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Kommentar: Verfassungsgericht kippt Drei-Prozent-Hürde

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am vergangenen Dienstag hat das Hamburgische Verfassungsgericht die bisher geltende Drei-Prozent-Sperrklausel bei Wahlen zur Bezirksversammlung für ungültig erklärt. Ein großer Aufschrei ging durch Medien und Politik. Splitterparteien würden nun die Bezirksversammlungen handlungsunfähig machen und extremistische Gruppierungen der bezirklichen Demokratie den Todesstoß versetzen. So mancher schreckte nicht davor zurück, den Vergleich mit den letzten Jahren der Weimarer Republik zu wagen. Diese Reaktionen übertreiben die Auswirkungen des Richterspruches. Statt die Bezirksversammlungen in ihrer Existenz zu gefährden, könnte das Urteil vielmehr die Demokratie auf der kommunalen Ebene bereichern.

Bei der Betrachtung der letzten Wahlergebnisse im Bezirk Hamburg-Mitte zeigt sich schnell, dass von einer Zersplitterung der Bezirksversammlung ohne die Drei-Prozent-Hürde keine Rede sein kann. Die Piratenpartei schaffte den Sprung in das Parlament mit viel Luft zur Messlatte von drei Prozent. Trotz bestehender Hürde zog also eine weitere Partei in das Bezirksparlament ein. Die neue Fraktion hat im vergangenen Jahr kaum dazu beigetragen die Arbeit in der Bezirksversammlung zu erschweren. Vielmehr hat sich die Anwesenheit der Piraten als Bereicherung für die politische Debatte herausgestellt. In den konsensgeprägten Diskussionen der Bezirkspolitik muss allzu oft der Unterschied zwischen den Fraktionen genauestens gesucht und herausgestellt werden. Die Piraten haben hier durch offene und in der Regel unverblümte Kritik den politischen Schlagabtausch spannender gemacht und mit neuen, teils unkonventionellen Ideen den Prozess der Willensbildung bereichert. In vielen Punkten haben aber auch die Piraten gemeinsam mit den etablierten Fraktionen gestimmt. Die Arbeit der Bezirksversammlung erschwert haben sie nicht.

Ohne eine Drei-Prozent-Hürde wäre bei den letzten Wahlen zusätzlich zu den Piraten eine weitere Partei in die Bezirksversammlung eingezogen. Die NPD hätte ein Mandat erhalten. Es ist unbestritten, dass die rechtsextreme Partei in keinem demokratischen Parlament gerne gesehen ist. Das Ende der Demokratie hätte ein NPD-Abgeordneter jedoch kaum eingeläutet. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die demokratischen Parteien mit allen Mitteln der wehrhaften Demokratie gegen den braunen Mandatsträger gearbeitet hätten, wie dies in anderen Parlamenten bereits erfolgreich praktiziert wird. Zudem wäre der Einfluss eines einzelnen NPD-Abgeordneten, der nicht einmal den Status einer Fraktion gehabt hätte, als äußerst gering zu beurteilen gewesen.

Die Zusammensetzung der Bezirksversammlung wird sich somit bei den nächsten Wahlen ohne Drei-Prozent-Hürde nicht wesentlich von der jetzigen unterscheiden. Sollten weitere demokratische Parteien den Einzug in das Parlament schaffen, werden diese ähnlich den Piraten eine Bereicherung für die politische Debatte sein. Eine stärker politisierte Bezirksversammlung könnte dann auch mehr Bürgerinnen und Bürger für kommunale Politik begeistern und die Stellung der Bezirksversammlungen aufwerten. Die Sorge vor Zersplitterung und Arbeitsunfähigkeit ist unbegründet.

Extremistische Parteien, wie die NPD, könnten es durch den Wegfall der Sperrklausel zukünftig sogar noch schwerer haben. Bei gezielter Information der Wählerinnen und Wähler über den Nutzen von Nichtwählern für radikale Parteien, könnte die Wahlbeteiligung steigen. Die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger wird sich dabei für demokratische Parteien entscheiden. Der Wegfall der Drei-Prozent-Hürde macht somit unter Umständen den Einzug extremistischer Parteien in die Bezirksversammlungen nicht einfacher, sondern erschwert diesen. Zusätzlich steigert eine höhere Wahlbeteiligung die Bedeutung der Bezirkspolitik. Sollten extremistische Parteien Mandate erhalten, so ist deren Einfluss begrenzt und die Demokratie in Hamburg stark genug damit fertig zu werden.

Die Hamburger Bezirke sollten das Urteil des Verfassungsgerichtes daher als Chance begreifen, die Bedeutung der Bezirksversammlung zu steigern. Unter diesen Bedingungen werden Eingriffe der Landespolitik in die Bezirke schwerer zu rechtfertigen. Für die Bezirksversammlungen kann das ein weiterer Schritt hin zu einer vielfach geforderten vollwertigen kommunalen Volksvertretung sein.

Zum Artikel: Verfassungsgericht kippt Drei-Prozent-Hürde bei Bezirkswahlen

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