Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei fast den Glauben an seriöses Programm verloren. 

Eigentlich ist es ja erfrischend, dass mal nicht nur routiniert in, sondern hitzig über Talkshows geredet wird. Gut, Günther Jauch hätte sich gefreut, wenn sein leidlich intakter Ruf dank des manipulierten Mittelfingers vom griechischen Finanzminister Varoufakis nicht abermals implodiert wäre. Und dass Jauchs junger, kluger, lustiger, bissiger, kreativer, also ungleich besserer, nur leider im Nachtprogramm versteckter Kollege Jan Böhmermann das Ganze dann auch noch nach Kräften veralbert, macht die Peinlichkeit, das Erste über den Umweg übler „Bild“-Methoden auf RTL-Niveau zu drücken, auch nicht erträglicher. Aber immerhin bleibt man mit so billigen Tricks im Gespräch.

Bierselig schunkelnde Shows

Billig war ein paar Tage später auch der Versuch von Anne Will, ein linkes Thema von rechts zu zerquatschen. Statt der Autorin einer bissigen „Zeit“-Kritik am ungerechten System steuerfreier Erbschaften wenigstens jemand halbwegs Gleichgesinntes zur Seite zu stellen, plagte sie sich mit dem manchesterkapitalistischen Armenhasser Michael Hank von der FAZ herum, dem spaßliberalen Armenhasser Wolfgang Kubicki und irgendeinem CDU-Vasallen, der ungehinderten Reichtum ebenfalls als Menschenrecht betrachtet.

Wenn hier selbst der notorische Gerechtigkeitspolterer Gysi fehlt, wähnt man sich also fix im Bierzelt. Oder wahlweise auf einer Volksmusiksause, deren Branche anspruchsvollen Gemütern vorige Woche den nächsten Tiefschlag verpasst hat: Carmen Nebel bleibt dem ZDF erhalten. Hiphiphurra. Bis 2017 wurde der Vertrag für ihre bierselig schunkelnden Willkommensshows im ZDF verlängert. Die Zukunft riecht also auch im Zweiten Programm verteufelt nach Fünfzigerjahre – während die von RTL2 immerhin aussieht wie zur Jahrtausendwende, als der Ballermannkanal mit den „Popstars“ auf sich aufmerksam machte, die nun zurück auf den Bildschirm kehren.

Wobei auch hier wieder dufte Synergieeffekte locken – richtet das gemeine Casting-TV im Grunde doch längst die Besetzungen künftiger Volksschlagersausen der Marke Nebel zu, das all den Nachfolgern der No Angels früher oder später ein Teilzeitasyl auf der Flucht vor anhaltender Erfolglosigkeit bietet.

Drei Stunden Mumpitz

Ein bisschen prinzipientreuer ist da die unverstellte Bergidyllenwelt vom „Musikantenstadl“, auch wenn es dort seit Neuestem erstaunliche Misstöne gibt. Mit 54 ist Andy Borg zwar erst ungefähr halb so alt wie das volksmusikalische Durchschnittspublikum im Ersten. Dennoch moderiert er die Sendung am Samstag zum vorletzten Mal, weil auch dort auf Silbereisen-Niveau verjüngt werden soll. Ist schon seltsam, die Populärmusikbranche. Feiert sie doch tags zuvor auf gleichem Kanal live einen Musikpreis namens „Echo“, der sich einzig an Verkaufszahlen bemisst, was ungefähr so zeigenswert ist, als würde Deutschland seine längsten Autobahnauffahrt als die besten küren. Moderiert dann natürlich ebenfalls vom kreischenden Doppeld-D-Dekolletee Barbara Schöneberger. Für so einen Mumpitz hält die ARD übrigens drei volle Stunden Primetimezeit bereit. Für den bedeutsamen Grimme-Preis dagegen bleibt Freitag leider nur 3sat, wo die Verleihung um 22.35 Uhr als Zusammenfassung läuft.

Tja, das Öffentlich-Rechtliche und die Sendeplätze… Während für ein banales Fußballländerspiel gegen Australien jede Sendestruktur perforiert, um es pünktlich nach der „Tagesschau“ im ZDF zu starten, zeigt die ARD das allerletzte Interview mit Helmut Kohl von Stephan Lamby und Michael Rutz Dienstag und Mittwoch 20 Minuten nach Mitternacht (die vollen sechs Stunden gibt’s auf www.tagesschau.de).  Man könnte glatt den Glauben verlieren an seriöses Fernsehen. Na immerhin zeigt 3sat die ganze Woche über, dass es Dinge gibt, an die zu glauben sich lohnt. Mit Filmen, Dokus, Reportagen, Essays, Magazinen und Thorsten Epperts hinreißendem Glossar „Glaube A-Z“ (Montag, 20.15 Uhr), fragt der Sender aufrichtig: Woran glaubst du?“ und kriegt bis Samstag jeden Abend kluge Antworten.

Die Wiederholungen der Woche

Wir Medienwachleute glauben dann aber doch nur an gutes Fernsehen, dass leider allzu oft gebraucht ist, womit wir bei den „Wiederholungen der Woche“ wären. Schwarzweiß diesmal am Montag (20.15 Uhr, Arte): „Gewagtes Alibi“, ein düsteres Gewaltepos von 1949 mit Burt Lancaster als Wachmann, der für seine Liebe in die Unterwelt taucht. Und würde Vox die drei Stunden „Avatar“ am Donnerstag nicht mit 45 Minuten Werbung aufpumpen, wäre der Farbtipp kein anderer. Nämlich „Papillon“ von 1973  (Mittwoch, 1.55 Uhr, ARD) mit dem unvergleichlichen Steve McQueen als realem Häftling einer karibischen Knastinsel.

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