Club-Mate macht Umsatz, Gilette hingegen schreibt rote Zahlen. Die zottelbärtigen Jutebeutelträger sind von New York-Williamsburg bis Berlin-Prenzlauer Berg unbeliebt. Aber warum? Die unbewusste Hypokrisie könnte etwas damit zu tun haben.
Von Sally Eshun
Hipster scheinen aus dem Boden zu sprießen wie Bubble-Tea Läden. Nur sind die Hornbrillenträger immer noch da. Und wollen irgendwie nicht weg. Wie Herpes. Aber warum werden sie von allen verhasst angeschaut? Skinny Jeans tragen wir seit der Jahrtausendwende, also ist das nichts Neues oder Abnormales. Club-Mate? Naja gut, wer das Trendgetränk, was nach abgestandenen Zigarettenstummeln schmeckt, runterbekommt, soll es ruhig machen. Jedem das Seine. Doch weshalb wird über eine subkulturelle Gruppe hergezogen, die bewusste Entscheidungen über Lebensweise und Kleidungsstil trifft? Genau hier würde ich, neben vielen anderen, einschreiten. Hipster versuchen krampfhaft nicht “Mainstream“ zu sein und sind dabei unheimlich zwiespältig – und merken es nicht mal. Bands, die niemand kennt, seien automatisch cooler und Kleidungslabel, deren Namen nach Medikamenten für Keuchhusten klingen, seien viel alternativer als Converse, Nike und Co. – aber warum man dann die Hipster mit den Ray-Ban Clubmaster Sonnenbrillen sieht, bleibt ein ungeklärtes Mysterium.
„Ich gehe dann mal kurz die Welt retten“, twitterte er und starrte gebannt auf sein iPhone.
In einer Welt, in der so vieles falsch läuft, versuchen viele ihren Beitrag für eine bessere Umwelt zu leisten. Müll trennen, Plastik vermeiden, oder auch einfach mal den Wasserhahn nicht während des Zähneputzens laufen lassen. Die unbeliebten Hipster gehen dann eben zu Denn’s oder Alnatura. Ist ja nichts Schlechtes dran. Über jemanden deswegen herzuziehen, aber dann 500g Rinderhack für 1,99 € zu kaufen, kann auch nicht das Wahre sein. „Was hat es dann mit der Apple-Hysterie der Hipster auf sich?“, würden jetzt viele fragen. Jakob Weis, ein bekennender Hipster, hat in einem Artikel für „Die Welt“ folgende Erklärung:„[…] die kaufen wir, weil sie schön sind.“ Bei diesem Argument kann ich nicht verleugnen, dass mir das Wort „Heuchler“ in den Kopf gekommen ist. Und natürlich das Bild vom Weltretter, der konzentriert bei Starbucks sitzt und seinen Fair-Trade Latte mit Sojamilch fotografiert. Zwei Sekunden später landet es natürlich auf Instagram mit dem angemessenen Filter und Hashtag – #lifeisgood. Diese vermeintliche Heuchelei gibt den meisten Leuten die Berechtigung diese Lebensart zu verabscheuen.
Die unbewussten Verdränger
Viele verbinden Hipster aber auch mit dem bösen Wort, welches mit G anfängt– Gentrifizierung. In Berlin-Kreuzberg ist dies am deutlichsten. Viele Künstler, die dort ursprünglich hingezogen sind um bezahlbar leben zu können, werden verdrängt. Weil Bewohner die “was mit Medien“ machen oft dort hinziehen. Primär jedoch mit keinem bösen Hintergedanken. Die Neuzugezogenen finden es aufregend neben den Künstlern zu wohnen – alternativ eben. Jedoch beruht dieses Empfinden nicht auf Gegenseitigkeit und die Vermieter werden gierig. Mieter, die ein höheres Einkommen haben, seien auch durchaus in der Lage mehr Miete zu zahlen. Die Künstler haben in so einem Spiel häufig die schlechteren Karten. Es sind natürlich nicht nur die Künstler. Denn Alteingesessene, die kleine Bars oder Lakiererläden besitzen, werden mit Starbucks und Hornbach obsolet. Dies ist ein großes Problem, was selbstverständlich dringend angegangen werden muss. Aber eine subkulturelle Modeerscheinung als Sündenbock darzustellen scheint irgendwie zu einfach. Wie wäre es wenn man die Politiker verantworten würden? – das Problem hierbei ist einfach die Unnahbarkeit. Da ist die Wahrscheinlichkeit einen Undercut-Träger zu treffen und den anzuschwärzen viel höher.
Und jetzt?
Die Hipster werden uns wahrscheinlich noch eine Weile mit ihrer Anwesenheit vergnügen. Ihre Mission alternativ zu sein, kann durchaus als gescheitert abgestempelt werden. Ihre Doppelmoral lässt sie unauthentisch und zum Teil albern wirken. Sie jedoch als Mitschuldige für das Leid der Welt darzustellen ist auch falsch. Wahrscheinlich kann man nichts anderes machen als abzuwarten. Vielleicht verschwinden sie ja wirklich aus heiterem Himmel. 70 % eines Hipsters sind nämlich biologisch abbaubar.
Foto: Jack Newton (Flickr: Hipster) [CC-BY-SA-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
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