„Hell over Hammaburg“-Festival: Eine metallische Zeitreise

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Musik
Justus Ledig

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Oldschool, Baby! Mit einer wie üblich bunten Mischung Retro-Metal wartete das dritte „Hell over Hammaburg“ auf. Wo Krach ist, ist Justus Ledig oft nicht fern, und so stürzte er sich in die ausverkaufte Markthalle.

Das „Hell over Hammaburg“ ist in seiner Form ein ziemlich einzigartiges Festival. Auftritte von Bands, die man nicht alle Tage zu Gesicht bekommt, sind für zahlreiche Metal-Jünger Grund genug, in die Markthalle zu ziehen. Bereits Wochen im Voraus war klar: der Laden wird ausverkauft sein. Das Line-up mit zahlreichen Kapellen, die besonders traditionelle Klänge kredenzen, lockt entsprechend viele Träger von Kutten, engen Hosen und weißen Turnschuhen an. Und dabei sind sowohl Bands als auch Fans nicht durchgängig älteren Semesters. Willkommen in Zeiten, die lange vergangen schienen.

Gemächlicher Auftakt

Musikalisch geht es für uns los mit Robert Pehrsson’s Humbucker. Der schwedische Gitarrist und Sänger, der bereits mit etlichen weiteren Gruppen im Metal- und Hardrock-Sektor Erfolge feierte, ist heute mit seinem Soloprojekt unterwegs und liefert einen der wenigen Auftritte außerhalb seines Heimatlandes ab. Der persönliche Festivalauftakt könnte schwungvoller sein, spielt Robert Pehrsson doch ziemlich gefälligen, aber spannungsarmen Hard Rock, der Schwiegermutter nicht stören würde. Zwischenzeitig überlässt Pehrsson das Lead-Mikrofon seinem Mitstreiter, was recht wohltuend klingt.

Ebenfalls aus Schweden stammen The Tower, die sich im MarX die Ehre geben. Junge Junge, hat da gerade 1969 angerufen und will seine Band zurück? Psychedelischer Blues Rock, okkulte Texte, stilvoll vorgetragen in Rüschenhemden und anderen Modesünden – das können die Jungs. Das Gesamtbild passt definitiv. The Tower zelebrieren Tanzeinlagen wie im Rausch und verhexen das MarX mit röhrigen Gitarrensounds. Einzig der geringe Variantenreichtum von Sänger Erik verdient das Attribut “ausbaufähig”.

Schluss mit lustig, jetzt wird’s böse

Nun betreten Cult of Fire die Bretter der großen Markthalle. Und wie sie das tun! Während Kerzen brennen und Weihrauch zwischen Totenschädeln schwelt, schreiten Gestalten in Priesterkutten auf die mit Sensen geschmückte Bühne. Grundgütiger, wer jetzt sein allererstes Metal-Konzert erlebt, dürfte sich amtlich in die Hose machen. Die Band aus der tschechischen Hauptstadt brennt im wahrsten Sinne die Hölle ab. Auch ohne zusätzliche Showelemente wirkt der kunstvolle Black Metal (mit Texten in Sanskrit, als ob der Rest nicht schon abgefahren genug wäre) wahnsinnig intensiv. Bei Cult of Fire stimmt alles – ein großartiger Auftritt.

Damit das Publikum beim „Hell over Hammaburg“ auch wieder etwas zum Feiern hat, stehen High Spirits bereit. Die Jungs aus Chicago, die sich vor kaum mehr als fünf Jahren zusammentaten, bringen klassischen Heavy Metal ohne nennenswerte Schnörkel unters Volk. Es ist ganz schön voll in der großen Halle und viele Fans scheinen das Material von High Spirits sehr gut zu kennen. Die von der Presse hochgelobte Band rund um Mastermind Chris Black macht ihre Sache gut und hat viele Sympathien auf ihrer Seite. Aber mal im Ernst: Da ist zu viel vorhersehbar, innovativ klingt anders.

Nun gut, Innovationen dürften bei den wenigsten Bands auf dem „Hell over Hammaburg“ der Anspruch sein. Ebensowenig bei Solstice, Veteranen des Epic Doom Metal. Die Gruppe feiert in diesem Jahr bereits ihr 25-jähriges Bestehen und ist damit gewiss eine der dienstältesten Bands auf dem Festival. Im Gegenzug wissen Solstice sich rar zu machen und genießen auch deshalb einen entsprechenden Status. Besonders markant klingt Sänger Paul Kearns, der erst vor wenigen Jahren zu der Band stieß. Feine Geste: Hin und wieder lässt er die Fans einzelne Zeilen singen. Mit tiefschürfenden, erdigen und düsteren Songs in teilweise beachtlicher Länge verzücken die Briten das Publikum. Allerdings ist es merklich leerer geworden.

