Auf und davon: Unsere Redakteurin Carolin Wendt hat den Bezirk, die Stadt und Deutschland hinter sich gelassen und entdeckt gerade Israel. Auf ihrem Blog schreibt sie über ihre Erlebnisse. Heute vermisst sie die deutschen Osterbräuche etwas und ist fasziniert vom lebendigen Leben in Jerusalem.
Hier ist was los: Seit Tagen gibt es kein Brot mehr zu kaufen. Der Park nebenan ist unter einer Dunstwolke verschwunden, weil ganz Jerusalem grillt, in den engen Gassen des Altstadt-Labyrinths tummeln sich Christen und tragen Kreuze. In der Neustadt wird bei 30 Grad flaniert und im Café getrunken – es ist Karfreitag.
Matza und Grillfleisch statt Brötchen
Vor vier Tagen hat Pessach angefangen und damit die brotlose Woche. In den Supermärkten ist die Hälfte der Regale abgehängt, weil bestimmte Lebensmittel während Pessach nicht verkauft werden dürfen. Mit Pessach erinnern die Juden an den Auszug aus Ägypten, der auch in der Bibel Erwähnung findet. Sie hatten auf ihrem Weg über den Sinai am Anfang kein Brot zum Essen, da sie in aller Eile geflohen sind. Deshalb sind alle Lebensmittel, die Weizen, Gerste, Hafer, Dinkel oder Roggen enthalten und die längere Zeit mit Flüssigkeiten in Kontakt gekommen sind, nicht erlaubt. Chametz werden diese Lebensmittel genannt, auch Bier gehört dazu. Sie werden weder verkauft, noch dürfen sie gegessen werden oder sich im Haus befinden. Die Gelegenheit also aufzuräumen und Bett und Fußboden zu entkrümeln -oder das Gefrierfach auszunutzen und sich mit Brötchen für die nächste Woche einzudecken, so wie wir.
Stattdessen wird Matza gegessen, das so etwas wie eine Din A4 große, dicke Knäckebrotscheibe ist. Letzten Montag, als wir auf unserem Minibalkon gefrühstückt haben, haben unsere Nachbarn draußen ihr restliches Brot verbrannt. Am Montagabend saßen wir dann an einem Tisch mit Tzachs Familie. Eine Stunde lang wurden abwechselnd Verse zum Auszug aus Ägypten vorgelesen und zwischendrin ab und an Wein, ein Ei, Petersilie oder Matza gegessen. Seit Montag hat halb Israel frei oder arbeitet nur halbtags. Selten habe ich so viele Familien mit so vielen Kindern auf den Straßen gesehen. Gestern wollte ich in dem Park nebenan laufen. Ein Fehler, der Park und die Wege sind übersät mit grillenden Familien, ihrem Müll und Fahrrad fahrenden Kindern.
Zwei Welten nahe beieinander
Lange bevor sie in den verwinkelten Straßen der Altstadt zu sehen sind, sind sie zu hören: Ein Chor aus Männerstimmen. Die Stimmen werden lauter, die Männer und Frauen erkennbar. Fast alle tragen Holzkreuze unterschiedlicher Größe. Die Männer mit schwarzen Haaren und dunklen Augen gehen vorneweg, hinter ihnen die Frauen, meist mit Kopftuch. Eine alte Frau trägt ein Gewand, deren Muster an eine DDR-Küchenschürze erinnert. Während alle anderen singen, drückt sie ihr kleines Holzkreuz an die Brust und Tränen kullern über ihr runzliges, rundes Gesicht. Der Weg, den Jesus mit seinem Kreuz vor seiner Kreuzigung begangen hat, ist heute mit Christen aus aller Welt gefüllt: Einige sprechen Italienisch, Deutsch oder Russisch. Sie alle sind auf dem Weg zu Jesus Grabeskirche, in der israelische Polizisten versuchen, die Massen zu lenken und zu bändigen.
Das faszinierende an dieser Stadt ist, dass einen Kilometer weiter von der Spiritualität und der Atmosphäre in der Altstadt oder in dem überfüllten Park nichts mehr zu spüren ist. In der Neustadt trinken Familien, Freunde und Paare bei Sonnenschein Kaffee und Karottensaft und drängen sich auf dem Markt, um Einkäufe für die nächsten Tage zu erledigen. Und da auch Kuchen und Gebäck aus Mehl nicht erlaubt sind, gibt es auf dem Markt Makronen in allen Variationen für drei Euro pro Kilo. Unsere Kombination aus einem Hasen und bemalten Eiern stößt hier auf Erstaunen und Unverständnis – ich vermiss sie ein wenig. Frohe Ostern!
Ihr habt den Anfang von Caros Reise verpasst? Hier könnt ihr nachlesen, was sie bisher erlebt hat.
Hier geht´s zu Caros Blog.
Foto: Carolin Wendt
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