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Kommentar: Stadtentwicklung endet nicht mit IBA und IGS

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Philipp Moeller

*23.12.1989 in Hamburg | seit 2010 Studium der Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg

An diesem Wochenende endeten die Internationale Bauausstellung (IBA) und die Internationale Gartenschau (IGS) in Wilhelmsburg. Das Ende der IBA und IGS ist dennoch kein Grund jetzt aufzuhören, sondern muss Ansporn sein noch mehr in Wilhelmsburg und andere Hamburger Stadtteile zu investieren.

Die IBA und die IGS haben Konzepte geschaffen, die Hamburgs Stadtentwicklungspolitik weiterprägen werden. Die Großprojekte waren gut für Wilhelmsburg und haben den Stadtteil vorangebracht.

Die IBA hat sich auf drei Hauptthemen konzentriert: Die Stadt im Klimawandel, die Nutzung von Brachflächen in Ortszentrumsnähe (Metrozonen) und die sozial-kulturelle Stadt (Kosmopolis). In allen drei Hauptthemen hat die IBA Konzepte geschaffen, die über Hamburg hinaus Modellcharakter haben werden. So wurde aus einem alten Flakbunker ein „Energiebunker“, der die umliegenden Gebäude mit Energie und Wärme versorgt. Auch im experimentellen Wohnungsbau gibt es Projekte, die weiterentwickelt werden müssen. Ebenfalls hat Wilhelmsburg durch die IBA mit der „Neuen Mitte“ ein zusammenhängendes Ortszentrum erhalten. Ob die WilhelmsburgerInnen ihr neues Zentrum als solches anerkennen werden, wird sich in naher Zukunft erst erweisen müssen, da die Bauprojekte zwar modern wirken, aber auch als künstliches Implantat betrachtet werden. Viele Menschen fühlen sich in Stadtteilen wohler, die natürlich zusammengewachsen sind. Hier gleicht die „Neue Mitte“ in vieler Hinsicht der Hamburger HafenCity. Auch der öffentliche Raum der HafenCity wirkt künstlich und nicht einladend, so dass viele Menschen diese Bereiche meiden. Mit dem „Weltgewerbehof“ wird dagegen schon heute ein Stück zukünftiger Stadtentwicklung wahr. Der „Weltgewerbehof“ stellt eine Mischung verschiedener Funktionen, wie Wohnen und Gewerbe in den Vordergrund und zeigt den Weg der zukünftigen Stadtentwicklung.

Auch die IGS hat Wilhelmsburg geprägt und den lang erwarteten Inselpark geschaffen. Dieser Inselpark wird jedoch die einzige Errungenschaft der IGS bleiben. Viele der Themenwelten werden aufgrund des hohen Erhaltungsaufwandes nicht in ihrer ursprünglichen Form erhalten werden können. Die anderen Erwartungen an die IGS wurden, wenn man sich an den Besucherzahlen orientiert, bei weitem nicht erfüllt. Von den erwarteten 2,5 Millionen Besuchern kam gerade mal die Hälfte. Zum Vergleich: Die Bundesgartenschau in Koblenz 2011 hatte 3,5 Millionen Besucher.

Trotz aller Kritik an IBA und IGS kann erst die Zukunft zeigen, wie sich diese Großprojekte langfristig auf die Entwicklung Wilhelmsburgs auswirken werden. Eins ist jedoch bereits jetzt klar: Es muss weiterhin in Wilhelmsburg investiert werden. Trotz der großen Investitionssummen – die IBA hat die Stadt ca. 100 Millionen Euro und die IGS zwischen 80 und 150 Millionen Euro gekostet – wird Wilhelmsburg auch in Zukunft weitere Investitionen und Ideen benötigen, um bestehende Probleme zu lösen. Auch darf nicht vergessen werden, dass es in Hamburg noch andere Stadtteile gibt, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Diese wurden jedoch nicht mit zwei Großereignissen bedacht, zumal Hamburg nicht über die ausreichenden Finanzmittel verfügt, um vermehrt solche Großereignisse veranstalten zu können. Diese Tatsache zwingt Hamburg dazu mit geringen Finanzmitteln kleinere Projekte vor Ort zu fördern, um Verbesserungen zu erreichen. Jedoch muss sich Hamburg dazu erst mal klar machen, dass die Zukunft der Stadt nicht allein in der HafenCity liegt, sondern in der Förderung bislang benachteiligter Stadtteile und dessen Bevölkerung. Alles andere wäre gefährlich für die Zukunft.

In diesem Zusammenhang polarisiert kein Begriff mehr als die Gentrifizierung. Viele Kritiker werfen der IBA und IGS vor als Motor der Gentrifizierung in Wilhelmsburg gewirkt zu haben. Was ist jedoch dagegen einzuwenden, wenn in einen ärmeren Stadtteil neue Bevölkerungsschichten ziehen und für Veränderungen sorgen? Nicht jedes neue Haus und nicht jeder neu Hinzugezogene verdrängt andere Bevölkerungsschichten. Stattdessen können sie den Stadtteil ergänzen. Die soziale Mischung eines Stadtteils sorgt für eine positive Entwicklung. Monotone Sozialstrukturen schaden dem Stadtteil. Egal ob es sich dabei um monoton arme Stadtteile oder um monoton reiche Stadtteile handelt. Mal etwas polemisch ausgedrückt: Wilhelmsburg kann ruhig einige Villen vertragen, genauso wie Blankenese einige Sozialwohnungen vertragen kann. Die Verdrängung der BewohnerInnen eines Stadtteils zu verhindern muss jedoch immer das Ziel einer guten Stadtentwicklungspolitik sein.

Die Hauptlehre aus IBA und IGS wird vor allem sein, dass Großereignisse für benachteiligte Stadtteile durchaus positive Anstöße für die zukünftige Entwicklung haben können, die Hauptarbeit jedoch erst im Anschluss an diese Großereignisse folgt. Und hier entscheidet sich letztendlich auch der Erfolg oder Misserfolg der IBA und IGS in Wilhelmsburg.

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