Erstmals dürfen 16 bis 18-Jährige bei der Bürgerschaftswahl im Februar ihre Stimme abgeben. Bei der „It’s your Choice“-Tour besuchen deshalb junge Politiker Schulen, um Jugendliche zum Wählen zu motivieren und für ihre Partei zu werben. In der Stadtteilschule Hamburg-Mitte wurden sie von rund 70 Schülern mit Fragen gelöchert. Mittendrin war dabei und hat die Diskussion zwischen Schülern und Jungpolitikern verfolgt.
Politik? Finden junge Menschen oft langweilig und dröge – so zumindest das Klischee. Um gezielt junge Wähler anzusprechen, hat die Bürgerschaft in Hamburg nun erneut die „It’s your Choice“-Tour gestartet. Dabei besuchen junge Politiker der Bürgerschaftsparteien die Schulen der Stadt, werben fürs Wählen gehen und haben gleichzeitig die Chance, die Jugendlichen von ihren Positionen zu überzeugen.
Bereits vor der vergangenen Bundestagswahl war der von der Medienagentur „DSA youngstar“ organisierte Polit-Talk in Hamburgs Schulen zu Gast. Die Resonanz war positiv, nun also die Wiederholung. Sabrina Bozkurt von „DSA youngstar“ ist seit drei Wochen in Hamburgs Schulen unterwegs.“Die Schüler sind sehr interessiert“, sagt sie. Auch wenn sich an machen Schulen natürlich schneller eine Diskussion entwickle, an anderen emotionaler debattiert werde.
Politiktalk in 49 Schulen
Constantin Braun von der Linkspartei hat bereits zwölf Schulen in Hamburg besucht und auf vielen Rednerpodien Platz genommen. In jeder Diskussion offenbarten sich ganz andere Schwerpunkte und Interessen der Schüler, sagt er. „Eine katholische Stadtteilschule ist im Gegensatz zu einer mehr links-grünen Schülerschaft in Bahrenfeld natürlich strikt gegen die Legalisierung von Cannabis“, sagt der 32-Jährige und hält fest: „Die Viertel sind genauso wie ihre Schulen sehr unterschiedlich.“
In der Stadtteilschule Hamburg-Mitte hat Politiklehrer Evers vorgesorgt und seine Schüler vor der Diskussion Fragen vorbereiten lassen. Doch dann nahm die Diskussion ihren eigenen Verlauf: Eigentlich sollte über den Übergang von Schule zu Beruf diskutiert werden, kurzerhand ging es aber auch in Schule Nummer 31 von insgesamt 49 um den Umgang mit Flüchtlingen in der Hansestadt – „wie so oft bislang“ verrät Bozkurt.
Wo sollen die Flüchtlinge wohnen?
„Der SPD-Senat tut nicht genug für Flüchtlinge“: Klare Worte der Abgeordneten Cansu Özdemir von der Linksfraktion, die damit gleich ein Streitgespräch eröffnete. Maximilian Bierbaum von den Grünen legte nach: „Zehn Prozent der Sozialwohnungen sollen für Flüchtlinge bereitgestellt werden.“ Ganz konkret geht es schließlich um das geplanten Flüchtlingsheim in Harvestehude, dessen Umbau mittlerweile gestoppt wurde, weil die Anwohner dagegen geklagt haben – und Recht bekamen. Die Argumentation der Richter: Beim möglichen Heim handele es sich nicht um eine „Wohnnutzung im engeren Sinne, sondern um eine wohnähnliche Nutzung in einer sozialen Einrichtung.“ Dies sei dort nicht erlaubt. CDU-Vertreter Nikolaus Haufler, zuletzt aufgefallen, weil er die umstrittene Bewegung der sogenannten „Besorgten Eltern“ unterstützte, macht die SPD-Regierung dafür verantwortlich: Man habe vorher wissen müssen, dass die Klage angenommen werde.
