Bürgerschaftswahl

Analyse: So hat Hamburg-Mitte gewählt

Bürgerschaftswahl
Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Hamburg hat gewählt: Die SPD ammann weiter regieren, verliert aber die absolute Mehrheit. Die Grünen stehen als möglicher Koalitionspartner bereit. Wie schneiden die Parteien in Hamburg-Mitte ab? Eine Analyse der vorläufigen Ergebnisse. 

Plakatieren, twittern, Bürger überzeugen: Wochenlang haben die Wahlkämpfer in Hamburg alles gegeben. Das erklärte Ziel der SPD-Unterstützer: „absolute Mehrheit“. Dafür hat es am Sonntag dann doch nicht ganz gereicht. Die SPD kommt nach dem vorläufigen Endergebnis auf 45,7 Prozent der Stimmen. Damit brauchen die Sozialdemokraten künftig einen Koaltionspartner. Bereits am Wahlabend signalisierten SPD und Grüne Gesprächsbereitschaft. Die Grünen kommen auf 12,3 Prozent der Stimmen. Auf die rot-grüne Koalition, die sich nach den Bezirkswahlen im vergangenen Jahr gebildet hat, könnte nun auch eine Partnerschaft beider Parteien in der Bürgerschaft folgen.

SPD in Mitte vorn, Verluste auf St. Pauli

Auch in Hamburg-Mitte konnten sich die Sozialdemokraten den größten Anteil der Stimmen sichern. In Wahlkreis 1 kommt die SPD nach aktuellem Stand auf 41,8 Prozent, in Wahlkreis 2, der Billstedt, Wilhelmsburg und Finkenwerder umfasst, sogar auf 51,3 Prozent. In einzelnen Stadtteilen musste die SPD jedoch Verluste einstecken. Während die Sozialdemokraten 2011 auf St. Pauli noch 37,4 Prozent einfuhren, sind es bei dieser Wahl nur noch 26 Prozent – 11,4 Prozent der Stimmen verlieren die Sozialdemokraten hier. Auf St. Pauli liegt die Linke mit 29,1 Prozent der Stimmen sogar vor der SPD. Besonders kurios: Die Satirepartei „Die Partei“ landet auf dem Kiez mit 4,2 Prozent der Stimmen vor der CDU (4,0 Prozent).

Ähnlich gut schneiden auf St. Pauli auch die Piraten ab und holen hier 4,5 Prozent der Stimmen. Hamburgweit konnten sich die Freibeuter nach der vorläufigen Auszählung jedoch nur 1,6 Prozent der Stimmen sichern. „Das Ergebnis der Piraten ist enttäuschend. Einerseits haben sich die Medien bei den kleinen Parteien ganz auf die AfD und die inhaltslos schillernde FDP bzw. ihre Abspaltung die Neue Liberale konzentriert, für Piraten war da kein Platz“, sagt Andreas Gerhold (Piraten). Andererseits müsse man das Ergebnis auch selbstkritisch sehen:  „Die Piraten selbst zu einen Bild in der Öffentlichkeit beigetragen, dass eben nicht auf eine konstruktive Politik schließen lässt“, so Gerhold weiter.

Die Grünen, die hamburgweit 12,3 Prozent der Stimmen erreichen, legen in Hamburg-Mitte in Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2011 zu und kommen auf 15,4 Prozent (2011: 14,6 Prozent). In Billstedt, Wilhelmsburg und Finkenwerder kommen die Grünen nur auf 8,1 Prozent der Stimmen, legen jedoch auch hier im Vergleich zu 2011 deutlich zu. Damals holten die Grünen hier 6,7 Prozent der Stimmen.

Ein „Abend der Trauer“ für die CDU

Für CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich und die Christdemokraten endete der Wahlabend mit einer historische Niederlage. Hamburgweit kommt die CDU nur auf 15,9 Prozent der Stimmen. Wersich, der das Bürgermeisteramt übernehmen wollte, sprach am Sonntag von einem „Abend der Trauer“. In Hamburg-Mitte (Wahlkreis 1) kommt die CDU auf 10,9 Prozent der Stimmen (2011: 15,8 Prozent), in Billstedt, Wilhelmsburg und Finkenwerder auf 13,3 Prozent der Stimmen (2011: 19,7 Prozent).

