Kultur

Ein Ausnahmekünstler ohne Heimat

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Sonnabend feiert „FRONT“ am Thalia Theater seine Uraufführung. Mit von der Partie ist der Hamburger Künstler Ferdinand Försch, der im Anschluss an die Produktion vor dem Ende seines Lebenstraums steht.

Das Leben von Ferdinand Försch hat sich auf den Bühnen der Welt abgespielt. Der 62-jährige Künstler kann auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken: Nach dem Studium der Komposition, Perkussion und elektronischen Musik bricht Försch 1982 mit traditionellen Musikformen und beginnt mit selbst entwickelten Instrumenten zu experimentieren. Es folgen Engagements in New York, Shanghai und westafrikanischen Staaten.

1997 gründet er das Klanghaus in Billbrook, um mit Klanginstallationen und selbst entworfenen Instrumenten zu experimentieren und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Am Sonnabend ist Försch mit dabei, wenn am Thalia Theater das Stück „FRONT“ seine Uraufführung feiert. Doch statt sich zu freuen, sorgt der Künstler sich um seine Zukunft.

Der Krieg in all seinen Facetten

Die Aufführung am Thalia Theater ist ein Zusammentreffen von Figuren aus Romanen, die sich mit der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts befassen, dem Ersten Weltkrieg. Der belgische Regisseur Luk Perceval  nimmt die Zuschauer mit in sein Heimatland während des „Großen Krieges“. Hier schlachten sich die Nationen gegenseitig – 17 Millionen Tote wird der Krieg bis zu seinem Ende fordern. 100 Jahre später kommen auf der Bühne die Frontschweine, die Soldaten in den Schützengräben zu Wort und Berichten von Tod, Verwundung, Ratten und Läusen, die den Alltag an der Front bestimmen.

Es sind Soldaten wie der Landwehrmann Stanislaus Katczinsky aus Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“  oder junge Soldaten aus Henri Barbusses „Tagebuch einer Korporalschaft: Le Feu“, die den Krieg in ihren Erzählungen wieder aufleben lassen. Elf Darsteller begegnen sich in vier Sprachen und bringen dem Zuschauer die Schrecken des Krieges ganz nahe. Dazu trägt auch Ferdinand Försch mit seiner Klanginstallation bei. Unter anderem wird er eine Klangwand aus Stahlblechen nutzen, die er mit seinen Fäusten bespielt, um die Geräuschkulisse des Krieges zu erzeugen. „Das wird eine großartige Inszenierung“, sagt Försch.

Keine Zukunft für das Klanghaus

In sein Klanghaus wird der Künstler nach dem Engagement am Thalia aber nicht zurückkehren können. Durch eine Mieterhöhung des neuen Eigentümers, muss Försch das Haus jedoch aufgeben. Einen Ort um weiter an seinen Instrumenten zu arbeiten oder zumindest zu lagern, hat er noch nicht. „Da ich von morgens bis abends am Thalia probe, fehlt mir gerade die Zeit mich intensiv darum zu kümmern“, sagt Försch.

Ende vergangenen Jahres hatte der Kulturausschuss der Bezirksversammlung seine Unterstützung zugesagt. Es entstand die Idee, das Klanghaus in den Zinnwerken in Wilhelmsburg unterzubringen. Für einen Moment schien es, als könne Försch seinen alten Traum von einem internationalen Klangzentrum realisieren. Seitdem ist jedoch nicht viel passiert. Drei Mal hat Försch die Politiker zu Konzerten im Klanghaus eingeladen, gekommen ist niemand. Lediglich die Bezirksabgeordneten Bernd Ohde und Werner Sobotzik von der FDP und der Bürgerschaftsabgeordnete Hansjörg Schmidt von der SPD sehen sich das Klanghaus an. Schmidt verspricht sich dafür einzusetzen, dass die Instrumente zumindest ordentlich gelagert werden können. „Das ist alles einzigartig, das kann man nicht einfach irgendwo unterstellen“, sagt Schmidt. Derzeit laufen Gespräche um einen passenden Ort zu finden. Auch die Zinnwerke sind dabei noch nicht vom Tisch.

Ein Lager für die Instrumente und Klanginstallationen könnte also gefunden werden. Das Klanghaus in seiner bisherigen Form wird jedoch wahrscheinlich nicht weiter bestehen können. Für Ferdinand Försch würde das ein Ende für seinen Lebenstraum bedeuten – trotz seines Erfolges auf so vielen Bühnen.

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