Jannes Vahl ist 33 Jahre alt und immer noch Kind – Clubkind. Zusammen mit seinen besten Freunden gründete er 2011 den gemeinnützigen Verein Clubkinder e.V., der soziale Einrichtungen und Projekte in Hamburg durch Spendenaktionen unterstützt.
Veröffentlicht am 03.06.2014
Es ist Nachmittag, etwa 16 Uhr, in einem Café im Schanzenviertel. Ein großer Mann, mit langem, wild gelockten Haar kommt auf mich zu, ein Hosenbein hochgekrempelt und mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen. Ein Lächeln, dass nahezu jeder, der regelmäßig in der Hamburger Musikszene oder überhaupt im Nachtleben unterwegs ist, kennt. Es gehört Jannes Vahl, dem Ur-Clubkind, einem der Väter des gemeinnützigen Vereins Clubkinder e.V..
Clubkinder e.V. sammelt mit oder bei Veranstaltungen Spenden für soziale Einrichtungen und Projekte in der Stadt. Und das mittlerweile mit großem Erfolg. Etwa 50 Aktionen organisieren und veranstalten die Clubkinder jedes Jahr. Diese sind ebenso vielfältig wie die Spendenzwecke. Bei Tagebuchlesungen (hier nachzuhören), Laternenumzügen, Kohlfahrten, Haare schneiden im Club, Streetball-Turnieren, Konzerten und Partys sammeln die Clubkinder zum Beispiel Geld für das Tierheim Süderstraße, den Hamburger Wohlfühlmorgen, die Dunkelkammerkinder, den Umsonstladen, den Bauspielplatz Eimsbüttel oder den Verein „Wege aus der Einsamkeit“.
Aktion und Spendenzweck sollen zusammenpassen
„Uns ist wichtig, dass unsere Aktion zum Spendenzweck passt oder andersherum“, sagt Vahl. „Mal gibt es eine gute Idee für eine Clubkinder-Veranstaltung und wir suchen uns einen passenden Spendenzweck, mal gibt es aber auch irgendetwas, das total dringend ist und wir überlegen uns dann eine passende Aktion dazu.“ Vier Clubkinder wählen aus Bewerbungen von Projekten und Initiativen einen Spendenzweck aus oder recherchieren, was passen könnte.
„Die Ideen für die Clubkinder-Events entstehen meistens aus einer Bierlaune heraus“, sagt Jannes Vahl und grinst. „Das genau Konzept und die Umsetzung prüfen wir dann und wenn es uns machbar erscheint, versuchen wir, die Aktion zu realisieren.“ Grundsätzlich sei alles erlaubt, solange es machbar sei. „Vieles muss man im Anschluss schärfen, die Idee allein ist oft nicht genug.“ Wichtig sei ihm dabei auch, dass man selbst Spaß an den Aktionen hat. „Ich würde zum Beispiel keinen Tango-Abend machen, weil ich weiß, dass ich irgendwann im Laufe des Abends schlecht drauf sein werde. Es müssen Sachen sein, bei denen ich auch dahinter stehe.“ Die Clubkinder-Aktionen seien immer ein wenig Retro, das komme an und mache Spaß.
„Die Ideenfindung ist aber immer eine Gratwanderung. Vieles muss leider auch wieder verworfen werden. Zum Beispiel, weil es an der Location scheitert.“ Und nicht jede Aktion der Clubkinder wird auch ein Erfolg. „Wir hatten schon kolossale Fehlschläge, natürlich macht man auch mal Fehler. Deshalb habe ich auch vor jeder Veranstaltung wieder Megabammel, dass es schiefgeht.“Denn auch dann stecke viel ernsthafte Arbeit und viel Energie in der Organisation des Events. „Trotzdem gehen wir eigentlich immer davon aus, dass unsere Ideen funktionieren. Sonst würden wir es nicht machen“, sagt Vahl.
Die Einnahmen aus Eintritts- und Spendengeld werden nahezu komplett weitergegeben. „Wir rechnen pauschal 20 Prozent für unsere Unkosten wie zum Beispiel die Büromiete ab“, sagt Jannes Vahl. „Wenn dann am Ende des Jahres etwas übrig bleibt, wird das auch noch gespendet.“ Das restliche Geld aus den Veranstaltungen fließe eins zu eins in das ausgewählte Projekt. Möglich wird das durch Freiware wie zum Beispiel Getränke von Kooperationspartnern, Unternehmensspenden und durch die kostenloseNutzung von Räumlichkeiten. „Da kommen uns auf jeden Fall auch unsere Kontakte zugute“, sagt Vahl. „Wir sind mit der hiesigen Musik- und Clubszene per Du und das hilft uns da schon ungemein.“
2011 organisierten die Clubkinder ihr erstes Festival
Diese Kontakte kommen nicht von ungefähr: Jannes Vahl, seines Zeichens gelernter Journalist, war lange Zeit Redaktionsleiter eines Hamburger Stadtmagazins. „Ich hatte da zu viel Organisatorisches um die Ohren, musste mich um das Netzwerk kümmern und war eigentlich gar kein richtiger Journalist mehr.“ Er zog einen Strich und fing mit den Clubkindern etwas ganz Neues an. „Wir haben uns erst mal eine Zeit lang eingeschlossen, den Papierkram erledigt und alles mit den Behörden geklärt, bevor wir dann unser erstes Festival gemacht haben“, sagt Jannes Vahl. „Wir wollten uns dabei als neuer Verein präsentieren und zeigen, dass wir da waren. Deshalb haben wir einen richtigen Aufriss gemacht.“
Das Festival wurde ein Erfolg. Mehr als 70 Locations, mehr als 10.000 Euro Spendengelder für soziale Projekte und die Stiftung Mittagskinder. Das Prinzip: Die Clubkinder wählen ein Wochenende aus, geben das an die Veranstalter weiter und diese entscheiden jeder für sich, ob und in welcher Form sie sich beteiligen wollen. Das entspreche auch dem Clubkinder-Konzept, sagt Jannes Vahl. „Dadurch, dass wir viele unterschiedliche Partner und Unterstützer haben, wird auch keiner von ihnen zu stark beansprucht.“ Zudem könne der Verein so viel mehr Leute erreichen, als wenn sich die Aktionen auf eine bestimmte Zielgruppe beschränkten.
