathische Ex-Handballer moderiert in der ARD fortan alles an erster Stelle, was mit Spitzenfußball zu tun hat. Dabei ist Bommes eigentlich zu wenig opdenhövelsch auswendigspontan, zu wenig popstaatsmännisch beckmannesk für solche Hochämter. Aber er ist eben auf Dauer auch zu kompetent für die geriatrische Quizgeisterbahn der Dritten Programme.
Jene Einbahnstraße, in die auch Jörg Pilawa einst unfreiwillig geriet. Ebenso eloquent, aufgeweckt, freundlich und klug wie Bommes, galt der Hamburger ja auch mal als Talent für größere Aufgaben. Nun vergeudet er es für Formate wie „Quizonkel.TV“, dessen Innovation sich Donnerstag im Ersten darin erschöpft, dass die acht Promis darin eigenes Geld für gute Zwecke verspielen – wobei es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn die nicht wieder was mit Kindern zu tun haben.
Zu später Stunde
Weil die Primetime mit Konsensformaten für Anspruchsreduzierte verstopft ist, muss man für wahrhaft Sehenswertes also länger aufbleiben. Dienstag um 22.45 Uhr läuft zum Beispiel „Glück“, Doris Dörries’ Adaption von Ferdinand von Schirachs Bestseller über den Obdachlosen Kalle (Vinzenz Kiefer), der sich in eine osteuropäische Prostituierte verliebt. Die ausgewogene Balance zwischen Rührung und Realismus kippte dem ZDF wohl doch zu arg in letzteren, um eine publikumsfreundliche Sendezeit freizuräumen. „Wir wollen aufs Meer“, Toke Christian Hebbelns DDR-Drama dreier Freunde (Ronald Zehrfeld, August Diehl, Alexander Fehling), die ihr Fernweh bei der Handelsmarine lindern wollen und vom Warten ernüchtert der Stasi beitreten, passt eigentlich perfekt auf die 20.15 im Ersten, läuft aber zweieinhalb Stunden später.
So wie tags drauf die wichtige Doku „Wem gehört die Stadt“. Wer begreifen will, wie Profitinteressen Lebensräume à la Berlin ungeachtet aller Wünsche seiner Bewohner umgestalten, muss die zwei Serien zuvor abwarten. Noch länger wach halten sollten sich Fans vom gefilmten Fußballmagazin „11 Freunde“. Zwei Tage vorm Bundesligaauftakt Wolfsburgs in München zeigt RBB ab Mittwoch jeden Monat die Randaspekte des Milliardengeschäfts um elf Uhr nachts. Dafür läuft der „Tipp der Woche“ am heutigen Montag gleich nach der „Tagesschau“ im BR: „Münchner Geschichten“ des unreifen Schlawiners Tscharlie. Gedreht von einem Regisseur, den 1974 kaum einer kannte: Helmut Dietl.
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