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„An die Alster, fertig, los!“

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Camilla Lindner
@CamillaLindner

Redakteurin | Studentin der Anglistik und Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: lindner@hh-mittendrin.de

Rund um die Außenalster trifft man sie: Die Alsterjoggingspezies. Sie überholt den Homo Sapiens in grellem Sportoutfit. Woran man sie noch so erkennt und wann man ihr entgehen kann, lest ihr hier.

Hinter mir höre ich ihn schon, schnaufend und scharrend kommt er immer näher und überholt mich. Nur einen Zentimeter ist sein Ellenbogen von meinem Oberarm entfernt. „Toll gemacht“, denke ich mir und rolle innerlich mit den Augen. Eigentlich wollte ich nur mal wieder eine entspannte Runde um die Alster joggen. Das kann ich hier aber vergessen. Denn an der Hamburger Außenalster trifft man auf die „Alsterjogger“, eine ganz besondere Spezies. Kennt ihr noch nicht? Gar kein Problem. Setzt euch einfach auf eine Bank an der Außenalster, wartet kurz und schon werdet ihr sie entdecken.

Merkmale

Diese Spezies ist von ganz greller Natur. Man erkennt sie meist an den leuchtenden Sportschuhen, bevorzugt in den Farben neongrün oder neonpink. Meist trägt das Männchen eher die grüne, das Weibchen die pinke Sorte. Die Alsterjoggingspezies ist von eitler Natur. Deshalb kombiniert er oder sie gerne die grellbunten Schuhe mit einem Oberteil in derselben Farbe. Das meist schwarze Unterteil sitzt eng und zeigt so bei jeder Bewegung den starken Musculus. Die Alsterjoggingspezies ist schnell. Sie überholt fast jeden grauen Homo Sapiens und hinterlässt meist nur eine Duftwolke. Der Gesichtsausdruck ist bei der männlichen Spezies meist hart, fast schon grimmig. Das Weibchen hingegen zeigt eine Art Lächeln, welches durch den rosa Lippenstift gut zu erkennen ist. Manchmal sieht man die Spezies auch mit ihren Nachkommen. Diese werden lässig in einem Rollwagen vorweg geschoben.

Laufsteg & Partnerbörse

Beim Joggen um die Alster geht es um Sehen und Gesehen werden. Es ist der Laufsteg für die einen, die Partnerbörse für die anderen. Entspannt lässt es sich wohl eher nicht laufen, denn hier geht es noch um richtigen Sport mit Durchhaltevermögen und Schnelligkeit. Das Ziel: Erfolg im Sinne weniger Zeitminuten. Deshalb misst man den Puls, schaut ständig auf die Uhr oder läuft mit Chip, der an Messstationen die Zeit erfasst. Manch einer versucht sich mit Musik in Trance zu versetzen, um die Runde zu schaffen. Sport zur Entspannung kann man das dann wohl nicht mehr nennen. Während die Touristen durch ihre Kameras die Alster bestaunen, joggen die Alsterjoggingprofis an ihnen vorbei. Pfff, die Alster haben sie schon so oft gesehen. Ihre Augen blicken starr geradeaus. Während der Ottonormalverbraucher wie ich gerade mal die Hälfte der knapp acht Kilometer geschafft hat, haben die Profis die Alster schon zwei mal umrundet.

Mal ehrlich…

Nun mal ehrlich. Ich finde es ja schön, dass Menschen sich sportlich bewegen. Aber so unentspannt und grimmig können sie auch in der Muckibude ihre Trizeps formen. Wenn ich Joggen gehe, will ich abschalten und nicht schon wieder mit Alltagsgedöns konfrontiert werde á la  „härter, besser, schneller, stärker“. Ich möchte auch nicht direkt vor der Kilometertafel von einem männlichen Läufer mit einem „Hallo, wie viele Kilometer hat die Stecke denn?“ angesäuselt werden. Eigentlich will ich nur abschalten, so schnell oder langsam laufen, wie ich Lust habe, die Aussicht genießen und  – ja, okay – auch ein wenig Alsterjoggingspezies gucken.

Wem es genau so geht wie mir oder wer einfach mal um die Alster spazieren gehen möchte (ja, das kann man auch noch machen), dem empfehle ich dies zu folgenden Zeiten zu tun:

An Regentagen: Da bleibt die Spezies zu Hause und macht Liegestütze. Der Regen würde schließlich nur die Frisur kaputt machen.

Unter der Woche spät Abends ab 20.30 Uhr: Da ist die Spezies schon zu Hause und hält ihren Schönheitsschlaf.

Im Winter: Da müsste sie lange Hosen, Mütze und Handschuhe anziehen- sieht nicht schön aus!

… oder an WM- Tagen. Wenn Deutschland spielt, joggen nur wenige ums Wasser.

Foto: Tobias Johanning

Kommentare anzeigen (3)

3 Kommentare

  1. Andreas

    24. Juni 2014 at 15:17

    Nana, da wirfst du aber was durcheinander: Diejenigen, die schnell (ernsthaft) laufen, sind eben gerade die die auch im Winter und bei regen anzutreffen sind. Aus meiner Sicht sind doch die Hobbyläufer das Poser-Volk, die im Sommer die ganze Strecke bevölkern und im Winter frage ich mich immer: Wo sind die alle???

    Das Abschalten funktioniert übrigens auch erst ab einer gewissen Erschöpfung. Das ist ein bisschen wie Drogen – man braucht immer stärkere Dosen um den Effekt zu erzielen.

    Ach: Und Laufen und Krafttraining im Studio sind ja wohl so ziemlich das Gegenteil 😉

    So, das musste raus 😛

    Herzlichst,
    Andreas

    Alsterjogger, jedoch meist im Freiwildgehege „Stadtpark“ anzutreffen 😉

    • Hans

      24. Juni 2014 at 16:17

      Diese Jogger haben einen der schönsten orte der Stadt zerstört. Früher war die alster ein ort der ruhe und Entspannung inmitten der Stadt, heute ist es eben laufsteg und sporthalle

      • Andreas

        25. Juni 2014 at 08:00

        Ich finde die Jogger- oder oftmals allgemein Sportlerfeindlichkeit in Städten schlimm. Ich komme ja ursprünglich vom Land und da guckte mich keiner dumm an, wenn ich in Feldern oder Wald laufen gehe. Nun, die Felder und Wälder von Städten sind nunmal Orte wie die Alster oder der Stadtpark, wo (in hamburg zum Glück) noch nicht jeder Weg asphaltiert ist und man alle 50m durch eine Ampel behindert wird. Und nein, Distanzen über einer gewissen Strecke sollte man eben nicht mehr („geht doch) auf einem Sportplatz laufen(„). Also bitte keine Sportler, wenn ich mit 10 Mann nebeneinander auf einem Weg stehen will, aber alle vier Jahre darüber meckern, dass „die Deutschen“ so schlecht bei Olympia sind…

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