Im Gespräch mit „Rock die Wahl“- Initiator Thorben Reinhard

Foto: "Paulina Merta" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)
Bürgerschaftswahl
Sally Eshun
@sall_e

Redakteurin bei Hamburg Mittendrin und Freihafen | Email: eshun@hh-mittendrin.de

Thorben Reinhard ist wütend. Mit der Kampagne „Rock die Wahl“ wollte er Jugendliche für Politik begeistern – doch die Unterstützung fehlt, das Projekt droht zu scheitern. Im Gespräch mit Mittendrin erklärt Reinhard, warum sich die Hamburger Politik „ihr eigenes Grab schaufelt“ – und warum Flüchtlinge die Demokratie stärken. 

Mittendrin: Herr Reinhard, was ist die Idee hinter „Rock die Wahl“?

Thorben Reinhard: Mit Rock die Wahl versuchen wir hier in Hamburg zur Bürgerschaftswahl junge Menschen zum Wählen zu animieren. Wir haben schon bei der Bezirkswahl gemerkt, dass die Wahlbereitschaft bei den Minderjährigen sehr gering war. Und dem wollten wir entgegenwirken.

Im Fokus stehen Jugendliche mit Migrationshintergrund. Ist es nicht ein hartnäckiges Klischee, dass Jugendliche mit ausländischen Wurzeln besonders politikverdrossen sind?

Reinhard: Nein, ist es nicht. Es wurde statistisch bewiesen, dass Jugendliche mit deutschen Eltern häufiger wählen gehen. Das liegt nicht daran, dass Jugendliche aus Einwandererfamilien weniger intelligent sind. Es ist doch so: Deutsche Eltern sind wahlberechtigt und nehmen ihre Kinder am Sonntag ins Wahllokal. Bei Eltern mit Migrationshintergrund ist es oft so, dass sie entweder nicht wahlberechtigt sind oder das Wahlsystem nicht verstehen. Jugendliche mit Migrationshintergrund müssen sich also selbst in die ganzen Wahlprogramme reinfuchsen.

Also ist es eher eine Frage des sozialen Hintergrunds?

Reinhard: Natürlich kann der Stephan aus Horn ähnliche Probleme haben. Es ist aber auch so, dass Jugendliche, die sehr religiös sind, sich nicht von der Politik vertreten fühlen. Es gilt für die Politik auf Länderebene wie für die auf Bundesebene. Kulturelle und religiöse Vielfalt ist selten vertreten. Deshalb gehen die Jugendlichen erst gar nicht wählen.

Was ist bei „Rock die Wahl“ konkret geplant?

Reinhard: Podiumsdiskussionen an Schulen etwa – die Schüler hätten die Möglichkeit, Fragen zu stellen, für die im Unterricht kein Platz ist. Außerdem haben wir verschiedene Wettbewerbe geplant, etwa ein Plakatwettbewerb, ein Bandcontest und ein Videowettbewerb. Auch ein Abschlusskonzert mit den Gewinnern des Bandcontests ist vorgesehen. Aber leider kann nun vieles nicht mehr umgesetzt werden.

Warum nicht?

Reinhard: Wir wurden zwar von allen Seiten für unser Engagement gelobt, aber Hilfe kam zu gut wie keine. Wir haben 1000 Sponsorenmappen an die verschiedensten Firmen und Institutionen versendet und haben eine erschreckende Zahl an Ablehnungen von Wirtschaft und von Pir wurden von allen Seiten für unser Engagement gelobt, aber Hilfe kam zu gut wie keine.

Der Hamburger Senat hat für die Bezirkswahl 2014 und die kommende Bürgerschaftswahl die Kampagne „Du bist entscheidend“ gestartet. Wie bewerten Sie diese?

Reinhard: Die Kampagne kostet 400.000 Euro, aber sie geht völlig an den Jugendlichen vorbei. Der Ansatz war total falsch. Unmengen von Plakaten wurden gedruckt, die nicht erkennen lassen, worum es eigentlich geht. Die Social Media-Strategie hat ebenfalls nicht gewirkt. Wenn man auf deren Facebook-Seite auf den Link der Kampagne geklickt hat, kam man auf die Seite des Rathauses. Was sollen Jugendliche, die sich an Politik herantasten wollen, damit anfangen?

Inwiefern hat sie die Bürgerschaft ihre Idee ignoriert?

Reinhard: Ich habe schon Anfang Juli mit dem Büro von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit Kontakt aufgenommen. Ich habe bis heute nichts von ihr gehört. Aber vor allem wundert es mich, ob die Politik nicht merkt, dass sie sich ihr eigenes Grab schaufelt. Wir sollten uns nicht über die Politikverdrossenheit von Jugendlichen wundern, wenn nicht mal die Politik selbst ein Interesse darin sieht, ihre zukünftigen Wähler aufzuklären und sie an der Demokratie teilhaben zu lassen.

Wo stehen Sie und Ihr Projekt jetzt?

Reinhard: Natürlich ist es unheimlich deprimierend, wenn ein Konzept, an was wir fest glauben, keine Unterstützung findet. Wir haben beschlossen, dass Abschlusskonzert noch zu veranstalten. Da uns aber auch dafür finanzielle Mittel fehlen, starten wir eine Crowdfunding-Aktion.

Sie sagen, dass die Politik nicht auf Jugendliche eingeht – welche Folgen könnte das in Zukunft haben?

Reinhard: Die Politikverdrossenheit wird natürlich zunehmen. Aber ich glaube auch, dass sich durch die vermehrte Einwanderung von Menschen aus Kriegsgebieten die Wählerlandschaft ändern wird. Unter den Wählern wird es dann Menschen geben, die die Demokratie zu schätzen wissen. Sie kommen aus Ländern, in denen für die Forderung nach mehr Beteiligung in der Politik verfolgt werden.

Thorben Reinhard ist Geschäftsführer der Promotion-Agentur „International Experience Promotion UG“ und Initiator von „Rock die Wahl“. Mit der Kampagne will Reinhard Jugendliche dazu motivieren, wählen zu gehen.

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