Die Linke kann sich hamburgweit hingegen über ein Ergebnis von 8,5 Prozent freuen. In Hamburg-Mitte (Wahlkreis 1) konnte Die Linke von 10,3 Prozent 2011 auf 14,2 Prozent der Stimmen zulegen. “Ob es Scholz pur oder Scholz mit grünem Farbtupfer gibt, spielt keine Rolle. Ein soziales und ökologisches Hamburg wird nur die Linke einfordern, da ist es gut, dass es voraussichtlich mehr als zehn Abgeordnete werden”, sagt Roman Denter, der im Wahlkreis Mitte für die Linke kandidierte, im Mittendrin-Interview.

Große Freude bei der FDP

Viel wurde in den vergangenen Wochen über die FDP und ihre Spitzenkandidatin gelacht. Dass Spitzenkandidatin Katja Suding zunächst mit dem Slogan „Unser Mann für Hamburg“ plakatiert werden sollte, war nur der Anfang. Die Plakate der Politikerin wurden mit ein paar Klicks sogar zur neuen Werbekampagne von Otto. In die Schlagzeilen geriet Suding zusätzlich durch das „Beingate“ bei der Tagesschau. In einem Beitrag vom Dreikönigstreffen der FDP zeigte die Tagesschau eine Kamerafahrt über die Spitzenkandidatin mit Rock.

Mit 7,4 Prozent der Stimmen für die FDP kann Katja Suding über die Kritik jedoch wohl selbst gut lachen. In Hamburg-Mitte (Wahlkreis 1) holen die Liberalen 5,2 Prozent der Stimmen (2011: 4,3 Prozent). In Billstedt, Wilhelmsburg und Finkenwerder kommt die FDP auf 4,2 Prozent der Stimmen (2011: 4,0 Prozent). Die FDP ist damit der Überraschungssieger der Bürgerschaftswahl 2015.

AfD schafft es ins Parlament

Auch nach den ersten Hochrechnungen am Sonntagabend, war zunächst noch unklar, ob die „Alternative für Deutschland“ (AfD) die Fünf-Prozent-Hürde überwinden und in die Bürgerschaft einziehen würde. Nach vorläufigen Zählungen kommt die AfD hamburgweit auf 6,1 Prozent und ist damit sicher in der Hamburgischen Bürgerschaft vertreten. Damit können die Rechtspopulisten jedoch nicht an Erfolge der Statt-Partei und der Schill-Partei anknüpfen, in deren Tradition das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ die AfD sieht. Die Alternative für Deutschland zieht damit erstmals in ein westdeutsches Landesparlament ein. In Hamburg-Mitte kommt die AfD auf 5,8 Prozent der Stimmen, in Billstedt, Finkenwerder und Wilhelmsburg sogar auf 7,9 Prozent.

Noch ist völlig unklar, wie die anderen Parteien in den kommenden fünf Jahren mit den Rechtspopulisten im Parlament umgehen werden. Bereits seit der Bezirkswahl im vergangen Jahr sind AfD-Abgeordnete in den Hamburger Bezirksversammlungen vertreten, so auch in Hamburg-Mitte. Viele Kandidaten finden deutliche Worte für das Ergebnis der AfD: Annkathrin Kammeyer, die 2011 als jüngste Abgeordnete aller Zeiten in die Bürgerschaft gewählt worden ist, freut sich über das Ergebnis der SPD. „Enttäuscht bin ich über das gute Abschneiden der AfD und die weiter gesunkenen Wahlbeteiligung. Für mich gehört die AfD nicht in dieses Parlament“, so Kammeyer im Mittendrin-Interview. Auch die Partei Die Linke macht den Rechtspopulisten eine klare Ansage: „Die zartbraunen Parolen der AfD haben nicht gezogen, die Partei hat ein bescheidenes Ergebnis erzielt. Jetzt gilt es, die AfD weiter zu bekämpfen – ob im Parlament oder nicht“, sagt Roman Denter.

Nur jeder zweite geht wählen

Die Wahlbeteiligung ist zur Bürgerschaftswahl auf ein historisches Tief gesunken. Laut vorläufigen Berechnungen haben nur 56,9 Prozent der Wahlberechtigten am Sonntag ihre Stimmen abgegeben. Noch weniger als 2011 – damals machten 57,3 Prozent ihr Kreuz. In Hamburg-Mitte (Wahlkreis 1) haben 50,0 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt (2011: 50,6 Prozent), in Billstedt, Wilhelmsburg und Finkenwerder (Wahlkreis 2) liegt die Wahlbeteiligung bei 42,2 Prozent (2011: 44,8 Prozent).

Die Zahlen entsprechen dem vorläufigen amtlichen Endergebnis von Montagabend (16.2.15). Nun wird noch einmal nachgezählt, am 27. Februar soll das amtliche Endergebnis dann stehen.

Foto: Frank Nocke
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