Darauf darf man nicht stolz sein

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Winternotprogramm
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am 1. November ist in Hamburg erneut das Winternotprogramm gestartet. Mit 850 Plätzen ist es in diesem Jahr das größte in der Geschichte der Stadt und zugleich das umfangreichste in ganz Deutschland. Darauf stolz sein darf die Politik aber nicht, findet Dominik Brück.

Die Fähigkeit der Sozialbehörde, totales Versagen als Erfolg zu verkaufen, ist fast schon preisverdächtig. Jedes Jahr aufs Neue wird uns ein noch größeres und umfangreicheres Winternotprogramm präsentiert. Der Start am 1. November ist in diesem Jahr nicht nur ein Rekord für die Hansestadt: Mit 850 Plätzen in verschiedenen Unterkünften besitzt Hamburg das größte Winternotprogramm der gesamten Bundesrepublik. Darauf darf man aber nicht stolz sein. Denn: Auch wenn Hamburg bemüht ist, wohnungslose Menschen zumindest in der Nacht vor der Kälte zu bewahren, ist der Umfang des Notprogramms nichts anderes als ein Armutszeugnis für eine der reichsten Städte Deutschlands.

Die Plätze reichen nicht

Laut Angaben der „Zeit“ wurden bei der letzten offiziellen Zählung in Hamburg 2009 rund 1000 Wohnungslose festgestellt. Die Dunkelziffer dürfte jedoch wesentlich höher liegen, sodass Experten von knapp 2000 Menschen ausgehen, die auf der Straße leben müssen – Tendenz steigend. Schuld daran sind unter anderem steigende Mieten und fehlende Sozialwohnungen. Der wachsende Druck des Wohnungsmarktes und steigende Flüchtlingszahlen haben dazu geführt, dass das Winternotprogramm seit 2007 von 201 Plätzen auf die heutigen 850 Plätze vergrößert worden ist. Das Mehr an Unterbringungsmöglichkeiten ist also weniger ein Erfolg der Hamburger Sozialbehörde, sondern mehr die erzwungene Anpassung an steigende Wohnungslosigkeit, welche die Stadt selbst mitverschuldet. Man sollte sich in jedem Fall darüber freuen, dass überhaupt etwas getan wird, doch auch ohne große Rechenkünste kann man leicht erkennen, dass das Engagement bei Weitem nicht ausreicht. Auch in diesem Jahr werden die Unterkünfte wieder hoffnungslos überfüllt sein. Dass wie im vergangenen Winter erneut Menschen erfrieren werden, kann leider nicht ausgeschlossen werden.

Schluss mit dem Notprogramm

Dass mit einem Notfallprogramm geprahlt wird, das nicht ausreicht um wirklich dafür zu sorgen, dass „niemand auf der Straße schlafen muss“, wie Sozialsenator Detlef Scheele sagt, ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht das Unvermögen der Stadt, im Sommer dafür zu sorgen, dass es erst gar kein Notprogramm im Winter geben muss. Zwar hat der Senat mit dem Ziel pro Jahr 6000 neue Wohnungen bauen zu wollen den ersten Schritt unternommen, die Wohnungsnot in der Stadt zu beenden, die Bemühungen reichen jedoch nicht aus. Während nur ein Drittel der Neubauten Sozialwohnungen sind, fallen bereits bestehende Wohnungen aus der sozialen Bindung und werden dem freien Markt überlassen. Einige Experten gehen sogar davon aus, dass in Hamburg insgesamt mehr Wohnungen die Sozialbindung verlieren, als neue gebaut werden. Hinzu kommt, dass auch das städtische Wohnungsbauunternehmen Saga nur ein geringes Interesse daran zu haben scheint, Wohnungslose als Mieter anzunehmen. Sozialsenator Scheele hatte das Unternehmen gebeten Wohnungen an 300 Wohnungslose Familien zu vermitteln. Nach Recherchen der „Zeit“ wurden bisher nur 24 Wohnungen angeboten.

Neben dem Mangel an neuen Sozialwohnungen fehlt der Stadt zudem ein Konzept, den skandalösen Leerstand in Hamburg zu beenden. Wie das Straßenmagazin „Hinz und Kunzt“ in einer aufwendigen Multimediareportage darstellt, sind die Notunterkünfte restlos überfüllt, während in der Stadt mehr als 2000 Wohnungen leer stehen. Hier muss die Politik ansetzen und mehr Sozialwohnungen bauen, den Leerstand beenden sowie mit verstärkter Sozialarbeit Wohnungslose betreuen und integrieren. Kurz: Hamburg muss das ganze Jahr über dafür sorgen, dass wirklich niemand auf der Straße schlafen muss. Darauf könnte eine Stadt dann auch wirklich stolz sein.

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