Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und hat zwischen viel TV-Müll doch noch ein paar sehenswerte Sendungen gefunden.
Es ist ein Grunddilemma des zeitgenössischen Fernsehens mit sozialem Gewissen, dass Frauen darin nicht selten zur Wut tendieren. Besonders eindrücklich zeigt das die Interessengemeinschaft ProQuote, der es seit einiger Zeit nachdrücklich um mehr Frauen in medialen Spitzenpositionen geht. Vorige Woche hat die AG emanzipierter Journalistinnen (und vereinzelter Kollegen) abermals das zutiefst rückständige Geschlechterverhältnis ihrer Branche aufs Korn genommen. Während sich der „Presseclub“ sonntags um Parität bemühe, beklagte die Vorsitzende Annette Bruhns von Plasberg über Jauch bis Will und Illner „Herren-Talks mit Alibi-Dame“. Wie Recht sie doch hat – obwohl der Chromosomensatz allein natürlich wenig über Qualität aussagt.
Wettkampf ums spießbürgerliche Programm
Sonst böte eine weitere Meldung ja per se Grund zur Freude. Doch während es eine gute Nachricht ist, dass der maskuline WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn bald „ARD-Koordinator Fernsehfilm“ wird, ist die Topbesetzung der „Gemeinschaftsredaktion Hauptabendserie“ mit einer Frau namens Jana Brandt das genaue Gegenteil. Denn schlimmer als all die absurden Abteilungstitel der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ ist nur noch die Tatsache, deren Reihenprodukte fortan ausgerechnet von der Fernsehfilmchefin des MDR gestalten zu lassen.
Das ist schließlich der Sender, wo heute Abend Hansi Hinterseers Heimat gefeiert wird, morgen „Der Osten“, Donnerstag das „Fichtelgebirge“ und auch sonst immer irgendwas, das mit Blut, Boden oder beidem zu tun hat. Der Sender also, der sich mit dem NDR einen spannenden Wettkampf ums spießbürgerlichere Programm liefert, den der Nordfunk wegen seiner starken Magazine zum Wochenbeginn von „Markt“ und „45 Min“ (Montag) bis „Visite“ und „Panorama 3“ dann aber doch verliert.
Sachfernsehen und kommerzieller TV-Müll
Überhaupt – Sachfernsehen. Wenn sie wollen, beweisen die Formate des Ersten wie die des Zweiten Programms, was das private gar nicht hinkriegen will. Dann läuft heute um 22.45 Uhr mit der Doku „Milliardenpoker Formel 1“ die inoffizielle Bewerbung der ARD, niemals Bernie Ecclestones Benzinzirkus senden zu wollen, während die Reihe „37º“ morgen nach dem „Traumschiff“ den Niedergang des kleinen Einzelhandels am Beispiel dreier Ladenschließungen zeigt. Parallel dazu beschäftigt sich Arte eingehend mit dem „Cyberwar“ oder ZDFkultur Donnerstag nach zehn mit Schlingensiefs Operndorf in Burkina Faso.
Geht doch.
Damit man aber nicht vergisst, wie viel zugleich danebengeht, zeigt Tele5 ab heute jeden Abend zur besten Sendezeit das Beste aus 20 Jahren „Kalkhofes Mattscheibe“, in dem kommerzieller TV-Müll ebenso genüsslich durch den Kakao gezogen wird wie öffentlich-rechtlicher. Ein Dauergast ist dort übrigens „Super Nanny“ Katharina Saalfrank, die sich eine Weile erfolgreich in Familienkrisen mischte. Ab Donnerstag zeigt der, äh, Frauensender TLC das britische Vorbild „Jo Frost“, und es ist nicht grad mutig zu behaupten, Original und Fälschung dürften sich gleichen wie ein Osterprogramm dem vorigen.
TV-Tipps
Wie gewohnt laufen darin „Sissi“ oder „Cars“, Karibikpiraten, Gladiatoren und mal wieder eine aufwändige Inszenierung der Bibel. Diesmal zehn Teile aus den USA, ab Gründonnerstag auf Vox, in denen Religion sicher so richtig scheppern darf. Dennoch hat Jesus’ aufregendste Zeit heuer auch Neues zu bieten – auch wenn es steinalt ist. Disneys 94er-Kracher „König der Löwen“ etwa, Karfreitag auf dem zugehörigen Kanal, oder zeitgleich bei RTL „Das Dschungelbuch“, dem seit 1967 allen Ernstes noch keine Ausstrahlung im Free-TV vergönnt war. Ebenso neu und zugleich betagt ist am gleichen Tag das, was ZDF und KiKa aus „Wicki“ gemacht haben: Ein digitales Reizsperrfeuer, das leider nichts mehr mit dem beschaulichen Original zu tun hat. Original und immer wieder wunderbar dagegen: „Tom und Jerry“, denen SuperRTL ein vierstündiges Hauptabendspecial widmet.
Doch aus der Fiktion lebender Figuren gibt es auch noch was zu erzählen: Morgen hat Miley Cyrus einen Gastauftritt bei „Two and a Half Men“ und es bleibt offen, wer da für wen PR macht. Das Oscar-Drama „In einer besseren Welt“ seziert Gewalt jeder Art mit famoser Zurückhaltung und beweist, das dänische Filme ganz ohne Zappelschnitte oder Serienkiller auskommen können. Und Charlie Chaplin ist Samstag bei 3sat als „Der Große Diktator“ sowieso die Quintessenz dessen, was Film kann wenn man ihn wie 1940 einfach lässt.
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