Altersgrenzen verschwimmen

Wir schauen wieder im MarX vorbei, wo eine Band mit dem kreativen Namen Night zugange ist. Dieses Mal fühlt man sich locker 30 bis 35 Jahre zurückversetzt, denn der straighte Heavy Metal der schwedischen Band atmet sehr den Geist der frühen 1980er Jahre. Die kleine Halle ist gut gefüllt, doch einen Blick auf Sänger Oskar, den mit gerade einmal 21 Jahren ältesten Musiker der Band, lässt sich doch erhaschen. Mit seinem ziemlich quietschigen Organ löst er jedoch keine Begeisterungsstürme aus. Also mal wieder rüber in den großen Saal.

Dort wird es wieder finster: Necros Christos stammen aus Berlin und zocken gemächlichen Death Metal mit orientalischen Einflüssen. Klingt komisch, funktioniert aber ganz passabel. Diverse Samples sorgen für atmosphärische Intros und Interludes, auch wenn ich kein Fan von Konservenklängen auf einer Bühne bin. Der wuchtige, straighte Sound geht in den Nacken und spricht für sich – Necros Christos führen auch kaum Interaktion mit dem Publikum. Okkulter Schmuck und ein Sänger in einem orientalischen Gewand müssen genügen.

Jetzt schlägt’s dreizehn

Die Uhr geht allmählich auf Mitternacht zu und damit ist es Zeit für Midnight. Der Headliner steht für rotzigen Black-Thrash-Rock’n’Roll „made in USA“ und ist als Enfant terrible der Szene bekannt. Mit einer derben Ansage, man sei hier in Deutschland, um unser Bier zu trinken und unsere Frauen zu … sagen wir mal “vernaschen”, wird der Standpunkt untermauert.

Die von bizarren Masken verhüllten Midnight haben die Markthalle auf ihrer Seite. Jedoch nicht lange: Kaum eine halbe Stunde ist vorüber, als Sänger/Bassist Athenar verlauten lässt: “Unser Aushilfsgitarrist kann keine weiteren Songs spielen, wir hören jetzt auf.” Das sorgt für Irritation im Publikum, doch nach angedeuteter Zerstörung des Bühnenequipments bleibt die Band tatsächlich endgültig weg. Nanu? Gespräche mit anderen Besuchern in der wieder hell erleuchteten Markthalle geben Gewissheit: Das überrasche wenig, vielmehr hätten wir sogar einen vergleichsweise guten Auftritt von Midnight gesehen. Es sei schon wesentlich Schlimmeres passiert. Dennoch bekommt die Band immer wieder großzügige Spielzeiten.

Wie auch immer. Schade um einen Headliner, der statt 70 Minuten gerade einmal die Hälfte der Zeit abliefert. Doch ansonsten gibt es wenig zu meckern über das dritte „Hell over Hammaburg“. Zuweilen war die Einlass-Situation im MarX nicht optimal, das lässt sich aber kaum vermeiden bei einem ausverkauften Haus und nicht immer gut einschätzbarem Interesse der Fans.

Dass das Konzept des Festivals aufgeht, lässt sich an den Besucherzahlen ablesen. Mit Highlights wie dem infernalischen Auftritt von Cult of Fire oder dem zumindest erinnerungswürdigen Headliner-Gig lässt sich sagen: Die Hamburger Metal-Szene kann stolz auf das „Hell over Hammaburg“ sein.

Fotos: Justus Ledig
Kommentare anzeigen (1)

1 Kommentar

  1. headbeam

    29. März 2015 at 12:52

    — „Der persönliche Festivalauftakt könnte schwungvoller sein, spielt Robert Pehrsson doch ziemlich gefälligen, aber spannungsarmen Hard Rock, der Schwiegermutter nicht stören würde.“
    —- „…der geringe Variantenreichtum von Sänger Erik verdient das Attribut “ausbaufähig”“
    —- „Da ist zu viel vorhersehbar, innovativ klingt anders.“
    —- „Allerdings ist es merklich leerer geworden.“
    —- „Mit seinem ziemlich quietschigen Organ löst er jedoch keine Begeisterungsstürme aus.“
    —- „Schade um einen Headliner, der statt 70 Minuten gerade einmal die Hälfte der Zeit abliefert. Doch ansonsten gibt es wenig zu meckern.“

    Merkste selbst, ne?

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