Es war so weit. Es hat geklappt. Und irgendwie auch nicht. Am Donnerstag konnte beim „Quizduell“ nach zehn Tagen Leerlauf endlich per App gerätselt werden. Doch kaum ging es mit der Interaktivität aufwärts, rauscht die Quote in den Keller. Mit 900.000 Zuschauern, davon nur jeder sechste unter 50, hatte die „Revolution“ weniger als ein Fünfzehntel des DFB-Pokalfinales am Samstag zuvor. Ist aber auch ein fieser Vergleich. Fairer wäre der zur „Wahlarena“ zwischen Martin Schulz und Jean-Claude Juncker an gleicher Stelle, die zwar ein paar mehr hatte als Pilawas Ratespiel, aber nicht mal die Hälfte der Nonnenölung „Um Himmels Willen“ zuvor. Kicken und Klöster ziehen halt blendend. Casting dagegen nicht mehr so dolle – sogar beim Plastikkanal Pro7, wo das Wettsingen „Keep Your Light Shining“ voll abschmierte. Die moderierende Barbiepuppe Annica Hansen war offenbar selbst Intensivnutzern zu dämlich.
Künstlichkeit als Kunstform
Dass derlei Phrasenmiezen überhaupt einen Platz im Fernsehen haben, liegt auch an Männern wie Andreas Bartl. Als Pro7-Programmchef hat er jahrelang Künstlichkeit als Kunstform verkauft; nun wechselt er zur Konkurrenz. Und die Sprache, in der sein neuer Arbeitgeber das verkündet hat, war wie immer von Heuchelei in Worthülsen wie „neue Herausforderung“ oder „große Vorfreude“ geprägt. Wenn der Kirmesverkäufer Bartl nach zwei Jahren Selbstständigkeit also betont, wie dufte es sei, „diesen immer wieder innovativen und gut positionierten TV-Sender zu führen“ wäre das schon bei Pro7 eine lächerliche Selbstentlarvung. Aber mal ernsthaft – bei RTL2, wo der leicht seifige Medienunternehmer künftig die Geschäfte führt?
An einem Montag etwa laufen nach der Dokusoap „Frauentausch“ um neun, neun Dokusoaps am Stück, bis um 20 Uhr die Karikatur einer Nachrichtensendung gen Mitternacht vier weitere Dokusoaps einleitet, von der keine mit der Realität auch nur entfernt zu tun hat, aber permanent so tut. Echt innovativ, Herr Bartl! Verglichen damit gerät der Mumpitz des Muttersenders mit der überdrehten Rückschau „I like the 90’s“ (Donnertag) oder dem Finale von „Let’s Dance“ tags drauf fast unterhaltsam.
Natürlich längst nicht so sehr wie „Die Anstalt“ im ZDF, die Dienstagabend in die Sommerpause geht. Oder der unvergleichliche Hinnerk Schönemann als Privatdetektiv Finn Zehender, der es Montagabend im neuen ZDF-Nordseekrimi „Aschberg“ wieder mit Provinzmorden, mehr aber noch mit einem grandiosen Drehbuch zu tun kriegt. Da paaren sich anarchischer Witz mit einer spannenden Geschichte in einer Weise, die sich Fernsehen auf dem Sendeplatz nur selten traut. Dort regiert eher historisches Entertainment der Art von „Clara Immerwahr“ am Mittwoch im Ersten. Dabei ist es fraglos solide inszeniert, wie Katharina Schüttler als brillante Chemikerin daran zerbricht, dass sie ihr herrischer Gatte Otto Hahn nicht nur zur Hausfrau degradiert, sondern dem Giftgaseinsatz im 1. Weltkrieg den Weg bereitet. Doch dramaturgisch bleibt es eben typisch Biopic mit etwas viel Pathos und etwas wenig Wagemut.
Ohne Seife, aber mit Wagemut
Den kann man dagegen zwei gelungenen Dokus (ohne Seife dran) attestieren: „Die Vatikanverschwörung“, die am Montag um 22.45 Uhr im ZDF den Machenschaften einer Sekte namens Katholische Kirche auf den Grund geht, der nach geltendem Recht ein Verfahren als kriminelle Vereinigung drohen müsste. Und Mittwoch, zur besten Sendezeit auf dem ZDF-Ableger -Kultur: „Punk im Dschungel“ über die schwäbische Band Cluster Bomb Unit, der auf ihrer Tour durch Indonesien Erstaunliches widerfährt. Nicht ganz so erstaunlich ist das, was Himmelfahrt passiert. Da sondern die Sender ihre üblichen Blockbuster und Quizshows ab, nur eben ganztägig. Aus dem Rahmen fällt dabei jedoch die Fortsetzung der britischen Reihe „Sherlock“, wo Benedict Cumberbatch als modernisierter Detektiv endlich von den Toten aufersteht.
Zu den Toten gesellen sich am Freitag dagegen (vorläufig) die zwei Neuen vom „Fall für zwei“, der sich allerdings als fortsetzungsfähig erwiesen hat. Ob es für 30 Jahre wie beim Vorgänger Matula reicht, sei mal dahingestellt; für die Lebensdauer eines Tatort-Ermittlers könnte es aber reichen. Apropos: Der macht Sonntag für ein Fußballländerspiel Pause, womit abermals die Verlogenheit belegt wäre, mit der das Erste jede Art Innovation zu erträglicher Sendezeit unterm Verweis auf verlässliche Programmstrukturen abbügelt. Wenigstens ist auf den „Tipp der Woche“ Verlass: Akira Kurosawas King Lear auf Japanisch „Ran“ von 1985, Mittwoch auf Servus, leider erst nach Mitternacht.
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