Das Paganfest, ein internationales Bündel mit fünf Metalbands, machte auch vor Hamburg nicht halt. Justus Ledig begab sich in die Markthalle.
Seit mehreren Jahren touren unter dem Label “Paganfest” oder “Heidenfest” verschiedene Bands aus den Genres Viking und Pagan Metal sowie verwandter Spielarten. Für die Runde in diesem Jahr konnten die Veranstalter drei finnische Bands sowie je eine niederländische und eine deutsche Gruppe gewinnen.
Dankbares Publikum für die Opener
Voll ist es nicht, im Foyer gähnende Leere, doch schon zu den Klängen der Opener Frosttide aus Finnland ist im Saal einiges los. Schön für die junge Band, die sich stilistisch zwischen Melodic Death und Pagan Metal mit Keyboard-Teppichen bewegt. Zum Warmwerden taugt der Sound von Frosttide auf jeden Fall, ansonsten lohnt es sich noch nicht, während des kurzen Auftritts das ganze Pulver zu verschießen. Die Band ist gut drauf und schießt noch ein Erinnerungsfoto mit den Hamburgern.
Als nächstes stehen wenig später Obscurity auf der Bühne. Die routinierte Truppe aus dem Bergischen Land serviert schnellen, energiegeladenen und schnörkellosen Pagan Metal, man merkt den Herren ihre fast 20 Jahre lange Erfahrung durchaus an. Nicht Jedermanns Sache dürften die pathetischen deutschen Texte über Mythen und Schlachten sein, so rau sie auch dargeboten werden. Allzu textsicher präsentiert sich das Hamburger Publikum ohnehin nicht – wenn Obscurity zum Mitsingen auffordern, bleiben die meisten Kehlen doch stumm. Indes, die Nackenmuskulatur kommt weiter in Schwung.
Amtlich: Heidevolk aus den Niederlanden
Nächster Halt: Niederlande. Heidevolk aus Gelderland treten mit gleich zwei hauptamtlichen Sängern auf, um ihren folkigen Metal in gemächlichem Tempo auf die Bühne zu bringen. Trotz der Sprachbarriere – Heidevolk singen ausschließlich in ihrer Muttersprache – klappt das mit dem Mitsingen jetzt bedeutend besser. Die meisten Songs sind einfach gestrickt und haben eingängige Refrains, sodass Fans auch mit drei Promille noch Wörter wie “Saksenland” oder “Dondergod” zu brüllen vermögen. Wie schon die vorherigen Bands haben Heidevolk ein neues Album am Start, in das es einige Einblicke gibt. Höhepunkt und Rausschmeißer ist allerdings das Normaal-Cover “Vulgaris Magistralis”, bei dem der Protagonist auf einem Mammut reitet und Dinosaurier als halbes Hähnchen verspeist.
Welch eine Überraschung
Als nächstes folgten die Finnen von Turisas, die mir vor Jahren als schlechte Live-Band in Erinnerung geblieben war. Doch wie groß war heute die Freude! Der symphonische Folk Metal wird beim Paganfest 2015 auf ein ganz neues Niveau gehoben, denn die Finnen verzichten auf unnötige Samples vom Band und beschränken sich neben den gängigen Metal-Instrumenten auf den Einsatz von Geige und Keyboard. Standesgemäß in Leder und Blut “gekleidet” legen Turisas einen wuchtigen und intensiven Auftritt hin.
Vom wenig gefeierten jüngsten Album gibt es zwar kaum etwas zu hören, dafür eine ausgezeichnete Auswahl älterer Songs, die dazu noch fantastisch inszeniert werden. Sänger “Warlord” Nygård” und der Rest der Gruppe sind glänzend aufgelegt, spielfreudig und enthusiastisch. Als zum Schluss des Auftritts beim Song “End of an Empire” noch Kunstschnee von der Decke rieselt und drei Männer einen mächtigen Chor abliefern, ist die Gänsehaut allerorten spürbar. Schon jetzt das vielleicht beste Konzert des Jahres 2015!
Wintersun greifen daneben
Dass das schwer zu toppen ist, dürfte klar sein. Wintersun als letzte Band scheinen das auch gar nicht zu versuchen. Das Elend beginnt damit, dass der als Perfektionist bekannte Bandkopf Jari Mäenpää zu Anfang des ersten Songs Probleme mit der Technik hat, am Rande der Bühne an seiner Gitarre herumnestelt und eine ganze Strophe verpasst. Professionell ist anders. Was Turisas so gut machten, verkehren Wintersun ins Gegenteil: Sehr viel kommt vom Band, die opulenten Songs sollen genau so klingen wie auf Platte – was nicht glückt. Undynamisches und blutleeres Spiel ist die Folge. Hinzu kommt, dass der dauergrinsende Sänger/Gitarrist mit seiner schlacksigen Gestalt in kurzer Hose (!) wenig glaubwürdig vermittelt, man käme aus dem “Land of snow and sorrow”.
Wintersun zocken ihr gesamtes aktuelles Album mit Ausnahme der Interludes durch, kredenzen ein paar Nummern des ersten Albums und einen völlig neuen Song. Der Saal leert sich weiter und die Begeisterung ist eher so im Mittelmaß angelangt, es ist spät und eine brillante Liveband werden Wintersun wohl nicht mehr.
Gegen halb 12 gehen die Lichter an, die letzten Gäste machen sich auf den Heimweg. Das Konzept, fünf Bands auf einmal auf Tour zu schicken, darf immer noch kritisiert werden, denn die Spielzeiten sind kurz und das Set verlangt recht viel Ausdauer. Doch im Großen und Ganzen und nicht zuletzt wegen Turisas war ich mit dem Paganfest 2015 sehr zufrieden.
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