Effiziente Charity als Ziel
Seit der Gründung vor drei Jahren ist effiziente Charity das erklärte Ziel der Clubkinder. „Wir wollen besonders junge Leute gezielt durch unsere Ideen ansprechen. Wenn wir immer nur auf dem Wochenmarkt Blechbüchsen geschüttelt hätten, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind“, sagt Vahl. „Die Clubkinder sind laut, sie sind bunt, sie sind cool und sie sollen Spaß machen.“
Spaß macht die Arbeit im Verein auch ihm selbst. Doch wenn man Jannes Vahl nach seinem liebsten Clubkinder-Moment fragt, fällt es ihm schwer, eine konkrete Antwort zu geben. „Am schönsten ist es für mich jedes Mal, wenn ich bei einer Veranstaltung sehe, dass wieder eine Schlange vor der Tür steht, alle Plätze besetzt sind und wir irgendwann die Info kriegen, dass sie keine Leute mehr reinlassen können. Da habe ich jedes Mal wieder Tränen in den Augen. Dann sieht man, dass man alles richtig gemacht hat. Das spornt unheimlich an“, sagt Jannes Vahl. „Wir lösen Probleme am laufenden Band und das ist wirklich ein Geschenk.“ Man könne ganz konkrete Ziele und Wünsche erfüllen und tolle Projekte unterstützen.
Transparenz und Vertrauen als Credo
„Es geht immer um konkrete Anschaffungen oder Projekte“, sagt Vahl. Deshalb spendeten die Clubkinder auch keine geraden Summen. Der Spendenzweck und die Summe, die bei jeder Veranstaltung zusammen komme, würden auch auf der Clubkinder-Website publik gemacht. So soll Transparenz und schlussendlich auch Vertrauen geschaffen werden. „Die Leute sollen wissen, dass nicht irgendjemand das Geld für Kokain ausgibt oder davon in den Urlaub fährt.“ Dabei komme es trotzdem nur sehr selten vor, dass eine Bewerbung um Spenden abgelehnt werde. „Wir schauen aber immer, wer es vielleicht am meisten braucht. Wir wollen da helfen, wo es auch wirklich hilft“, sagt Vahl. „Die Clubkinder sind immer eher auf der Seite des Underdogs.“
Deshalb beschränkt sich diese Hilfe auch nicht allein auf Geld. Mit der Agentur Flutlotsen, die Vahl mit Joko Weykopf und Benjamin Dohmann betreibt, unterstützt er Projekte, Vereine, Einrichtungen und Initiativen auch in den Bereich Webdesign, Text, Werbung oder Social Media. „Die Flutlotsen veranstalten auch für die Clubkinder, kümmern sich zudem um Werbung und Social Media. Die Agentur ist eine wichtige finanzielle Stütze des Vereins, ohne ein Teil davon zu sein.“ Viele der anfänglichen Clubkinder-Kooperationspartner arbeiten mittlerweile auch mit den Flutlotsen zusammen. So können Vahl und Freunde so viel Zeit in den Verein investieren.
Ein weiteres Projekt der Clubkinder ist das Klanglabor (siehe Video), das der Verein gemeinsam mit der ebenfalls gemeinnützigen Tide GmbH und dem Verein RockCity organisiert und veranstaltet. Die Förderreihe ist für Hamburger Nachwuchsmusiker kostenlos und dient der gemeinnützigen Förderung von Kunst und Kultur. „Die Clubkinder unterstützen die Musiker mit einem Förderpaket. Da gibt’s eine Filmaufnahme, ein Konzert und falls Bedarf besteht auch Pressetexte und Kontakte“, sagt Jannes Vahl. Die Live-Mitschnitte, die auch eine Woche lang auf TideTv gesendet werden, gibt es hier zu sehen.
Es brauche nicht viel, um ein Clubkind zu werden, sagt Vahl. „Clubkinder sind lockere, lustige Leute, die das Herz am rechten Fleck haben.“ Im Verein herrsche ein starker sozialer Wille und ein hoher grad an Aktivismus. „Wir sind mehr als 200 Leute und wir haben alle Lust auf etwas Großes.“ 100.000 Euro Spenden wollen die Clubkinder in diesem Jahr sammeln.
Artikelfoto: Julia Schwendner
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden