Am Sonnabend demonstrierten nach Polizeiangaben rund 3200 Menschen gegen Gefahrengebiete und Überwachung. Auch viele andere politische Konflikte wurden thematisiert. Die Organisatoren gehen von über 5000 TeilnehmerInnen aus.
Video und Schnitt: Dominik Brück, Foto: Jonas Walzberg
Vielleicht ist es auch ein bisschen Trotz, der die Menschen am Sonnabend auf die Straße getrieben hat: Immer wieder werden die Aussagen von Innensenator Michael Neumann kritisiert, der während einer Sitzung des Innenausschusses verkündet hatte, es gebe in Hamburg keine politischen Probleme. Die Transparente, Plakate und Redebeiträge auf der Demonstration sprechen eine andere Sprache. Während rund 3200 Menschen – laut Veranstalter sind es sogar über 5000 – von der Feldstraße durch die Sternschanze und über die Max-Brauer-Allee bis zur Holstenstraße und weiter bis zu den Essohäusern ziehen, wird deutlich welche Konflikte die Stadt gerade beschäftigen.
„Wir haben die Straßen zurückerobert“
Als sich die Demo gegen 14 Uhr in Bewegung setzt ist bereits klar, dass es nicht nur die Kritik an Gefahrengebieten und Polizeikontrollen ist, die heute die DemonstrantInnen auf die Straße treibt. Überall ist Kritik am regierenden SPD-Senat zu sehen: Besonders das Neumann-Zitat aus dem Innenausschuss ist Thema vieler Transparente. „Der Senat fährt eine Law and Order Strategie“, kritisiert ein Redebeitrag den Umgang der Stadt mit den deutlich sichtbaren Konflikten. Man habe jedoch mit kreativem Protest immer wieder gezeigt, dass die BürgerInnen sich das nicht länger gefallen lassen. „Wir haben die Straßen zurückerobert“, ruft ein Mitglied von Avanti den DemonstrantInnen zu. Die Proteste sollen weitergehen, bis der Senat die politischen Probleme ernst nimmt und eine ernsthafte Lösung anstrebt. „Wir haben die Schnauze voll“, sagt ein Demonstrant über den Lautsprecher. „Deshalb muss ein Zeichen gesetzt werden, hier auf der Straße.“
Immernoch die gleichen Themen
Bereits am Freitag hatte es eine spontane Fahrraddemo durch die Innenstadt gegeben. „Je mehr Protest, desto besser“, lautete die Begründung einer Demonstrantin für ihre Teilnahme. Auch andere DemonstrantInnen am Sonnabend teilen diese Meinung. Es macht den Eindruck, als kämen auf den Senat wachsende Proteste zu. Der Slogan der DemonstrantInnen „Kein ruhiger Tag dem Hamburger Senat“, könnte sich schnell bewahrheiten. Dabei sind es die gleichen Themen, die schon im letzten Jahr Anlass für zahlreiche Demonstrationen und Protestaktionen waren: Gentrifizierung und Verdrängung, das Empfinden die soziale Spaltung der Stadt verstärke sich von Tag zu Tag und die Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen in Hamburg sind nur einige Beispiele für die politischen Dauerkonflikte der Stadt. Hinzu kommt die Frage nach dem Erhalt des autonomen Kulturzentrums Rote Flora, ein Konflikt, der schon seit den 90ern immer wieder das politische Geschehen beeinflusst. Auch die Debatte um Gefahrengebiete ist in ihrem Kern nicht neu. Seit 2005 wurden in Hamburg bereits über 40 Sonderzonen eingerichtet.
2014 – das Jahr der Klobürste
Mit dem letzten Gefahrengebiet auf St. Pauli, in der Sternschanze und Altona haben die Proteste nicht nur neuen Schwung erhalten, sondern auch ein neues Symbol: die Klobürste. Nachdem ein Polizist im Gefahrengebiet eine Klobürste aus dem Hosenbund eines jungen Mannes gezogen und diese dann beschlagnahmt hatte, wurde das Haushaltsutensil zum meistgekauften Gegenstand um die Reeperbahn – in vielen Läden waren die Klobürsten ausverkauft, ein Budni-Filialleiter bot die Objekte zu Protestzwecken günstiger an und in manchen kleinen Geschäften konnte man günstigere Angebote erhalten, wenn man sich mit der Klobürste „ausweisen“ konnte.
Auch am Sonnabend ist die Klobürste überall präsent. Das Symbol ist inzwischen über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt und entwickelt sich zum Ausdruck dessen, was sich viele DemonstrantInnen für das kommende Jahr vorgenommen haben – widerborstig sein, gegen eine Senatspolitik, die als realitätsfern empfunden wird. Es sind nicht nur, die konkreten Auswirkungen der Senatspolitik, wie die Essohäuser und die Verdrängung von Obdachlosen am Hauptbahnhof, die 2014 zum Jahr der Klobürste machen könnten. Aus Sicht vieler DemonstrantInnen ist es das Gefühl von der Politik nicht verstanden und ernstgenommen zu werden. Für die kommenden Monate sind bereits weitere Großdemonstrationen angekündigt. Ob die HamburgerInnen weiter zu Tausenden auf die Straße gehen werden, wird sich erst noch zeigen. Aus Sicht der Organisatoren am Sonnabend gibt es hierzu keine Alternative. Sie wollen weiter protestieren „für eine Stadt die widerborstig, solidarisch und widerständisch ist.“
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