“Klippe”, so heißt das neue Album von Refpolk. Henry Lührs hat mit dem Zeckenrapper über sein zweites Soloalbum und seine wütenden, hochpolitischen Texte gesprochen. Freitagabend tritt Refpolk in der Roten Flora auf.
Politisch, wütend, selbstreflektiert, so ist das neue Album „Klippe“ von Refpolk. Der Musiker und Aktivist macht nicht einfach nur Rap, sondern steht mit seinem ganzen Leben für die Inhalte seiner Musik und nutzt sie als Reflektion und Ventil. Am Freitag, 15. Mai spielt Refpolk zusammen mit Ticktickboom-Homie DJ Kai Kani und Support von Daisy Chain in der Roten Flora. Mittendrin hat mit dem Rapper über sein neues Album, seine Ziele, Hoffnungen und Motivationen gesprochen.
Mittendrin: Dein neues Album „Klippe“ ist sehr politisch. Was hat dich dazu gebracht, politischen Rap herauszubringen?
Refpolk: Meine Musik ist so politisch wie mein Leben. Rap ist für mich etwas, was sehr nah dran ist am Alltag der Menschen, und „Klippe“ beschreibt mein Leben als linker Rapper und HipHop-Aktivist. Für mich gehörte das von Anfang an zusammen: Als ich begann, Rap zu hören, habe ich auch angefangen, mich mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen, in der wir leben. Als ich meine erste Demo-CD gebrannt habe, war ich auch gerade neu in einer Jugendantifa. Ich war nie zuerst politisch und dann HipHop oder zuerst HipHop und dann politisch, sondern immer beides. Und so ist das bis heute.
Inwiefern glaubst du, dass man mit Musik politisch oder gesellschaftlich etwas verändern kann?
Refpolk: Politische Musik ist nur so wirkungsvoll, wie die Proteste und Bewegungen, mit denen sie verbunden ist. Aber Musik kann Inhalte und Widersprüche spürbar machen, sie kann Menschen emotional direkt in der Situation erreichen, in der sie gerade kämpfen, leiden oder glücklich sind. Dadurch kann sie Gemeinsamkeiten sichtbar machen, Menschen verbinden und so eine Basis für Protest und Widerstand schaffen. Und die wiederum ist dann wichtig für gesellschaftliche Veränderung.
Dein Konzert in Hamburg findet in der Roten Flora statt. Was hat dich dazu bewegt, dort aufzutreten und welche Verbindung hast du zur Roten Flora?
Refpolk: Die meisten Konzerte, die ich in Hamburg gespielt habe, waren in der Roten Flora. Das letzte Mal mit „The Future Is Still Unwritten“ 2014. Für Kronstadt aus Barcelona und Daisy Chain & Miss Zebra aus Athen von „The Future Is Still Unwritten“ war es etwas sehr Besonderes in der Roten Flora zu spielen. Sie haben sich dort mit ihren Erfahrungen von Protesten in Spanien und Griechenland wiedergefunden. Die Rote Flora steht für eine Verbindung von Radikalität und Verankerung in der Bevölkerung.
Du rapst viel über wichtige und politische Themen, welche aber oft traurig und frustrierend sein können. Woher nimmst du deine Energie und den Antrieb, auch dein neues Album so wütend und politisch zu gestalten?
Refpolk: Rap ist für mich ja auch eine Möglichkeit, Frustration und Wut zu verarbeiten und dafür ein Ventil zu finden. Von daher brauche ich oft gar keine Motivation, um einen Song zu schreiben, im Gegenteil, ich brauche den Song, um klarzukommen. Aber ich bekomme auch viel Motivation durch Konzerte. Gerade bin ich mit Daisy Chain und DJ KaiKani auf Tour und es ist schon überwältigend schön, wie viele Menschen uns supporten und wiederum durch unsere Musik motiviert und inspiriert werden.
Du hast ja bereits oft in Hamburg gespielt, zum Beispiel beim letzten Schanzenfest, der Release Party von Neonschwarz oder auch bei den legendären Zeckenrapgalas. Was macht die Stadt für dich aus und wo hast du bisher am liebsten gespielt?
Refpolk: Die Release-Party von Neonschwarz war schon sehr besonders, weil es auf der MS Stubnitz war, also auf einem Schiff, und außerdem liebe ich Release-Konzerte – und natürlich Neonschwizzy! Aber ebenso hatte das Schanzenfest eine einzigartige Stimmung und auch das TickTickBoom-Konzert im Uebel & Gefährlich war sehr wichtig für uns, auch zum Beispiel wegen der Ansage von Lampedusa in Hamburg auf der Bühne. Aber, wie schon gesagt, die Rote Flora war bisher der häufigste Ort für meine Konzerte und die Stimmung und das Publikum dort ist es auch, was Hamburg für mich ausmacht. Ich habe den Eindruck, dass es nicht so große Berührungsängste zwischen Widerstand gegen hohe Mieten, Protesten für ein Bleiberecht für alle, Antifa-Gruppen und HipHop-Fans gibt wie zum Beispiel in Berlin. Vielleicht denke ich das auch nur, weil ich von außen komme, aber das ist mein Eindruck.