„Sind die Anwohner in Harvestehude denn gefragt worden, ob die Flüchtlinge dorthin ziehen sollen“, fragt eine Schülerin. „Nein“, sagt Annkathrin Kammeyer, Bürgerschaftsabgeordnete der SPD, aber das müsse man auch nicht. Die SPD wirbt um eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge. Sie sollen nicht nur in ärmeren Stadtteilen in Hamburgs Osten leben. Auch im reichsten Viertel der Hamburger sei Platz für Flüchtlinge, waren sich nahezu alle Parteien einig.
Wohnungsmangel, Bildungspolitik und Berufsorientierung
Sorgen bereitete den Schülern auch der Wohnungsmangel in Hamburg. Die Wohnungen in der Stadt wären oftmals entweder zu klein, oder zu groß und somit zu teuer. Kammeyer versicherte, die SPD tue bereits ihr nötigstes, um neuen Wohnraum zu schaffen. Sie versprach insgesamt 6000 Wohnungen, darunter ein Drittel Sozialwohnungen. Ganz abnehmen wollten das ihr die Schüler nicht. Der Eindruck vieler Schüler: Zu Veränderungen komme es vor allem in Stadtteilen wie Billstedt und Horn.
Kritik gab es von den Schülern auch an der Berufshilfe, die Jugendliche unterstützen soll, den richtigen Weg einzuschlagen. Die Berufshilfe gibt den Schülern Empfehlungen darüber, ob sie lieber einen Abitur-, Real- oder Hauptschulabschluss machen sollen. Viele Schüler wünschen sich mehr Unterstützung von den Coaches, um ihre Wünsche durchzusetzen. Oftmals gehe der Glaube an die Schüler schnell verloren, die Coaches legten ihnen dann eine Ausbildung ans Herz, die sie nicht wollen, lautete der Vorwurf. „Die reden mir zu viel herein“, sagt ein Schüler.
Özdemir kann die Kritik nachvollziehen, auch ihr sei einst empfohlen worden, lieber eine Ausbildung zur Kosmetikerin zu machen. Ihr Wunsch hingegen war es, zu studieren. Damals hatte Özdemir noch die Hauptschule besucht, jetzt hat sie nicht nur ihr Abitur längst gemacht: Die junge Frau sitzt in der Hamburgischen Bürgerschaft und studiert Politikwissenschaften.
Soll es wirklich Tablets für alle geben?
Zum Schluss wird es noch einmal hektisch. Moderator Bernd Fiedler von der Jugendpresse versucht viele Fragen unterzubringen. Es geht um Tablets, Cannabislegalisierung und Atomkraft. So soll jeder Schüler ein Tablet bekommen. Das haben die Sozialdemokraten in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Ob das wirklich stimme, fragt eine Schülerin schüchtern. „Ja“, versichert Kammeyer. Über die Finanzierung und Umsetzung wird allerdings nicht diskutiert. Die anderen Parteien wollen die Schulen deswegen selber entscheiden lassen, ob das wirklich notwendig sei und ihr einen Freibetrag zur Verfügung stellen. Im Moment klingt es ein wenig danach, als wollen die Sozialdemokraten ein kleines Wahlgeschenk für die 16 bis 18-Jährigen machen.
„So ein großes Publikum haben sonst nur Spitzenkandidaten.“
Offensichtlich haben die Organisatoren von „It’s Your Choice“ das Wählerpotenzial erkannt. „Die Zahl der potentiellen Wähler, die man an den Schulen erreicht ist enorm“, rechnet Constantin Braun vor. „Ich glaube, dass wir jungen Kandidaten an den Schulen insgesamt vor mehreren tausend Schülern auftreten. So ein großes Publikum haben sonst höchstens noch die Spitzenkandidaten“, so der 32-Jährige.
Und wie sind die Politiker heute bei den Schülern angekommen? Kaltrina fand die Veranstaltung informativ und wichtig, doch ist sie sich nun nicht mehr ganz sicher, wen sie eigentlich wählen soll. Schwankte sie vorher zwischen SPD und Grünen, haben wohl andere Parteien bei dieser Veranstaltung mehr überzeugt. Wählen aber gehe sie sicher, verspricht die 16-Jährige, während Cengiz, 17 Jahre, das lieber nicht möchte. Daran änderte auch die Veranstaltung nichts.
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