Dumpf dröhnt der Bass aus den Boxen, die aus allen vier Ecken die Halle mit lauter Musik beschallen. Das Donnern der Musik vermischt sich mit den schleifenden Klängen der Rollen, die über den Hallenboden gleiten. Zehn junge Frauen jagen um das ovale Spielfeld. Die eine Hälfte der Spielerinnen trägt schwarze Trikots. Auf dem Rücken stehen ihre Kampfnamen: „Spooky Spiky“ oder „Hater Skater“. Vorn prangt über einem roten Stern ein verschnörkelter Anker, gleich darüber eine Frau in knallrotem Kleid und an den Füßen farblich passende Rollschuhe. Darüber weht das Banner des Vereins: „Harbor Girls“.
Dicht aneinander gedrängt rauschen die Spielerinnen der „Harbor Girls“ und ihrer Gegner von „Brockcity Rollerderby“ aus Ludwigsburg an den fünfhundert Zuschauern vorbei, die an diesem Abend in die Sporthalle des Christianeums Othmarschen gekommen sind. Runde um Runde kämpft sich das Knäuel aus roten und schwarzen Trikots seinen Weg um den Track, wie die Spielfläche genannt wird. Krachend schlagen die Knieschoner von „Killing Zoe“, Nummer 114 des Hamburger Derby Teams, auf dem Hallenboden auf. Auf dem Bauch liegend rutscht sie noch ein Stück. Wütend blickt sie ihrer Gegenspielerin hinterher, die sie zuvor mit einem kräftigen Schulterstoß auf den harten Hallenboden geschickt hatte. Über das rechte Auge hat sich „Zoe“ ein schwarzes Kreuz gemalt. Unter ihrer roten Shorts trägt sie eine zerrissene Strumpfhose. „Killing Zoe“ sieht wild aus. Energisch springt sie sofort wieder auf und sprintet dem Haufen der übrigen Spielerinnen, genannt das „Pack“, hinterher.
Wieder sind zwei Minuten vergangen. Kurze Pause für „Killing Zoe“ und ihr Team. Es steht 52:67. Die Hamburgerinnen liegen knapp zurück. Alle zwei Minuten wird das Spiel kurz unterbrochen. Verschnaufpause für die Spielerinnen. Durchatmen, Wasser trinken, die Taktik besprechen. Ein Wechsel steht an. „Hater Skater“, „Harbor Girl“ Nummer 77, zieht sich den schwarzen Überzug mit dem roten Stern über ihren Helm. Sie trägt das Trikot ihres Teams, schwarze Shorts, darunter eine rote Leggins. Unter ihre Augen hat sie sich zwei schwarze Balken gemalt. Sie ist jetzt die Jammerin. Sie soll für ihr Team Punkten. Wieder aufholen und in Führung gehen.
Das Pack nimmt Aufstellung. „Killing Zoe“ und die übrigen „Harbor Girls“ stehen eng aneinander gepresst an der „Pivotlinie“, dem Start. Blicke mit den Gegenspielerinnen nur eine Armlänge hinter ihnen werden ausgetauscht. Blicke die sagen: „Ihr kommt hier nicht durch. Wir blocken euch, keine Chance!“
Ein Pfiff ertönt. Das Pack startet. Mit kräftigen Stößen katapultieren sich die Rollschuhläuferinnen auf den Track. Dann ein zweiter Pfiff. „Hater Skater“ und die Jammerin der Ludwigsburger sprinten los. Dem schubsenden, drängelnden Pack hinterher. „Hater Skater“ muss es schaffen durch das Gewirr des Packs hindurch zu fahren. „Killing Zoe“ und die anderen müssen ihr dafür Platz schaffen. „Barockcity Rollerderby“ tut es ihnen gleich. Sie wollen ihre Jammerin nach vorne bringen. Doch „Zoe“ erkennt ihre Chance. Mit flinken Beinbewegungen setzt sie sich vor eine Gegnerin. Bremst diese aus. Dumpf prallen die beiden Frauen aufeinander. Die Spielerin im roten Trikot schaut überrascht, strauchelt, stürzt zu Boden.