Auch das neue Album wurde mit dem Kollektiv „TickTickBoom“ produziert, du bist Gründungsmitglied dieses Zusammenschlusses – wie kam es einst dazu, dass ihr euch als Zeckenrapper zusammengeschlossen habt?
Refpolk: Wir haben uns über Jahre unsere Locations und Strukturen aufgebaut für Zeckenrap und es war an der Zeit, darüber hinauszugehen. Linker Rap ist ja kein Selbstzweck und das war’s. Der Zusammenschluss von „TickTickBoom“ war für uns die Möglichkeit, für breitere Aufmerksamkeit zu sorgen und mit unseren bescheidenen Mitteln sowohl in der HipHop-Szene als auch gesellschaftlich unsere Musik mit unserer Message zu verbreiten.
Speziell du wirst oft direkt mit Zeckenrap in Verbindung gebracht. Wie würdest du deine Musik selbst in wenigen Worten beschreiben?
Refpolk: Letztens hat mir eine Person geschrieben, dass ich in meinen Songs eine wunderschöne Brücke zwischen Gesellschafts- und Selbstkritik schlage. Das hat mir gefallen. Auch bastele ich gerne lange an Flows rum und habe eine Vorliebe für Doubletime.
Auch das neue Album zeichnet sich wieder durch kritische Selbstreflektion aus. Das trifft besonders auf den persönlichen Song „Läufer“ zu. Hierbei entpuppt sich das Laufen schnell als Metapher. Worum geht es dir in diesem Song?
Refpolk: Viele von uns laufen den ganzen Tag, das ganze Jahr, das ganze Leben. Sei es, um die Miete zu bezahlen, ein bisschen Anerkennung zu bekommen oder um gesellschaftlich etwas zu verändern. Dieses Laufen beruhigt uns irgendwie, es hat auch etwas sehr männliches, denn wir sind in Bewegung, es passiert etwas und doch ist alles so wie immer. Aber von Zeit zu Zeit kommen die Momente, wo uns bewusst wird, wie müde wir sind, wie wir im Kreis rennen und wie uns das ständige Laufen einsam macht. So geht es auch mir und irgendwann letztes Jahr, als ich nachts aufgewacht bin und nicht wieder einschlafen konnte, weil sich in meinem Kopf alles gedreht hat, habe ich „Läufer“ geschrieben.
Dein neues Album heißt „Klippe“. Was bedeutet dieser Titel?
Refpolk: „Klippe“ beschreibt für mich den schmalen Grad zwischen Hoffnung und Resignation. Das ist es, was mein Album ausmacht.
Im Song “Klippe“ wirst du durch die griechische Rapperin Daisy Chain gefeatured. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Refpolk: Daisy Chain habe ich über „The Future Is Still Unwritten“ kennengelernt. Wir haben uns 2013 als Artists aus Spanien, Griechenland und Deutschland zusammengeschlossen, um zu zeigen: Wir stehen für Solidarität über nationale Grenzen hinaus und gegen die Sparpolitik der von Deutschland dominierten EU. Aus einem Song wurde eine gemeinsame Tour und inzwischen sind wir alle regelmäßig zusammen in Deutschland, Griechenland und Spanien unterwegs.
Deine Musik ist größtenteils politischer Natur. Was hörst du selbst am liebsten für Musik?
Refpolk: Sehr unterschiedlich. Das reicht von Protestliedern der 1960/70er Jahre in der BRD über „Ton Steine Scherben“ bis hin zu Straßenrap. Ich bin da sehr offen und wenn mich ein Song irgendwie trifft durch die Melodie, den Flow, das Gefühl, dann feiere ich ihn. Aber klar, letztendlich überzeugt mich Musik von Leuten, die sich nicht nur einfach so auf eine Bühne stellen, sondern bei denen du schon nach den ersten Sekunden merkst: Die stehen da, weil sie das leben.
Was? Klippe-Release-Tour: Refpolk, Daisy Chain, DJ Kaikani
Wann? Freitag, 15. Mai, 21 Uhr
Wo? Rote Flora
Eintritt? 6 Euro, inklusive 1 Euro Bau-Soli für die Rote Flora
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