Auf diesen Moment hat „Hater Skater“ gewartet. Mit einem Hüftstoß löst sie sich von der Ludwigsburger Jammerin. Setzt zum Sprint an und gleitet rasant durch die entstandene Lücke im Pack. Jetzt gilt es. Jede Gegnerin die „Hater Skater“ in der nächsten Runde überholt bringt wichtige Punkte.
Das Publikum peitscht die Spielerinnen an. „Harbor Girls, Harbor Girls“ schallt es immer wieder von den Rängen. Die Musik vermischt sich mit dem Röhren der Menge. „Hater Skater“ will es jetzt wissen und hat Glück. Eine Blockerin aus „Barockcity“ wird für ein Foul auf die Strafbank geschickt. An ihr ist „Hater Skater“ nun schon vorbei. Ein Punkt für die „Harbor Girls“. Doch sie will mehr. Setzt erneut zum Sprint an, nimmt den Kopf nach unten und kracht in das Pack vor ihr. „Hater Skater“ weiß was sie tut und ihre Teamkolleginnen ebenso. Stoßen, drücken, drängeln, dann ist sie durch. Sie überholt die übrigen drei Ludwigsburgerinnen im Pack. Drei weitere Punkte. 56:67 steht es nun. Aus dem Publikum dröhnt es: „Harbor Girls, Harbor Girls“.
Nach dreißig Minuten steht es 67:90 für Ludwigsburg. Ein klarer Vorsprung, doch die Hamburgerinnen können es noch schaffen. Die Band „Rock A Radio“ aus Elmshorn unterhält die Zuschauer, die die Pause nutzen, um sich mit Getränken, Muffins oder „Harbor Girls“ T-Shirts zu versorgen. So mancher hartgesottene Fan braucht jetzt auch eine Zigarette. Werden die „Harbor Girls“ es in der zweiten Halbzeit schaffen wieder in Führung zu gehen?
Das Spiel beginnt wieder. Ein junger Mann rennt mit einer großen „Harbor Girls“ Flagge durch die Sporthalle. Heizt das Publikum an. „Hater Skater“ ist erneut Jammerin. Die Hamburgerinnen kämpfen verbissen um jeden Punkt. Rappeln sich nach jedem Sturz sofort wieder auf. Drängen ihre Gegnerinnen ab. Nutzen jede Lücke im Pack. Bald steht es 99:106. Nur noch fünf Minuten zu spielen. „Harbor Girls“, feuert das Publikum jede Spielerin an.
Punkt für Punkt arbeiten sich „Killing Zoe“, „Hater Skater“ und ihr Team an die Führung heran. Doch „Barockcity Rollerderby“ will den Sieg hier nicht mehr aus der Hand geben. Durch einige Fouls sitzen nun drei Spielerinnen der „Harbor Girls“ auf der Strafbank. „Killing Zoe“ kämpft alleine gegen die Überzahl im Pack an. Es reicht nicht. Ludwigsburg kann den Vorsprung ausbauen. 118:129 lautet das offizielle Endergebnis.
Die „Harbor Girls“ verlieren. Den Gesichtern sieht man die Enttäuschung an, trotz der Anstrengung am Ende nicht als Sieger vom Platz zu gehen. Dennoch sind die Hamburgerinnen faire Sportler. Nach der Ehrenrunde werden die Spielerinnen von „Barockcity Rollerderby“ beglückwünscht. Man umarmt sich, klatscht sich ab. Nach dem gemeinsamen Team-Foto geht es für beide Mannschaften noch weiter. Aftergame-Party am Hans-Albers-Platz mit guter Musik, viel Stimmung und dem ganz besonderen „Harbor Girls“-Schnaps. Verdient hat es sich jede von ihnen.
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